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9.3.2006 - Rubrik: Gastronomie
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Allergiker ernst nehmen

Mit der Deklarationspflicht für allergene Zutaten betritt die Schweiz Neuland. Sie besitzt die weltweit erste und strengste solche Regelung. Allergiker sollen die neuen Bestimmungen nur als Hilfe zum Vermeiden fraglicher Produkte benutzen. Aber sie haben ein Recht auf fundierte Informationen, wenn sie im Restaurant Fragen nach Zutaten oder Allergenen stellen. (Bericht im Juli 2002 in der «hotel+tourismus revue» erschienen)



Allergien sind auf dem Vormarsch, auch gegen Lebensmittel. Echte Allergiker sind zwar selten, aber fehlende Deklarationen können sich bei ihnen tödlich auswirken. Die Informationspflicht wurde durch die Lebensmittelrecht-Revision per 1.5.02 stark verbessert: mit einer lückenlosen Offenlegung der zehn wichtigsten allergenen Zutaten (siehe Liste am Ende).

Dies betrifft auch den Offenverkauf und somit die Gastronomie, allerdings reicht hier eine mündliche Auskunft auf Anfrage. Und Adrian Kunz, Jurist des Bundesamtes für Gesundheit BAG erklärt, dass «eine hundertprozentige Garantie nicht dem Willen des Gesetzes entspricht».

Auch Erdnussöl deklarieren?

An einer Tagung Ende Juni hat das Bundesamt für Gesundheit BAG über die neuen Bestimmungen und das weitere Vorgehen informiert. Nicht nur die Zutaten selbst sondern auch daraus hergestellte Produkte müssen deklariert werden. Ob auch vollraffinierte Produkte wie Erdnuss- und Sojaöl deklarationspflichtig sind, wird das BAG noch klären. Zumindest ist für die offiziellen zehn wichtigsten allergenen Zutaten Transparenz geschaffen.

Können die Allergiker nun aufatmen? Brunello Wüthrich, Leiter der Allergiestation der Zürcher Unispitals spricht von «einem entscheidenden Fortschritt, aber einem bleibenden Restrisiko, namentlich beim Auswärtsessen». Und Beda Stadler, Immunologe am Berner Inselspital ortet Schwachstellen: Er «befürwortet zwar eine Allergendeklaration, aber diese sollte sich auf die allergenen Proteine beziehen und nicht auf die betreffende Zutat als solche». Eier zB enthalten viel mehr Proteine als etwa Milch.

Verschleppungen vermeiden

Kommt eine Zutat der offiziellen Zehnerliste als unabsichtliche Verschleppung ins Produkt, muss sie ab einem Promille mitdeklariert werden. Dazu reicht es bereits, wenn ein Hamburger in derselben Pfanne gebraten wird wie ein Vegiburger mit Weizenprotein. Stadler ist auch bei diesem Grenzwert skeptisch: «Was zählt ist die effektive Menge des verzehrten Nahrungsmittels, weil echte Allergene den Magen passieren und sich im Darm akkumulieren können».

Er gibt ferner zu bedenken, dass «Allergiker unvorsichtig werden können, wenn sie ein versehentlich gegessenes Produkt mit Allergendeklaration unbeschadet überstehen. Darin könnte das Allergen unterschwellig vorliegen, in einem andern Produkt hingegen hochdosiert. Die Hersteller werden ev übervorsichtig deklarieren und damit Verwirrung stiften».

Trotz offener Fragen treten die neuen Bestimmungen in Kraft. Christian Keller-Hoehl, Qualitätsmanagement-Leiter der SV-Group, hält sie für «umsetzbar, allerdings erfordert es Zeit. Die Allergen-Deklaration kann erst vollständig erfolgen, wenn die Lieferanten ihre Deklarationen anpassen». Dies kann dauern, da die Übergangsfrist zwei Jahre beträgt. «Das Allergiethema wird zur Zeit in die SV-Richtlinien integriert, die als Grundlage für Schulungen und Servicebesprechungen dienen», so Keller-Hoehl: «Bisher gibt es nur wenige Gästefragen zu allergenen Zutaten, aber der Trend ist steigend».


Neue Möglichkeiten schaffen neue Bedürfnisse. Mit vermehrten Fragen muss auch die öffentliche Gastronomie rechnen, besonders Wellnesshotels. Der Koch kann zwar die Frage beantworten, ob einer Speise zB Weizenmehl zugegeben wurde. Er muss sich aber auf die Deklarationen der zugekauften Halbfabrikate stützen und Verschleppungen vermeiden.

Echte und unechte Allergien

Eine echte Allergie entsteht, wenn unser Immunsystem auf kleine Mengen harmloser Stoffe überreagiert. Fast alle Allergene sind Proteine. Der Fehlalarm führt dazu, dass der Körper Antikörper bildet. Verzehrt eine sensibilisierte Person allergenhaltige Produkte, werden Botenstoffe wie Histamin freigesetzt, die Entzündungen hervorrufen. Die Symptome reichen von Juckreiz über Durchfall und Erbrechen bis zu Asthma. Im schlimmsten Fall können Allergiker einen tödlichen «anaphylaktischen Schock» erleiden, eine akute Herz-Kreislaufstörung.

Eine besondere Form der echten Allergie ist die Kreuzallergie, ein Beispiel: Birkenpollen-Allergiker vertragen oft auch keine Haselnüsse, weil beide Allergene vom selben Gen gebildet werden. Laut Stadler sind die meisten Allergene verarbeitungs- und verdauungsstabil. Einige werden beim Erhitzen oder Ansäuern schwächer. Früchte und Gemüse wirken oft nur im rohen Zustand.

Bei den unechten Allergien, auch Pseudoallergien oder Unverträglichkeit genannt, ist das Immunsystem nicht beteiligt, aber die Symptome sind ähnlich. Im Fall von verdächtigen Zusatzstoffen handelt es sich meistens um solche Unverträglichkeiten, aber nur 0.2% der Bevölkerung sind davon betroffen. Erwiesen sind Unverträglichkeiten gegen Farbstoffe wie Tartrazin, Konservierungsmittel wie Benzoesäure oder Sulfit. Bei vielen andern Zusatzstoffen sind die Ursachen der Unverträglichkeit umstritten wie zB beim Geschmacksverstärker Glutamat (MSG).

Mysteriöses Chinarestaurant-Syndrom

Dieser steht im Verdacht, bei empfindlichen Personen das Chinarestaurant-Syndrom auszulösen: Herzklopfen, Kopfweh, Übelkeit u.a. Es handelt sich um eine Unverträglichkeit. In den USA kämpft eine Organisation für «No MSG». Aber «Glutamat sei am Chinarestaurant-Syndrom unschuldig», sagen australische und englische Wissenschafter, welche eine Studie an 71 Testpersonen durchführten.

Sie stellten zwar bei einem Teil der Testpersonen nach Einnahme von Glutamat Symptome fest, doch eine gleich grosse Gruppe zeigte dieselben Reaktionen nach Einnahme von glutamatfreien Produkten gleichen Geschmacks. Die Wissenschafter vermuten nun, dass das Chinarestaurant-Syndrom durch andere Stoffe ausgelöst wird.

Die Behandlung ist bei echten wie Pseudo-Allergien dieselbe: die Betroffenen müssen die Allergene konsequent meiden und sich sehr gut über die Zusammensetzung der Produkte informieren. Hochsensible Allergiker müssen ein Notfallset mit Medikamenten (Anti-Histaminikum) und einer Adrenalin-Spritze griffbereit haben.



Zehnerliste der deklarationspflichtigen allergenen Zutaten

Glutenhaltiges Getreide
Meistens eine genetisch bedingte Unverträglichkeit (Zöliakie): das Kleberprotein Gluten (in Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel) zerstört die Dünndarm-Zotten. Die Beschwerden äussern sich als Blähungen, Durchfall, Erbrechen.

Milch
Hier gibt es zwei Arten: 1. Die echte Milchallergie: Milch anderer Wiederkäuer wird meist auch nicht vertragen. 2. Die Milchzucker-Unverträglichkeit: Verdauungsprobleme, weil ein Verdauungsenzym schlecht arbeitet. Sauermilchprodukte sind dagegen verträglich.

Eier
Echte Allergie, meist auf Proteine des Eiklars. Manche Patienten vertragen erhitze Eier. Extreme Allergiker können eine Kreuzallergie mit Hühner- und Trutenfleisch sowie Vogelfedern haben.

Fisch
Echte Allergie mit sehr aggressiven hitzestabilen Allergenen. Salzwasserfische sind häufiger allergen als Süsswasserfische. Mit Fischmehl gefütterte Hühner liefern Fleisch und Eier, die ebenfalls allergen wirken können.

Krebstiere (Krustentiere):
Umfasst Krebse, Langusten, Crevetten. Eine echte und gefährliche Allergie.

Soja
Eine echte Allergie. Sojaöl ist in der Regel nicht allergen.

Hartschalenobst
Umfasst alle Arten von Nüssen, Mandeln, Pistazien, Pinienkernen. Eine echte Allergie.

Erdnüsse
Eine echte und gefährliche Allergie mit hitzestabilen Allergenen. Selbst kleine Mengen reichen für eine Reaktion aus. Vollraffiniertes Erdnussöl ist laut Stadler nicht allergen.

Sesam
Eine echte und gefährliche, aber seltene Allergie. Vollraffiniertes Sesamöl kann noch wirken, wenn Proteinspuren vorhanden sind.

Sellerie.
Umfasst Knollen und Stangensellerie, auch das Kraut sowie Selleriesalz. Eine echte und oft eine Kreuz-Allergie gegen Pollen. Ob Kochen die hochallergene Kraft zerstört, hängt davon ab, gegen welchen Bestandteil die Allergie besteht.

Informationen:
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (Nutrinfo): Tel 031 385 00 08
Allergiestation des Zürcher Unispitals: Tel 044 255 44 31
Zöliakie-Vereinigung: Tel 061 271 62 17

Bericht im Juli 2002 in der «hotel+tourismus revue» erschienen. Autor: Guido Böhler
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