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10.2.2007 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Was nützen GFSI-Standards wirklich?

Erfüllen die GFSI-Standards das Versprechen, die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen? Eine Studie der Hochschule Wädenswil HSW überrascht mit ernüchternden Ergebnissen: Die Meinung über eine allfällige Verbesserung der Sicherheit divergieren stark zwischen Handel, Herstellbetrieben, Behörden und Auditoren. Die Betriebe sehen den grössten Nutzen beim Erfüllen von Kundenforderungen, in der Verbesserung des HACCP-Konzeptes und in verstärkter Mitarbeiter-Sensibilisierung.


Rückverfolgbarkeit ist eine Methode der Lebensmittel-Sicherheit. Rückverfolgbar sind beispielsweise Käselaibe dank der «eingewachsenen» Caseinmarke.

Lebensmittelskandale führten in den 90ern zu einem Vertrauensverlust in den Einzelhandel, der daraufhin Massnahmen seitens der Produzenten einforderte. Erschwerend kam ein Kostendruck hinzu, der die Margen des Lebensmittelhandels zu gefährden schien. Auf diese veränderte Situation reagierten die Geschäftsleitungen führender internationaler Handelsunternehmen im Mai 2000 mit dem Start der «Global Food Safety Initiative» (GFSI).

Ziel dieser vom CIES – The Food Business Forum – lancierten Initiative war es primär, die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen, den Verbraucherschutz zu gewährleisten, das Verbrauchervertrauen zu stärken und vergleichbare Anforderungen an Lebensmittelsicherheitsstandards zu definieren. Ein weiteres wichtiges Ziel war zudem die Senkung der Kosten innerhalb der gesamten Lebensmittelkette.

In der Folge wurden vier verschiedene Standards von der GFSI anerkannt. In der Schweiz werden in den Betrieben hauptsächlich die Standards BRC (Globaler Standard Lebensmittel) und der International Food Standard (IFS), oftmals in Kombination mit einer ISO 9001, verwendet. Weil die Konformitätsüberprüfung der Standards durch akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften erfolgt und nicht mehr ausschliesslich durch den Handel selber, konnte dieser Kosten senken.

Nicht als besser wahrgenommen

Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Februar 2006 eine Eurobarometer-Umfrage zum Thema «Wahrnehmung der Lebensmittelsicherheit durch den Verbraucher» veröffentlicht. Ziel dieser Umfrage war es, die Wahrnehmung der Verbraucher in Bezug auf Lebensmittelsicherheit, die Rolle der Behörde und die Risikowahrnehmung aufzunehmen. Die Erhebung wurde in 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchgeführt, wobei über 24000 Personen befragt wurden.

Auf die Frage, «Hat sich die Lebensmittelsicherheit in den letzten zehn Jahren verbessert, verschlechtert oder ist sie gleich geblieben?», antworteten 28% mit «verschlechtert», 29% mit «ist gleich geblieben» und 38% mit «hat sich verbessert». Knapp 60% der Konsumenten sehen die Lebensmittelsicherheit auf dem gleichen Stand wie vor zehn Jahren oder sogar auf tieferem Niveau. Die Sicherheitswahrnehmung scheint sich nach den grossen Lebensmittelskandalen nicht wesentlich verbessert zu haben. Die GFSI scheinen keinen Einfluss auf die Lebensmittelsicherheit zu haben.

Überraschende Ergebnisse der HSW-Umfrage

Auch ein HSW-Diplomand führte letztes Jahr eine Umfrage in der Schweiz durch. Von 19 Kantonschemikern beantworteten deren 11 die Fragebogen. Von fünf Handelsorganisationen beteiligten sich lediglich sieben Personen aus vier verschiedenen Firmen (Migros, Coop, Denner und Volg) an der Befragung. Ferner wurden 82 zertifizierte Produktionsbetriebe (IFS und/oder BRC) angefragt und von diesen 39 auswertbare Antworten erhalten. Sechs Zertifizierungsgesellschaften wurden angefragt. Antworten kamen von sechs (Lead-)Auditoren der Gesellschaften: ProCert, SQS und Swiss TS.

Die Frage nach der subjektiven Einschätzung des Standes der heutigen Lebensmittelsicherheit wurde von allen Handelsvertretern als «hoch» beurteilt (100%), während diese Einschätzung weder von den Kantonschemikern (54%) noch von den Auditoren (50%) geteilt wurde. Auch die Meinungen über eine Verbesserung der Lebensmittelsicherheit seit der Einführung der GFSI-Standards divergieren stark. Die Auditoren sehen mehrheitlich eine eindeutige Verbesserung. Beim Handel fällt diese Einschätzung geringer aus. Aus Sicht der Behörden konnte nur eine bedingte Verbesserung festgestellt werden. Sie teilen die euphorische Einschätzung der Auditoren und des Handels nicht.

Was motiviert eine Firma zur Zertifizierung nach Meinung der Auditoren?
Forderung des Handels: 100%
Marktvorteile: 67%
Bessere Lebensmittelsicherheit: 33%
Marketingnutzen: 33%
Weniger Audits: 17%
Einführung eines QM-Systems, Weniger Kosten und Doppelspurigkeiten: 0%

Die Frage, ob durch die Einführung der GFSI-Standards eine Stärkung des Verbrauchervertrauens erreicht wurde, konnten 100% der Kantonschemiker und auch mehrheitlich (57%) die Vertreter des Handels mit «Nein» beantworten. Aber der Grossteil der Produktionsbetriebe sieht den Nutzen einer Zertifizierung als gross (18%) oder sehr gross (62%) an.

Bei näherer Betrachtung resultierte für die Betriebe der grösste Nutzen in der Erfüllung von Kundenforderungen. Die Betriebe hielten somit nicht die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit selbst für einen Vorteil sondern den Umstand, dass sie nach einer Zertifizierung den Einzelhandel beliefern können. Immerhin, 87% der befragten Betriebe gaben an, dass mit einer Zertifizierung die Unternehmensleitung verstärkt für die Lebensmittelsicherheit sensibilisiert werden konnte.

Ein weiteres Ziel der GFSI war es, die Audits einzuschränken. Für die Handelsunternehmen konnte dieses Ziel erreicht und damit auch die angestrebte Kosteneffizienz gesteigert werden. Die Frage, ob seit der Einführung der GFSI-Standards eine Reduzierung der Kosten erzielt werden konnte, wurde vom Handel bejaht (71%).

Anders stellt sich die Situation für die Produktionsbetriebe dar. Keinen Rückgang der Audits konnten 74% der Betriebe feststellen. Trotz dem Bekenntnis der GFSI, «einmal zertifiziert überall akzeptiert», müssen von den Betrieben jeweils beide Standards parallel und unabhängig voneinander eingeführt werden. Synergieeffekte halten sich in Grenzen, da gemeinsame Audits von den Standardeignern nicht akzeptiert werden.

Abgesehen von der Erfüllung der Kundenforderungen sehen die Betriebe den grössten Nutzen in der Verbesserung des HACCP-Konzeptes und in der verstärkten Sensibilisierung der Mitarbeiter in Bezug auf Lebensmittelsicherheit. Der Rezertifizierungsdruck zwingt die Betriebe zur Aufrechterhaltung und Pflege der implementierten Systeme. Die Kontrollberichte stellen eine wichtige Hilfe für den ständigen Verbesserungsprozess in den Betrieben dar. Des Weiteren zeigt die Umfrage, dass die Bedeutung der ISO 9001 für die Produktionsbetriebe schwindet.

Thomas M. Lüthi, Dozent für Lebensmittelsicherheit und Qualitätsmanagement an der HSW: Die Lebensmittelsicherheit muss konkret und direkt verbessert werden - nicht wie anhin nur indirekt oder am Rand. Man muss risikoorientierter vorgehen und versuchen, die konkreten Gefahren zu minimieren. Man darf dies nicht nur via Konformitätsbestätigungen eines Standards erreichen wollen.

Aber mit der neuen, internationalen Lebensmittel- Sicherheits-Managementsystem-Norm ISO 22000:2005 wurde ein Schritt zur gewünschten Harmonisierung der Standards getan. Der Wunsch nach einem einheitlichen und weltweit akzeptierten Standard ist bei den Unternehmen gross. 61% der befragten Produktionsbetriebe könnten sich denn auch eine Zertifizierung nach dieser Norm vorstellen.

Der Handel zeigt sich jedoch weniger euphorisch. Lediglich 14% prophezeien, dass sich die ISO 22000 gegenüber den GFSI-Standards durchsetzen wird; 60% der Auditoren beurteilen die ISO 22000 als eine Verbesserung im Vergleich zu den GFSIStandards. 83% der Auditoren gehen davon aus, dass in Zukunft diese ISONorm parallel zu den GFSI-Standards verwendet wird, allerdings geht keiner der Befragten davon aus, dass die ISO 22000 die GFSI-Standards in Zukunft vollständig ablösen wird. Auf die Frage, welcher Standard sich in Zukunft durchsetzen wird, ergaben sich von den Produktionsbetrieben die folgenden Antworten: ISO 22000 (36%), IFS (27%), BRC (18%).

Fazit und Ausblick

Es braucht mehr Untersuchungen zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Standards, um abschliessende Schlussfolgerungen zur Effizienz und Wirksamkeit der GFSI-Standards ziehen zu können. Es braucht vermehrte Anstrengungen, die Lebensmittelsicherheit explizit und nicht nur implizit zu erhöhen!

Für die unmittelbare Zukunft zeichnet sich kein Ausweg aus der Vielzahl der Lebensmittelstandards ab, da die GFSI die Norm ISO 22000 nicht anerkannt hat. Eine Anerkennung durch die GFSI scheint denn auch wenig wahrscheinlich, da gewisse Anforderungen des «Guidance Document» von der ISO 22000 nicht erfüllt werden. Die streng auf Lebensmittelproduktion beschränkten GFSIStandards bieten nicht die richtigen Lösungsansätze, um eine Lebensmittelsicherheit nach dem Motto «Vom Stall bis auf den Teller» zu erfüllen.

Unnötige Mehrfachzertifizierungen führen zu Unmut bei den Betrieben und erhöhen zudem die Lebensmittelsicherheit nicht explizit. Mit Einführung der ISO 22000 könnte erstmalig die gesamte Lebensmittelkette eine einzige Norm verwenden. Damit käme man dem ursprünglichen Ziel der GFSI («einmal zertifiziert – überall akzeptiert») beträchtlich näher.

Es ist allerdings der Markt, der entscheiden wird, welche Normen oder Standards sich durchsetzen werden. Unabhängig von der Wahl des Standards ist aber die Lebensmittelsicherheit soweit zu verbessern, dass sowohl subjektiv durch die Konsumentenschaft wie auch objektiv durch geeignete Messsysteme eine Verbesserung der Lebensmittelsicherheit nachhaltig erzielt werden kann.

Text: Auszug aus einem Bericht in der LT. Autoren: Peter Schuster, Thomas M. Lüthi, Hochschule Wädenswil HSW (Institut IQFS). Der vollständige Bericht ist erschienen in der Lebensmittel-Technologie LT No 12-2006. www.lt-magazin.ch
Bilder: foodaktuell


Weiterlesen: Erfahrungen mit BRC-Zertifizierung

Suchbegriffe für diesen Bericht: HSW-Tagung, Zertifizierung, Lebensmittelsicherheit
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