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2.8.2008 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Trend zu Automatisierung

In der Schweizer Fleischbranche geschehen nur wenige Prozesse vom Schlachten bis zum Wursten vollautomatisch. Kontinuierliche Linien kommen seltener vor im Vergleich mit andern Branchen wie der Backwarenindustrie. Aber für einzelne Prozessschritte werden immer mehr programmierbare Maschinen angeboten. Welche Chancen und Risiken bietet die Automatik?




Vollautomatische Schneidmaschinen sind programmierbar für Scheibenanzahl, Fächerabstand, Portionenanzahl, Schnittstärke und einiges mehr.


Die Lebensmittelindustrie ist im Gegensatz zum Handwerk gekennzeichnet durch kontinuierliche Prozesse mit einem hohen Automatisierungsgrad. In der fleischverarbeitenden Industrie, nach der Milchbranche die grösste der Schweiz, herrschen jedoch manuelle Arbeiten vor. Ein Grund: Die grössten Schweizer Fleischverarbeiter, Bell und Micarna, sind im Vergleich zum Ausland nur mittelgross. Grosse Fleischverarbeiter mit hohem Exportanteil in Deutschland und Dänemark dagegen besitzen bessere Voraussetzungen für eine starke Automatisierung.

Während sich in der Käse- und Backwarenbranche die handwerklichen Betriebe qualitativ stark von den industriellen abgrenzen, trifft dies in der Fleischbranche nicht zu und zeigt sich auch in der vor zwei Jahren erfolgten Fusion der Verbände der gewerblichen und industriellen Fleischverarbeitern. Das Ausbildungszentrum für die Schweizer Fleischwirtschaft ABZ Spiez lässt auch industrielle Produkte an ihrer Qualitätsprämierung zu im Gegensatz zur «Swiss Bakery Trophy» vom gewerblichen Bäckermeisterverband SBKV. Und die industriellen Metzgereien erlangen regelmässig zahlreiche Medaillen. Im 2006 befand sich rund ein Drittel Grossmetzgereien unter den Betrieben mit mehr als sechs Goldmedaillen.


Allerdings arbeiten auch die grössten Schweizer Metzgereien nur zum kleinen Teil mit kontinuierlichen und vollautomatischen Methoden, und Roboter kommen allenfalls vereinzelt vor beim Palettieren oder Schlachten. Auch Bündnerfleisch-Hersteller, die bisher einzigen mit nennenswertem Export, automatisieren nur Teilschritte wie etwa das Einsalzen und Umschichten. Vollautomatische Schlachtlinien wie im fleischexportierenden Dänemark sind hierzulande nicht rentabel angesichts der relativ kleinen Betriebe.

Schlachtroboter können bis 600 Schweine pro Stunde schlachten und grob zerlegen. Sie vermessen mit Laser die gesamte Körperoberfläche am Hängeband nach der Bürstenstation. Der Prozessor ermittelt die Schnittpfade und steuert das Messer. Für alle Arten von Arbeiten vom Kneifen der Vorderzehen bis zum Öffnen von Bauchdecke und Brustbein gibt es spezialisierte Roboter.

Der Schlachthof von Danish Crown in Horsens schlachtet rund 70'000 Schweine pro Woche. Der grösste Schweizer Schweineschlachthof dagegen, Bell in Basel, erreicht «nur» 12'500 Stück, knapp gefolgt von SBAG in St.Gallen mit 10’000. Mengenmässig erzeugt Bell in Basel rund 1'000 Tonnen Schlachtprodukte pro Woche.

Ziel: saubere Trennung

Stefan Schlüchter, Fleischkonsulent der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP macht die Erfahrung, dass «Automaten nicht ganz dieselbe Präzision erreichen wie Fleischfachleute von Hand (früher Metzger genannt) dafür eine bessere Uniformität (Qualitätskonstanz)». Aber beim Handwerk hängt die Qualität immer vom Individuum ab, seiner Tagesform und dem Zeitdruck. Die Fleischbranche ist die einzige, die Handarbeits-Tempowettkämpfe durchführt wie Meistenschaften im Ausbeinen (Bild). Dabei geht es gleichzeitig um Geschwindigkeit und Genauigkeit, aber nicht um Kreativität (Kreativ-Wettkämpfe gibt es in der Fleischbranche natürlich auch).


Als Besonderheit der Fleischbranche kommt ebenfalls wegen fehlender Automatisierung beim Ausbeinen die Bezahlung im Akkord vor (pro Stück). Der motivierte Handwerker kann nebst dem Tempo zwei Ziele gleichzeitig erreichen: gute Fleischqualität und wenig Verluste. Das Ausbeinen ist ein schwieriger Trennprozess, da Muskeln und Knochen stark miteinander verbunden sind. Das Resultat soll eine saubere Trennung sein ohne Restfleisch am Knochen oder Zerfleddern der Fleischstücke. «Roboter putzen zwar den Knochen sauber», stellt Schlüchter fest, «aber sie machen mehr unnötige Schnitte im Fleisch als der Mensch».

In der Tat erreicht der Facharbeiter eine bessere Trennschärfe bei gleichzeitiger Schonung der Fleischstücke. Umgekehrt muss man beim Robotereinsatz mehr Fleischresten am Knochen akzeptieren, um das Fleisch zu schonen. Bei den tiefen Rohmaterialpreisen im Ausland fallen diese Verluste weniger ins Gewicht als in der Schweiz. Patrick Wilhem, Chef Division Marketing MICARNA SA folgert daher: «Bei unserem teuren Rohmaterial lohnt sich qualifizierte Handarbeit». Dies obwohl auch die Personalkosten hierzulande hoch sind.

Bei anderen Prozessen kommt in der Schweiz durchaus Robotik zum Einsatz, vor allem bei der Palettierung. In den kürzlich modernisierten Schlachthöfen der Schlachtbetrieb St. Gallen AG wurden auch Verarbeitungsschritte modernisiert und in ihrem Schweineschlachtbetrieb in Bazenheid sind sechs Roboter im Einsatz: Aufschlossautomat, Bauch-/Brustöffnungsautomat, Afterbohrer, Spaltautomat, Flomenziehautomat und Stempelautomat.



Eine Erfindung von René Senn, Geschäftsleiter der Firma Neumeyer: Der Rollautomat Roll-it, geeignet für gerollte Scheiben oder zum Umwickeln von stangenförmigen Produkten.


Den grössten Automatisierungsgrad mit kontinuierlichen Linien besitzen Geflügelschlachthöfe. Die Kapazitäten pro Stück sind auch in der Schweiz beeindruckend: Micarna schlachtete im Jahr 2007 in Courtepin 370'000 Geflügel pro Woche, Bell erreichte 450`000 Stück (beide im Einschichtbetrieb). «Die Qualität ist besser und konstanter im Vergleich zu Handarbeit», sagt Bell-Sprecher Davide Elia. «Manuell könnte man die heutige Leistung nie erbringen».

Kompromiss zugunsten der Qualität

Ein Betrieb mit optimierter Teilautomatisierung ist der vor acht Jahren neu erbaute Poulet-Schlachthof der «Ernst Kneuss Geflügel» in Mägenwil. Die kontinuierliche Schlachtanlage reicht vom lebenden Huhn bis zum Zerlegen und ist gemäss den modernen Hygieneanforderungen in eine schwarze (unreine) und eine weisse (reine) Zone unterteilt. An der Zonengrenze werden in einem separaten Raum die Innereien entfernt.

«Die Anlage arbeitet dank guter Unterhaltsplanung fast störungsfrei», sagt CEO Daniel Kneuss. «Aber es gibt Zielkonflikte zwischen Automatisierungsgrad, Geschwindigkeit und Qualität. Beispiele: zu schnelles Rupfen fördert Hautverletzungen und in der Folge Flecken auf der Haut. Und bei zuviel mechanischem Druck büsst das Poulet Formstabilität ein und läuft in die Breite». Daher werden kritische Schritte manuell ausgeführt wie etwa «Ernten» der Leber, Dressieren der Schenkel und Abziehen der Haut. Die Maschine löst den Knochen nur an.

Eine Voraussetzung für das automatische Schlachten ist die Kaliberkonstanz der Tiere: Grosse Schwankungen innerhalb einer Partie wirken sich negativ aus, da die Schneidpfade nicht individuell pro Tier geregelt sind. Die Anlage wird für eine Partie optimal eingestellt, und bei zu grossen oder zu kleinen Tieren entstehen Abweichungen.



Von Tipper Tie Alpina: automatische Aufhängelinie für Würste auf Rauchstöcke. Die Bandschlaufen werden vom SwiStick direkt vom Bandschlaufenzubringer des Clippers übernommen.


Je näher ein Verarbeitungsschritt am Endprodukt liegt, desto weniger aufwändig und daher rentabler wird die Automatisierung auch für KMU. Der Grund ist die höhere Standardisierung der Zwischenprodukte. Der Schlachtkörper besteht aus vielen verwachsenen Teilen unterschiedlicher Eigenschaften. Aber nach dem Tranchieren der unregelmässigen Fleischstücke oder Abfüllen eines Bräts in Wursthüllen haben Zwischenprodukte relativ konstante Kaliber und Formen. Auch einfache Automaten mit wenigen Regelkreisen können in der Folge weitere Bearbeitungen vornehmen. Und auch prozessorgesteuerte programmierbare kommen dann für KMU in Frage, so etwa Entfettungs- oder Abschwart-Automaten.

Trend zu automatisierten Produktionslinien

Am stärksten automatisiert sind produktnahe Prozesse wie das Verpacken, so etwa bei Micarna in Bazenheid und Courtepin sowie bei Bell in Basel. Kontinuierliche Prozesse kommen vor allem beim Transport der schweren Tierhälften bzw -viertel vor (hängend auf Geleisen). Die technologische Bearbeitung vom Ausbeinen bis zur Wurstbrätherstellung geschieht jedoch auch in Grossbetrieben selten kontinuierlich oder vollautomatisch.

«Neunzig Prozent der Bearbeitung ist in der hiesigen Industrie Handarbeit», sagt Walter Suhner, Inhaber der Metzgereitechnikfirma Suhner in Bremgarten. «Auch Rauch- und Kochanlagen arbeiten im Chargenverfahren mit Hordenwagen». Ebenso Tumbler sind Chargenmaschinen. Durchlaufmaschinen kommen zwar vor für einzelne Bearbeitungsschritte wie etwa Injektoren für Pökellake, sie sind jedoch nicht mit automtischen Übergabestationen zu einer ganzen Linie verknüpft. Einzelmaschinen werden durchaus bis zur computergestützten Programmierbarkeit automatisiert, seien es Kutter, Kochanlagen oder Wurstfüller.

«Der Trend geht auch in der Schweiz zu automatisierten Linien», stellt Suhner fest. Automatisierte Hightech-Maschinen waren an der Metzgereifachmesse Mefa im letzten November zu sehen. Beispiele: der kontinulierliche Tenderiser von Suhner oder die automatische Wurst-Aufhängelinie von Tipper Tie Alpina.

Weiterlesen: Trend: Robotik und Automatisierung
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