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Beiträge im Archiv

31.1.2009 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Aus der Forschung: Fleischqualität und Zucht



Highlights der internationalen Fleischforschung: Aspekte der Muskelbiochemie, Fleischqualität und Genetik / Zucht. (aus: 54th International Congress of Meat Science and Technology ICoMST)



Bericht von Ruedi Hadorn, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP. Basierend auf der 54th International Congress of Meat Science and Technology (ICoMST)



Muskelbiochemie und Fleischqualität

Zwecks Vermeidung von Kälteverkürzung (Cold shortening) bzw. Verbesserung der Zartheit des Fleisches werden in vielen Ländern die Schlachtkörper von Rindern und Schafen kurz nach dem Ausbluten elektrostimuliert. Cold shortening tritt v.a. dann auf, wenn die Temperatur vor Eintreten der Totenstarre unter 10°C fällt und der pH weiterhin über einem Wert von 6.0 liegt. Mittels Elektrostimulation werden die nach dem Stechen noch vorhandenen Energiereserven (Glykogen, ATP) innert kürzester Zeit abgebaut, was zu einem schnellen pH-Abfall und einem Aufreissen der Myofibrillen führt.

In einem neuseeländischen Referat (N.C. Simmons) wurde darauf hingewiesen, dass eine zu starke Elektrostimulation eine massiv schlechtere Fleischqualität (v.a. Zartheit, Safthaltevermögen) zur Folge haben kann. Es wurden und werden daher Studien unternommen, um die Elektrostimulation in Richtung einer guten Fleischqualität zu optimieren, wobei das Wechselspiel zwischen Stromstärke und -frequenz von entscheidender Bedeutung ist. Je nach Einstellung gilt es, verschiedene Faktoren wie den Zeitraum nach der Schlachtung, Kontaktstelle (Haut oder direkt auf Schlachtkörper, da Nervensystem für die Übertragung des Stromes z.T. noch nötig), Arbeitssicherheit, Aufwand für Installationen, etc. zu berücksichtigen. Dazu sollen in naher Zukunft Modelle entwickelt werden, die die Auswirkungen von unterschiedlichen Einstellungen bei der Elektrostimulation auf den Schlachtkörper bzw. die Fleischqualität möglichst genau voraussagen können.

Gemäss einer norwegischen Studie (Hollung et al.) lassen sich nach einer postmortalen Elektrostimulation von Rinderschlachtkörpern spezifische Stress-Eiweisse im Nierstück nachweisen. Dieselbe Forschergruppe (Hollung et al.) präsentierte in einer weiteren Untersuchung die Auswirkung der Rasse (Norwegische Landrasse, Duroc, Hampshire) und des Schlachtalters (6, 9, 12 Monate) von Schweinen auf die Zusammensetzung der Muskeleiweisse. Die sehr umfangreichen Analysen über den Proteomics-Ansatz zeigten in der löslichen Proteinphase, dass von den 1’125 identifizierten Stellen in Anhängigkeit des Alters 51 und in Abhängigkeit der Rasse 91 Proteine verändert waren. Diese wurden als Struktur-, stoffwechselrelevante, Stress- / Abwehr- sowie übrige Proteine identifiziert. Die Autoren schlossen daraus, dass sich über diese Methodik physiologische Veränderungen bis hinunter auf die molekulare Basis zurückverfolgen lassen.

In einem irischen Poster wurde gezeigt, dass das Aufhängen von Rinderschlachthälften am Schlossknochen im Vergleich zum Aufhängen an der Achillessehne über die vermehrte Aktivierung von Calcium-Ionen zu einem stärkeren Eiweissabbau und damit zu einer besseren Zartheit führen kann. Die genaue Identifizierung der Eiweisse, die je nach Aufhängemethode unterschiedlich ausgefallen sind, ist noch am Laufen. Eine amerikanische Referentin (E. Huff-Lonergan) widmete sich den Einflüssen der Muskelstruktur auf die Zartheit von Fleisch. Diese wird einerseits durch die Struktur der Muskelproteine (Myofibrillen, Bindegewebe) und andererseits durch zellinterne, eiweissabbauende Enzyme (Calpaine, Kathepsine, Proteaosomen) beeinflusst.

Das Reifungspotenzial ist v.a. vom Abbau von wichtigen strukturgebenden Proteinen in den Myofibrillen wie Desmin und Filamin (an der Basis der Z-Linie) wie auch Titin, Nebulin und Troponin-T (in I-Bande) abhängig, wobei der Reifungsprozess bereits nach 6 Stunden post mortem beginnt. Die Reifung des Fleisches wird durch die Oxidation von Eiweissen, die z.B. durch eine sauerstoffreiche Schutzgasverpackung gefördert wird, negativ beeinflusst, was sich schlussendlich nachteilig auf die Zartheit auswirkt.

Ein französischer Referent (J. Lepetit) befasste sich mit der Struktur des Bindegewebes und dessen Einfluss auf die Zartheit. Obwohl bekannt ist, dass mit zunehmendem Durchmesser der Muskelfasern bzw. der Muskelfaserbündel die Zartheit abnimmt, besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem Muskelfaserdurchmesser und dem Gehalt an Kollagen. Dagegen ist die Beziehung zwischen Bindegewebegehalt und der Zartheit hoch in Frischfleisch, nicht aber in gekochtem Fleisch. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass sich das Bindegewebe beim Erhitzen über 60°C vermehrt zusammenzieht, was zu einer Erhöhung der Anzahl Berührungspunkte und damit zu einer Ausbildung eines zufällig ausgebildeten Netzwerkes führt, in welchem sich jeweils 3 bzw. 4 Kollagenketten am selben Punkt treffen können. Die Folge davon ist, dass das Bindegewebe in diesem Temperaturbereich gummiartig und hart (!) wird. Das temperaturbedingte Zusammenziehen des Bindegewebes ist aber nur dann möglich, wenn nicht schon die Myofibrillen selber kontrahiert sind (Sarkomerlänge: ~ 1 µm).

In einer dänischen Arbeit im selben Themenbereich (Brüggemann et al.) wurde mittels bildgebender Verfahren nachgewiesen, dass das Bindegewebe (Endomysium und Perimysium) nebst verschiedenen Blutbahnen auch von einem weit verzweigtem, lymphatischen System durchzogen wird.

In einer kanadischen Studie (P.P. Purslow) wurde untersucht, weshalb die in der Praxis vorhandenen Schwankungen in der Qualität von Schweinefleisch (Nierstück, Schinken) bezüglich pH-Wert, Temperatur, Tropfsaftverlust (2.2 bis 16.4%), Farbe, etc. auftreten. Als wichtigste Ursache für die Schwankungen wurden die Schlachtcharge (beinhaltet Betrieb, Datum, etc.) sowie das Temperament der Tiere identifiziert. Aber auch der End-pH-Wert wie auch die Temperatur erwiesen sich als bedeutende Einflussfaktoren.

Über Fütterungsmassnahmen (z.B. Zugabe von Tryptophan, kohlenhydratreiche Futter) liessen sich die genannten Schwankungen in der Fleischqualität kaum einschränken. Mit Massnahmen im Bereich des Verhaltens (z.B. Eberkontakt während 2 Minuten pro Tag, täglich 1 Minute aus der Bucht bewegen) konnten die Tropfsaftverluste hingegen um 1 bis 1.5% reduziert werden. Obwohl die Untersuchungen noch im Gange sind, werden derzeit v.a. genetische Faktoren im Bereich des Temperaments als bedeutende Ursache für das Auftreten der grossen Qualitätsschwankungen vermutet.

Ein holländischer Beitrag (Kapper et al.) konzentrierte sich auf das Wasserhaltevermögen (WHV) von Schweinefleisch. Es wurde aufgezeigt, dass zwischen pH und Tropfsaftverlust eine Korrelation von > 0.5 besteht; dies, obwohl der pH durch den Abbau von Glykogen bedingt und das WHV von der Qualität der Muskeleiweisse abhängig ist. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen wurde geschlossen, dass für die Voraussage des WHV’s andere Methoden wie die Infrarotanalytik (NIR) zum Tragen kommen sollten. In einer dänischen Studie (Jørgensen et al.) wurde, basierend auf Erfahrungen mit Rindfleisch, gezeigt, dass sich mit einer Kiwi-Marinade (Kiwi enthält die Protease Actindin) und einer Ultraschallbehandlung die Zartheit von Schweine-Eckstücken (z.T. auch das Wasserhaltevermögen) verbessern lässt.

In Schweinemuskeln können pH-Veränderungen durch puffernde Substanzen, z.B. Dipeptide wie Anserin und Carnosin, natürlicherweise verlangsamt werden. Eine kanadische Forschergruppe interessierte sich daher, ob sich zwischen normalem Fleisch (RFN) und Fleisch mit Fleischfehlern wie PSE, RSE (rötlich, weich, wässerig) und PFN (hell, fest, nicht-wässerig) unterschiedliche Gehalte an den beiden genannten Dipeptiden überhaupt nachweisen lassen. Es zeigte sich, dass Unterschiede zwischen den verschiedenen Fleischtypen auftreten, diese aber je nach Ort der Klassifizierung der Fleischfehler (Schlachthof vs. Labor) unterschiedlich ausfallen.

Aus Norwegen stammte eine weitere Arbeit (Sterten et al.), die den Einfluss des Fütterungsregimes und der Nüchterungsdauer auf die Schweinefleischqualität (im Nierstück) thematisierte. Dabei wurden mit zunehmender Nüchterungsdauer (4 h, 17.5 h, 17.5 h plus Nacht, 26.5 h plus Nacht) ein höherer pH45, weniger Tropfsaftverlust und eine leicht bessere Zartheit ermittelt, während die Saftigkeit unbeeinflusst blieb. In Abhängigkeit des Geschlechtes traten Effekte bezüglich Tropfsaftverlust (weibliche Tiere > Kastraten) bzw. in Abhängigkeit von Fütterungsregime und Geschlecht auch bezüglich Zartheit und Saftigkeit auf.

Nachdem in früheren Jahren schon von einer muskelspezifischen Charakterisierung einzelner Teilstücke (oft als Muskel-Profiling bezeichnet) von Schwein und Rind berichtet wurde, widmete sich ein weiterer Beitrag aus Norwegen (Hildrum et al.) der sensorischen Charakterisierung von verschiedenen Rindermuskeln in Bezug auf Textur, Farbe und Geschmack. Dabei wurden grosse individuelle Unterschiede zwischen Schlachtkörpern, einzelnen Muskeln sowie in einzelnen Bereichen innerhalb der jeweiligen Muskeln aufgezeigt. Es wurde festgestellt, dass die Muskeln des Vorderviertels im Vergleich zu denjenigen des Hinterviertels anhand der sensorischen Analyse vielfach unterschätzt werden.

In verschiedenen Forschungsinstituten auf der ganzen Welt werden derzeit diverse biophysikalische Methoden zur Bestimmung der Muskelstruktur an intakten Proben entwickelt. In einem französischen Übersichtsreferat (S. Clerjon) wurden die derzeit bekannten Methoden eingehend beleuchtet:

1. mechanische Methoden: z.B. Warner-Bratzler-Scherkraft (stark von Faserrichtung abhängig)

2. Ultraschall: für Bestimmung Fleisch- / Fettmenge

3. spektroskopische Verfahren: Infrarot (NIR, MIR  misst Bindungsbewegungen innerhalb eines Moleküls), NMR (misst Bewegung der mittels Magnet angeregten Protonen), Raman-Spektroskopie (Messung mittels Laser, keine Interferenz mit Wasser, misst durch Verpackung hindurch, in Deutschland bereits Handgerät in Entwicklung), Fluoreszenz-Spektroskopie (misst Differenz zwischen absorbiertem und emittiertem Licht), Kolorimetrie (misst sichtbares Licht, L*a*b*)

4. dielektrische Verfahren: Impedanz (misst Fähigkeit, Widerstand gegen Strom aufzubauen), Mikrowellen)

Mehrere Posterbeiträge zeigten die praktische Anwendung von biophysikalischen Methoden zur Erfassung bestimmter Parameter konkret auf, wobei im Folgenden einige Beispiele thematisch aufgeführt sind (entsprechende Methoden in Klammern): Struktur von Bindegewebe bzw. Muskelfasern (Fluoreszenz-Polarimetrie), Magerfleischanteil (Computer-Tomographie), Kontrolle Fleischqualität (Raman-Spektroskopie), Fleisch- und Fettparameter (Ultraschall), Frische von Schweinsnierstücken (NIR), Scherkraft und Tropfsaftverlust (NMR).

Zudem wurde in einer britischen Studie (Richardson et al.) im Zusammenhang mit dem Auftreten von Ebergeruch gezeigt, dass rassebedingt 14% (Duroc) bzw. 2.8% (Edelschwein) der Tiere im Rückenspeck die Grenzwerte von 0.2 bzw. 1.0 μg/g für Skatol bzw. Androstenon überschreiten. Eine Variation des Proteingehaltes im Futter zwischen 40 und 120 kg Lebendgewicht hatte hingegen keine Unterschiede betreffend des Auftretens von Ebergeruch zur Folge. Ein Posterbeitrag aus Belgien (Aluwé et al.) verglich das Fleisch von verschiedenen Rassen (Piétrain, Edelschwein, stressresistente Landschweine) in Abhängigkeit des Endgewichtes (50, 70, 90, 110 kg LG) mit unterschiedlichen Methoden (Bügeleisen auf Nackenfett, Konsumententest, sensorisches Panel, Fettanalyse im Labor).

Es wurde gezeigt, dass das Vorkommen von Ebergeruch im Piétrain-Fleisch im Vergleich zu den Edelschweinen weniger relevant war und mit zunehmendem Schlachtgewicht erwartungsgemäss anstieg. In einem norwegischen Konsumententest mit 89 Personen (Lunde et al.) ergab sich, dass die Beliebtheit von aus Eberfleisch hergestelltem Kochschinken (warm, 60°C: in Sandwich mit Schmelzkäse vs. kalt, 5°C: auf Brot) bei Androstenon-sensitiven Personen (39 Personen) erst bei der höchsten Androstenon-Konzentration von 9.15 μg/g abnimmt (Testbereich: 0.55 - 9.15 μg/g).

Genetik / Zucht

Ein amerikanischer Referent (M.F. Allen) zeigte die Entwicklung der Erforschung des Rindergenoms (Genom = Gesamtheit der Gene) auf. Durch die Identifikation von Sequenzen der Erbsubstanz wird es möglich, wichtige Leistungsparameter züchterisch zu beeinflussen. Anscheinend wurde vor kurzem ein Chip entwickelt, der rund 30'000 Genorte (SNP) auf verschiedenen Chromosomen gleichzeitig zu identifizieren vermag. Inwieweit dieser in Zukunft die aktuellen Leistungsprüfungen zumindest teilweise ersetzen kann, bleibt (noch) offen. Der Referent wies auch auf die Bedeutung der alten Rassen hin, deren Genom zur Variation beiträgt, die für die Zucht (Selektion) zwingend notwendig ist.

Auch bei Schweinen ist die sog. Genkartierung bekannt (A. Archibald); es bestehen international bereits entsprechende Datenbanken (www.animalgenome.org). Vielfach kommen Leistungsmerkmale nicht durch einzelne, sondern durch die Kombination mehrerer Gene bzw. deren unterschiedlichen Typen zustande. Als Beispiele wurden Genorte genannt, die für die Ausprägung des Fettsäuremusters, des Magerfleischanteiles (über drei Chromosomen verteilt), der Zartheit (über viele Chromosomen verteilt, auch abhängig von Kochtemperatur) bzw. des Ebergeruches (auf Chromosom 14) von Bedeutung sind. Voraussetzung für deren Anwendung in der Zucht ist aber, dass die entsprechenden Qualitätsparameter korrekt ermittelt werden.

In einer belgischen Studie (Colman et al.) wurde untersucht, wie hoch die Vererbbarkeit von Fettsäuren und Fettenzymen ist. Diese lagen je nach Fettsäure bzw. Enzym meist im Bereich von 30 bis 50%, was auch aus züchterischer Sicht von Interesse sein dürfte.

Text: Ruedi Hadorn, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP

Weiterlesen: Aus der Forschung: Schlachtung und Sicherheit
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