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11.4.2009 - Rubrik: Gastronomie
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Rotes Fleisch: Kritik und Kommentar

Wissenschafter des amerikanischen National Cancer Institute behaupten, dass viel rotes und verarbeitetes Fleisch die Gesundheit schädigt. Fleischliebhaber erhöhten ihr Sterberisiko. Mehr weisses Fleisch stand im Gegensatz dazu mit einem leicht verringerten Sterberisiko im Zusammenhang. «foodaktuell» hat den Fleischwissenschafter Prof. Dr. Karl-Otto Honikel um einen Kommentar zu dieser Studie gebeten und kommt dadurch zum Schluss, dass sowohl die Daten wie auch die Auswertung der amerikanischen Studie unseriös sind. Ausserdem wäre sie nicht auf die Schweiz übertragbar, da hierzulande ganz andere Verzehrsgewohnheiten herrschen.



Kürzlich ist folgende Nachricht von einem Pressedienst verbreitet worden: Zuviel rotes Fleisch verringert die Lebenserwartung

Wissenschafter des National Cancer Institute (www.cancer.gov) haben neue Beweise dafür gefunden, dass Essen von viel rotem und verarbeitetem Fleisch die Gesundheit schädigt. Fleischliebhaber erhöhten ihr Sterberisiko bei allen Todesarten innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren. Mehr weisses Fleisch stand im Gegensatz dazu mit einem leicht verringerten Sterberisiko im Zusammenhang. Die in den Archives of Internal Medicine (http://archinte.ama-assn.org) veröffentlichte Studie wertete die Daten von mehr als 500.000 Menschen aus.

Die Forscher wiesen nach, dass jene, deren Ernährung die grösste Menge an rotem oder verarbeitetem Fleisch enthielt, allgemein über ein erhöhtes Sterberisiko verfügten. Vor allem wiesen diese ein deutlich erhöhtes Risiko in den Bereichen Krebs und Herzerkrankungen im Vergleich zu denen auf, die am wenigsten davon assen. Die grössten Fleischesser nahmen täglich rund 160g Fleisch zu sich, die Sparsamsten nur 25g. Jene, die am meisten weisses Fleisch assen, hatten allgemein ein niedrigeres Sterberisiko und auch ein geringeres Risiko bei Krebs- und Herzerkrankungen.

Berechnungen ergaben, dass 11 Prozent der Todesfälle bei Männern und 16 Prozent der Todesfälle bei Frauen durch eine entsprechende Umstellung der Ernährung verhindert werden könnten. Die Krebs-verursachenden Substanzen entstehen bei der Verarbeitung von Fleisch bei hohen Temperaturen. Fleisch gehört zu den Hauptquellen gesättigter Fette, die ihrerseits mit Brustkrebs und kolorektalen Krebserkrankungen in Zusammenhang gebracht werden.

Weniger Fleischkonsum steht im Gegensatz dazu mit einer Verringerung der Risikofaktoren bei Herzerkrankungen, niedrigerem Blutdruck und niedrigeren Cholesterinwerte in Verbindung. In der gleichen Ausgabe von Archives of Internal Medicine argumentiert Barry Popkin von der University of North Carolina (www.unc.edu), dass das Essen von rotem Fleisch auch gesundheitliche Vorteile bringt. (Quelle: pte)

Kommentar von Prof. Dr. Karl-Otto Honikel

Sehr geehrte Leser
Wenn ich Sie fragen würde, wie viel Fleisch, von welcher Tierart, mit welchem Fettgehalt und mit welchen Beilagen Sie im Mai 2008 gegessen haben, würden Sie entweder sagen, «das weiss ich nicht mehr» oder wenn ich insistiere, würden Sie versuchen, mir irgendwelche nach Ihrer Meinung richtigen Mengen und Produkte zu nennen. Sie würden aber ablehnen, mir dies als sichere Aussage zu bestätigen. Solche Fragen wurden aber in einer Studie gestellt und ausgewertet, über die in einer TV-Nachrichtensendung am 25.3.2009 berichtet wurde und die kurz zuvor erschienen war.


Diese Studie mit dem Titel «Fleischverzehr und Sterblichkeit,- eine zukunftsweisende Studie mit über einer halben Million Menschen» stammt aus dem National Institute of Health, Rockville, Maryland, USA (Originalquelle: siehe Fussnote). Sie wurde in einem Interview mit einer Dame vorgestellt, die der Welt mitteilte, dass der Verzehr von rotem Fleisch (vor allem Rind und Schwein sind gemeint) und Fleischerzeugnissen gegenüber weissem Fleisch (Geflügel und Fisch) zu einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko an Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs führe. Weisses Fleisch und Fisch reduziere hingegen das Risiko. Die interviewte Dame, vermutlich eine Mitautorin des Artikels, machte dabei Äusserungen, die nicht unwidersprochen bleiben können.

500.000 Amerikaner über 50 Jahre alt von unterschiedlicher Rassenherkunft, mit variierendem Körpergewicht (Body-Mass Index), in unterschiedlichen Lebensgemeinschaften, mit unterschiedlicher Bildung und Familienerkrankungen an Krebs wurden 10 Jahre ihres Lebens medizinisch begleitet und ihr Tod und dessen Ursachen festgehalten.

Parallel dazu wurden die Überlebenden zweimal, d.h. im Abstand von 5 Jahren nach ihrem Lebensmittelverzehr, Vitaminzusatzversorgung, Rauchgewohnheiten, Alkoholaufnahme und körperlichen Aktivitäten im Nachhinein über die letzten 12 Monate wie eingangs angesprochen, in einem 35-seitigen Fragebogen befragt. Die Mutmassungen über alle Lebensmittel wurden auch noch auf ihren Energiegehalt, Fettgehalt und den Anteil gesättigter Fettsäuren ausgewertet.

Diese bei langwierigen Studien nicht unübliche Methode, ist, wie Sie mir zugeben werden, zwangsläufig mit Fehlern behaftet, die auch bei 500’000 Menschen nicht kleiner werden. Die Fehler werden aber nicht nur durch die fraglichen Angaben der Verzehrsmengen bestimmter Lebensmittel, sondern zusätzlich noch durch die anschliessende Auswertung von Energie und Inhaltsstoffen genannter Lebensmittel (z. B. war das panierte Schweineschnitzel fettreich oder mager?) noch ungenauer.

Unsichere Daten einseitig ausgewertet

Trotzdem wurden diese zurückblickenden Aussagen oder besser Abschätzungen und Mutmassungen des Lebensmittelverzehrs ausgewertet und daraus weitreichende Schlussfolgerungen über den Fleischverzehr und die Todesursachen gezogen. Diese Daten werden vor allem in Richtung rotes Fleisch und daraus hergestellte Fleischerzeugnisse statistisch ausgewertet, denn dort waren die Unterschiede des Verzehrs am grössten.

Nehme ich die Zahlen für Männer dann variierten die Mengen an rotem Fleisch von ca. 20g bis ca. 130g /Tag. Am geringsten mit 7% waren die Variationen beim Verzehr von weissem Fleisch (Geflügel und Fisch mit 69,5g/Tag) in der niedrigsten Gruppe und 65,4g/ Tag bei der Gruppe, die am meisten rotes Fleisch verzehrte. Die Gesamtfleischmenge inklusive Fleischerzeugnisse stieg von der niedrigsten Verzehrsgruppe mit 97g/Tag auf 250 g/Tag bei der höchsten Gruppe, also um den Faktor von ca. 2,5. Die körperliche Betätigung unterschied sich um den Faktor 2, die der Raucher gar um Faktor 3.

Erstaunlicherweise stieg die Energieaufnahme der Männer von 20g auf 130g rotes Fleisch nur um 10%, der Fettverzehr auf das 1,5 fache und der Verzehr gesättigter Fettsäuren um das 1,67 fache. D.h. das über sechsmal so häufig verzehrte rote Fleisch, war offensichtlich nicht besonders fett. Der Alkoholkonsum fiel bei mehr Fleischverzehr auf 75% im Vergleich zur niedrigsten Verzehrsgruppe der Männer usw und so fort. Der geringste Unterschied bei allen Parametern bestand jedoch wie bereits erwähnt im Verzehr von weissem Fleisch. Aber es wurde der Fleischverzehr stramm ausgerichtet nach rotem, nach weissem Fleisch und nach Fleischerzeugnissen statistisch ausgewertet. Die anderen Grössen wurden offensichtlich nicht betrachtet.

Die 250g Fleischverzehr mit 130g rotem Fleisch pro Tag führten, so die Studie bei 71.000 Toten in den 10 Jahren zu einem erhöhten Gesamtsterberisiko für Männer von 31%, bei Frauen von 36%. Bei Krebs stieg die Rate bei Männern um 22%, bei Frauen um 20%. Bei weissem Fleisch mit den geringen Unterschieden im Verzehr von 7%(!) war der Tod durch Krebs um 16% bei Männern, und 11 % bei Frauen erniedrigt. Wie das bei den geringen Verzehrsunterschieden? Die Unterschiede in der sonstigen Ernährung und im Umfeld der Beobachteten 500.000 Menschen, die teilweise wesentlich grösser waren als beim Verzehr von weissem Fleisch, sollen nun alle keine Rolle spielen.

Aber schauen wir uns mal an, wenn wir das alles für richtig und gegeben annehmen, was das für Europa heisst. Die hohen Gesamtverzehrsmengen für Fleisch in USA mit 250g/Tag sind ca. 1,5 bis 2mal so hoch wie in Europa mit 100-150g /Tag bei Männern. Das gilt analog auch für den Verzehr von rotem Fleisch. Nehmen wir die Daten der Studie, dann wäre bei den europäischen Männern das Risiko durch rotes Fleisch zu sterben, nur ca. 6%, bei Frauen um 8% höher, bei Krebs um 2 resp. 5% höher.

Und nun nehmen Sie die Unsicherheit der Daten und vergleichen diese Prozent-Werte für Europa, dann ist mit Verlaub wenig Substanz übrig geblieben. Denn 2 oder auch 8%, gar 16 bis 20% Unterschied sind bei der Datenschwäche alles andere als sicher und rechtfertigen keine solche Publizität.

Krebsrate im Vergleich von Vegetariern und Fleischessern

Betrachten wir doch noch kurz die aktuelle wissenschaftliche Literatur. Zwei Arbeiten von Key und andern Autoren, die kurz vorher (11.3. und 18.3.2009) im American Journal of Clinical Nutrition erschienen sind und Ergebnisse der europäischen EPIC Studie aus englischen Teiluntersuchungen darstellen, stellen fest, dass Vegetarier ein höheres Darmkrebsrisiko (um 39% erhöht und nicht nur um 2 bis 8%) aufweisen als Nichtvegetarier. Die erhöhte Krebsrate der Vegetarier gegenüber gesundheitsbewussten Nichtvegetariern (16%) in der deutschen Vegetarierstudie aus Heidelberg von 2005 fand ebenfalls kaum Publizität in der Presse und Fernsehen.

Ich kann jedem Interessierten die über 21 Jahre andauernde sehr gut durchgeführte deutsche Vegetarierstudie zum Lesen empfehlen oder im Internet stehende Äusserungen des Krebsforschungszentrums Heidelberg hierzu. Sie werden sich wundern: was ist jetzt wohl richtig? Erhöht rotes Fleisch oder aber vegetarische Kost die Krebsgefahr? Sie entscheiden selbst. Denn der mündige Verbraucher ist Gott sei Dank intelligent genug, instinktiv die richtige Antwort sich selbst zu geben.

Wie kann ein Lebensmittel, das so gut schmeckt wie Fleisch und seit Jahrtausenden gegessen wird und das - seit wir mehr davon essen - uns auch noch länger leben lässt, schlecht sein? Der gesunde Verbraucher weiss: allzu viel ist immer ungesund, zuviel Fleisch genauso wie zu viel Süsses oder zuviel Alkohol, aber auch zuviele Sorgen um sein Essen tut ihm nicht gut. Fleisch und Fisch jeder Art und deren Erzeugnisse in Massen genossen, sind etwas Gesundes und Gutes und machen viele Menschen täglich glücklich. Glückliche Menschen sind gesünder und leben deshalb wohl auch länger. Also weiterhin guten Appetit mit rotem Fleisch. (Text: Dr. Karl-Otto Honikel, Walpenreuth 1, D-95239 Zell im Fichtelgebirge)

Schwachstellen der Studie in Kürze

● unsichere Erfassung von Verzehrsdaten in Art und Menge im Nachhinein über die letzten 12 Monate im Abstand von 5 Jahren
● offensichtliche ungenaue Festlegung der Inhaltsstoffe wie Fettgehalte, gesättigte Fettsäuren und damit auch der Energieaufnahme der erfassten Lebensmittel
● einseitige Auswertung auf Fleisch, obwohl andere Grössen wie z.B. Rauchen oder körperliche Betätigung sich zwischen den Gruppen mehr unterschieden als die des Verzehrs von weissem Fleisch
● USA-Zahlen sind nicht auf die Schweiz übertragbar: die hohen Verzehrsmengen für Fleisch in USA sind ca. 1,5 bis 2mal so hoch wie in Europa. Bei den europäischen Mengen wäre des Sterberisiko durch rotes Fleisch nur ca.6-8% höher. In Europa beträgt der (rote) Schweinefleisch- und (weisse) Geflügelfleischverzehr gut 80% des Gesamtfleischverzehrs mit 60-65% ungesättigten Fettsäuren und mit durchschnittlich 9-10% Fettgehalt. In USA liegt der Rindfleischanteil über 30%, der Fettgehalt im Mittel über alle Fleischarten bei 12-15% und der Anteil gesättigter Fettsäuren daraus bei ca. 42 bis 45%.


Quelle von «Fleischverzehr und Sterblichkeit»: Meat Intake and Mortality,- A Prospective Study of Over Half a Million People. R. Sinha, A.J. Cross, B.I. Graubard, M.F. Leitzmann und A. Schatzkin ist in Archives of Internal medicine, Vol.169, (Nr.6) vom 23.3.2009 S. 562-571

Quellen der Vegetarierstudie: Jenny Chang-Claude, Silke Hermann, Ursula Eilber, and Karen Steindorf: Lifestyle Determinants and Mortality in German Vegetarians and Health-Conscious Persons: Results of a 21-Year Follow-up. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev, April 2005; 14(4), 963-968

Weiterlesen: Kein Vorteil bei Fleischverzicht
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