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Beiträge im Archiv

25.6.2010 - Rubrik: Gastronomie
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Buchtipp mit Leseprobe: Ernährungsmythen entlarvt




Paolo Colombani: «Als Mensch, der sich gern und viel bewegt, muss ich mir um meine Ernährung keine allzu grossen Sorgen mehr machen. Praktisch alles ist erlaubt - sofern es nicht masslos konsumiert wird».

Fette Irrtümer - Ernährungsmythen entlarvt

Fett ist nicht schlecht. Cholesterin auch kein Problem. Gute, überraschende Nachrichten aus der weiten Welt der Ernährung. Und kein Witz, sondern Wissenschaft. Dargeboten vom Ernährungsexperten Paolo Colombani, Dozent an der ETH und der Universität Zürich, bei Swiss Olympic und der Schweizer Sportarztausbildung. Es gibt nur eine kleine Voraussetzung: man muss sich regelmässig bewegen. Dieses soeben erschienene Buch gibt Empfehlungen zu Ernährung, Bewegung und Zusammensetzung der Mahlzeiten.

Fette Irrtümer
Von Paolo Colombani
Orell Füssli Verlag AG
176 Seiten, gebunden, CHF 34.90
ISBN 978-3-280-05372-0

«foodaktuell.ch» präsentiert eine Leseprobe

Wie bei den Kohlenhydraten haben wir auch bei den Fetten gesehen, dass Umdenken angesagt ist. Die allzu stark vereinfachende Gruppierung in die drei Klassen gesättigte, einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren ist ebenso unhaltbar wie die Einteilung der Kohlenhydrate in einfache und komplexe. Bereits aus diesem Grund sind pauschale Voraussagen wie «Gesättigte Fettsäuren erhöhen die Herzkreislaufgefahr» wissenschaftlich nicht haltbar. Bestätigt wird dies durch viele grosse, sauber durchgeführte Studien. Eine differenzierte Betrachtung ist auch beim Warnzeichen «LDL-Cholesterol» von Nöten.

«LDL-Cholesterol» ist kein einheitlicher Stoff, sondern besteht aus verschiedenen Fraktionen. Dabei ist die kleine, dichte LDL-Partikel genannte Fraktion diejenige mit einem Zusammenhang zu den Herzerkrankungen. Hingegen sind sowohl das undifferenzierte «LDL-Cholesterol» - wie es heute üblicherweise beim Arzt gemessen wird - als auch die grosse, flauschige LDL-Fraktion nicht mit einer erhöhten Herzgefahr verbunden. Beides, die Gruppierung der Fettsäuren und die undifferenzierte Betrachtung des «LDL-Cholesterols», sind Paradebeispiele für Vereinfachungen, die über ihr Ziel hinausschiessen und zu Fehlschlüssen führen.

Die ganze Geschichte zu den Fetten zeigte wiederum, dass viele Faktoren Einfluss auf Ernährungseinpfehlungen nehmen - und nicht alle haben mit Wissenschaft zu tun. Wie so oft wird es aber auch hei den Fetten einen goldenen Mittelweg geben. Denn Fette und somit auch gesättigte Fettsäuren sind natürliche Bestandteile jeder Ernährungsweise und dürften seit unseren frühesten Vorfahren immer einen Teil der Nahrung ausgemacht haben. Selbst wenn wir bis zu den Ursprüngen der Menschheit vor 5 bis 7 Millionen Jahren zurückgehen.

Für Säugetiere wie den Menschen war und ist zudem eine möglichst wirksame Einlagerung der Fette im Köper immer ein wesentliches Überlebensziel gewesen. Es war wohl einer der grössten, das heisst die Überlebensrate steigernden Fortschritte in unserer Entwicklungsgeschichte. Auch die Tatsache, dass gesättigte Fettsäuren 40 bis 45 % aller Fettsäuren der Muttermilch ausmachen, unterstreicht, dass sie nicht prinzipiell schädlich sein können. Schliesslich sei nochmals an die Essgewohnheiten der knapp 230 Urvölker erinnert, in deren Ernährung es einen Fettanteil von knapp 30 bis 60 %, der gesamten Energiemenge gab und wo der entsprechende Anteil der Kohlenhydrate 20 bis 40% betrug.

In Anbetracht dieser und aller anderen hier berichteten Tatsachen erscheinen die möglichst starke Senkung der gesättigten Fettsäuren auf weniger wie 10% und die immer noch starke Senkung der gesamten Fette auf höchstens 30%, bei gleichzeitiger Empfehlung von bis zu 60% Kohlenhydraten, schlichtweg als zu extrem. Im Kapitel über die Kohlenhydrate habe ich mich auf einen Zielwert von rund 40% Kohlenhydrate festgelegt. Bei den Fetten wird er ebenfalls in dieser Grössenordnung liegen. Die restlichen 20%, wären dann durch das Eiweiss zu decken.

Ausblick

Die letzten knapp 170 Seiten boten einen Überblick zu einer Handvoll ausgewählter Aspekte der Bewegung bzw. der Ernährung. Zwei Erkenntnisse sind nochmals hervorzuheben: Mindestens 30 Minuten moderater Bewegung täglich sind der Gesundheit des Menschen nicht nur zuträglich, sondern unabdingbar, um gesund zu bleiben. Die zweite Erkenntnis ist: Menschen essen Nahrungsmittel und nicht einzelne Nährstoffe.


Colombani rät zu einer Durchschnitts-Mischkost, in der 40% der Energie aus Kohlenhydraten stammt, 40% aus Fetten und 20% aus Proteinen. Dies entgegen der herrschenden Meinung der Gesundheitsgurus, die max 30% aus Fetten fordern.

Die Reduktion der Nahrungsmittel auf jeweils wenige ihrer Nährstoffe und die Beurteilung von Nahrungsmitteln aufgrund dieser Nährstoffe wird sich wohl einst als einer der grossen Irrtümer der Ernährungswissenschaft erweisen. Denn im Endeffekt wirkt ein Nahrungsmittel in seiner Gesamtheit und in Form zahlreicher Wechselwirkungen.

Als Mensch, der sich gern und viel bewegt, muss ich mir um meine Ernährung keine allzu grossen Sorgen mehr machen. Praktisch alles ist erlaubt - sofern es nicht masslos konsumiert wird, da der Stoffwechsel keine Extreme mag und Paracelsus sonst unzufrieden wäre. So lautet die vermutlich simpelste, sinnvollste und stressfreiste Ernährungsempfehlung: Vermeide Extreme, vergiss Nährstoffe und geniesse die Nahrungsmittel, also das Essen.

Ich könnte jetzt darüber philosophieren, was eigentlich ein Nahrungsmittel ist und was nicht. Aber ich kann es auch ganz kurz machen: Als Nahrungsmittel gilt in meinen Augen alles, was uns die Natur zur Verfügung stellt und was möglichst wenig industriell verarbeitet wurde. Sobald irgendwelche Nährstoffe oder Zutaten in einer in der Natur nie da gewesenen Kombination miteinander vermengt werden und daraus ein neuartiges Nahrungsmittel entsteht, muss einfach die Frage erlaubt sein, wie der Stoffwechsel damit umgehen soll.

Auch starke Eingriffe in Nahrungsmittel oder Zutaten, wie bei der Härtung der (öle und der folgenden Irans-fetten Herzbelastung durch Margarine und pflanzliche Koch-/Backfette während des 20. -Jahrhunderts, sind sicherlich mit Fragezeichen zu versehen. Inwiefern schliesslich das künstliche Hinzufügen einzelner Stoffe zu Nahrungsmitteln, um ihren «Wert» zu erhöhen, mehr nützt als schadet, wird sich mit der Zeit zeigen.

Die wohl grösste zukünftige Neuerung haben wir bereits am Ende des Kapitels zu den Vitamin- und Mineralstoffsupplementen gestreift. Empfehlungen gelten jeweils für die durchschnittliche Bevölkerung und nicht speziell für Herrn Müller oder Frau Maier. Aber bin ich durchschnittlich? Wer sagt mir, ob mein Stoffwechsel so reagiert wie der durchschnittliche Stoffwechsel? Genetisch bedingte leichte oder weniger leichte Unterschiede der Stoffwechselantwort auf die Nahrung werden von den Empfehlungen praktisch nicht berücksichtigt.

Die Zukunft wird uns aber sicher individuell abgestimmten Empfehlungen bringen. Das Stichwort lautet hier (Personalisierte Ernährung». Nach anfänglicher Skepsis diesem zukunftsweisenden Forschungsbereich gegenüber lässt sich heute langsam erkennen, dass doch etwas dahinter steckt. Die entsprechenden Forschungsbereiche nennen sich Nutrigenomics, Metabolomics, Proteomics, Lipidomics und Foodomics. Diese «-omics» sind noch so frisch, dass es nicht einmal deutsche Begriffe dafür gibt. Es geht dabei um die umfassende Messung der gesamten Stoffwechselantwort - oder der gesamten Eiweissstoffwechsel- oder gesamten Fettstoffwechselantwort - auf den Verzehr von Nahrungsmitteln oder bestimmte Ernährungsgewohnheiten.

Der grosse Unterschied zu bisherigen Studienarten ist die Messungsart der Stoffwechselantwort. Es werden nicht mehr ein oder wenige Warnzeichen gemessen, sondern möglichst alles, was sich im Blut oder anderen messbaren Körperflüssigkeiten verändern kann. Eben die gesamte Stoffwechselantwort. Und da gibt es viele, nein: sehr viele Stoffe, die wie der Blutzucker nach dem Essen auf und ab gehen können. Neue Analysemethoden und neue, zum Teil noch zu entwickelnde mathematische Berechnungsverfahren in Verbindung mit grossen Datenbanken und leistungsstarken Computern werden den Weg zur personalisierten Ernährungsempfehlung bahnen.

Diese Zukunftsmusik hat schon zu spielen begonnen, und es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis anwendbare Ergebnisse vorliegen werden. Auch die Europäische Kommission hat dies erkannt und offeriert deshalb zurzeit den europäischen Forschungsgruppen mit dem besten Projektvorschlag in diesen) Bereich eine Finanzierung in Höhe von 9 Millionen Euro.

Solange aber entsprechende Ergebnisse nicht in einer anwendbaren Form und den evidenzbasierten Anforderungen entsprechend verfügbar sind, so lange gelten aktuelle sinnvolle Empfehlungen wie «Vermeide Extremes, vergiss Nährstoffe und geniesse natürliche Nahrungsmittel». In diesem Sinne bleibt mir nur, mit der Frage «Isst du noch oder geniesst du schon?» einen guten Appetit zu wünschen.

Weiterlesen: Fett und Cholesterin schaden nicht
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