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20.7.2012 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Fleisch in Ecuador: Veredlung ist Luxus

Fleisch spielt in der Ernährung der Ecuadorianer eine grosse Rolle. Es ist alltäglich, auch bei der mehrheitlich armen Bevölkerung. Diese konsumiert vor allem das günstige Poulet sowie die währschaften Stücke der Tiere von den Füssen bis zu Innereien. Ebenfalls billig ist die Produktionsweise der Strassenküchen, die man daher überall zuhauf antrifft. Wurstwaren haben wenig Bedeutung.



Spanferkel-Holzkohlegrill in der Küstenmetropole Guayaquil: permanent drehen von Hand.


Fleisch ist in Ecuador zwar beliebt, wird aber sowohl in Metzgereien wie auch in Restaurants und Haushalten nach unseren Massstäben unsorgfältig behandelt. Oft hängen Metzger sogar halbe Schlachtkörper ohne Kühlung offen vor den Laden, wo sie Dreck und Fliegen ausgesetzt sind, dies vermutlich zu «Werbezwecken». Handkehrum gart man Fleisch und Fisch so stark, dass die Mikroorganismen einen mehrfachen Overkill erhalten - und die Nährstoffe ebenfalls. Ecuadorianer würden nie ein Steak seignant essen aus Abneigung und hygienischen Bedenken.

Metzgereien machen meistens nur im Supermarkt einen gepflegten Eindruck, sie sind dafür dort an der Kundenfront bei den Hygienestandards vergleichbar mit der Schweiz (jedenfalls optisch). Fleischreifung gilt als Luxus. Nur Industriebetriebe lagern Fleisch gekühlt unter Vakuum für die Belieferung der Supermärkte. Ein zartes, saftiges Steak kommt ausser in Grossstädten selten auf den Teller.



Ein Strassengrill in der Hauptstadt Quito mit preiswerten Poulet-Innereien


Wurstwaren haben wenig Bedeutung, da man das Fleisch viel weniger veredelt als bei uns und daher kaum Wurstfleisch anfällt. Die Ecuadorianischen Metzgereien belassen einen grossen Teil Knochen, Fett, Bindegewebe und Haut am Fleisch, was die Kunden keineswegs als Nachteil empfinden. Im Gegenteil: sie kauen und nagen gern. Die einzige sehr beliebte weil preiswerte Wurstsorte ist Blutwurst, die ganzjährig verkauft und sogar im Haushalt hergestellt wird: Die Ecuadorianer kaufen Blut, Därme und Innereien im Schlachthaus. Die wichtigsten zwei Sorten enthalten entweder Zwiebel oder Reis.

Die wichtigsten Fleischlieferanten in Ecuador sind wie bei uns Huhn, Schwein und Rind. Ebenfalls eine Rolle spielen Ente, Ziege und Schaf, nie auf dem Teller landet jedoch Pferd. Bei den Rindern gibt es Fleisch- und Milchrassen sowie vor allem Zweinutzungsrassen. Wie überall in Lateinamerika herrschen gemäss einem FAO-Bericht Kreuzungen aus Zebu, Creole, Holstein und Brown Swiss vor. Zebu ist ein Hausrind, das auch in andern tropischen Ländern gehalten wird. Es erträgt feucht-heisses Klima wesentlich besser als europäische Rassen. Diese Buckelrinder sind notabene ideale Lieferanten für Cervelasdärme.

Das Zebu ist ein auch im indischen Subkontinent domestiziertes Hausrind, das vor allem in tropischen und subtropischen Klimaten gehalten wird. Es ist wesentlich besser ans dortige Klima angepasst, aber auch weniger züchterisch bearbeitet worden als europäische („taurine“) Hausrindrassen.

In Afrika sind viele Hausrindrassen aus Kreuzungen zwischen Zebus und europäischen oder taurinen Rindern entstanden. Seit dem 20. Jahrhundert hat man auch in anderen Teilen der Welt mit tropischem Klima Zebus in taurine Rinderrassen eingekreuzt, um sich deren Hitzverträglichkeit und Krankheitsresistenz zu Nutze zu machen. Ursprüngliche Zeburassen geben nur wenig Milch und wachsen langsamer heran als taurine Rinder. Zebus stammen von einer anderen Unterart des Auerochsen ab als taurine bzw westliche Hausrinderrassen.


In einem auf Schweinshaxen vom Ofen spezialisierten Take-away.


Milchkühe werden nicht von Hand ausgemolken sondern man setzt dafür das Kalb an, was in der Schweiz aus hygienischen Gründen verboten ist (Milchkuh- und Mutterkuhhaltung werden strikt getrennt). In Ecuador beträgt die Milchleistung einer Kuh daher nur circa 5 kg Milch pro Tag, in der Schweiz stolze 25 kg. Ebenfalls Schafe und Ziegen werden gehalten, gemolken und geschlachtet für die Fleischgewinnung. Pferde und Esel dagegen dienen nur als Lasttiere, und mit Pferden organisiert man Wettkämpfe. Apropos: die tierquälerischen Stierkämpfe sollten auf Wunsch des Ecuadorianischen Präsidenten abgeschafft werden, sind aber noch erlaubt, ebenso die Hahnenkämpfe.

Die Fleischproduktion ist in Ecuador nicht auf Landwirtschaftsbetriebe beschränkt. Viele Privatpersonen, sogar in der Stadt, halten Hühner oder Enten in Hinterhöfen zur eigenen Versorgung aber auch zum Verkauf (lebend oder geschlachtet). Bis vor Kurzem war auch das Halten von Schweinen in gewissen Quartieren der Küstenmetropole Guayaquil erlaubt und wurde – was nicht erstaunt – dann aber verboten, um Seuchen und Gestank zu vermeiden. Zum Vergleich: Im zweiten Weltkrieg, als in der Schweiz das Fleisch rationiert war, mästeten nicht wenige Hausbesitzer Kaninchen und Hühner im Garten, auch in der Stadt.


Auf einem Bauernmarkt in Quito: lebende Hühner und – als Convenience – auch geschlachtete. Natürlich werden die Innereien mitverkauft und auch verwendet.


Das Fleisch der in den Anden heimischen Lamas und Alpakas wurde früher ebenfalls gegessen, aber die spanischen Kolonialherren ersetzten diese Neuwelt-Kameliden als Fleischlieferanten fast vollständig durch Rind, Schwein und Huhn. Die leerfleischigen Lamas werden heute vor allem für Wolle und Leder gehalten. Sie sind ganzjährig auf der Weide und werden weder gefüttert noch gemolken oder bewacht. Auch bei Geburten erhalten sie keine Hilfe.

Die Andenhochland-Bewohner essen auch Meerschweinchen, die als Spezialität gelten. Zu kulinarischen Zwecken werden grosswüchsige Rassen gezüchtet. Nach 14 Monaten sind die Tiere schlachtreif und bringen zwei Kilogramm auf die Waage.


Eine Fleisch-Spezialität im Andenhochland sind grillierte Meerschweinchen. Der Fleischgeschmack liegt zwischen Poulet und Kaninchen.


Gastroköche schlachten sie selbst und grillieren sie als ganzes mit Kopf und Beinen, oft auf einen Holzstecken gespiesst, damit sie gleichmässiger garen. Sie würzen das Fleisch wie oft in Lateinamerika mit Knoblauch, Chili und Kreuzkümmel. Sie halten die Meerschweinchen nach dem Vorgaren warm und grillieren sie bei Bestellung fertig – das Fleisch wird wie immer stark übergart. Fertig grilliert wiegt ein Meerschweinchen noch 1.5kg – eine Person verzehrt normalerweise ein halbes. Die beliebesten Teile sind je nach individueller Vorliebe Kopf oder Schenkel.

Guido Böhler, dipl. Lebensmittel-Ing ETH, Chefredaktor von www.foodaktuell.ch und foodaktuell (Print) hat im Januar 2012 in Ecuador diverse Bereiche der dortigen Lebensmittelbranche recherchiert. Die eigenen Beobachtungen sind ergänzt durch Interviews mit Produzenten, Familien in Guayaquil und Quito sowie mit Infos aus Fach-Websites.


Weiterlesen: China kulinarisch betrachtet
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