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Beiträge im Archiv

19.8.2011 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Wissenswert: Ebergeruch und Ferkelkastration



Das Thema rund um die Ferkelkastration ist teils recht fachkundig, häufig aber sehr emotional behandelt worden. Für die Objektivität kann es nur von Vorteil sein, wenn eine umfassende Abhandlung das Verständnis fördert. Der Beitrag von Dr. Ruedi Hadorn, Direktor des SFF, schafft Klarheit.


1. Allgemeines

Mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife im Alter von etwa 5 Monaten kann sich bei männlichen Schweinen ein penetranter Geruch im Fleisch, der sog. Ebergeruch, entwickeln. Dieser setzt sich aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen, die im Körperfett der wachsenden Eber eingelagert werden. Als wichtigste Komponenten des Ebergeruches gelten die nachfolgenden Substanzen:
• Androstenon: ein Geschlechtshormon, führt zu urinartigem Geruch
• Skatol und Indol: mikrobielle Eiweissabbauprodukte im Dickdarm, führen zu kotartigem Geruch

Der eigentliche Ebergeruch entwickelt sich vor allem beim Erhitzen des Fleisches. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass gewisse Rohwürste (z.B. Salami) und Rohpökelwaren (z.B. Rohschinken, Rohessspeck) aus Eberfleisch nur eine geringe Geruchsintensität entwickeln, die z.T. sogar als angenehm empfunden wird. Wird jedoch Fleisch von denselben Tieren entsprechend erhitzt, dann kann sich der angenehme Geruch rasch in den äusserst penetranten Ebergeruch verwandeln, der einem als nicht daran gewöhnten Konsumenten den Genuss von Schweinefleisch massiv verderben kann.

Bei der Schlachtung von Schweinen fallen jedoch unterschiedliche Teilstücke an, die sich im grösseren Rahmen nur teilweise über nicht erhitzte Fleischprodukte verarbeiten lassen. In diesem Sinne gibt die Werbung von einzelnen Organisationen, die den Konsum von roh essbaren Fleischprodukten aus Eberfleisch einseitig propagieren, nur die halbe Wahrheit wieder!

Gerade die sehr komplexe Zusammensetzung des Ebergeruches macht eine einheitliche Identifikation desselben extrem schwierig und eine zuverlässige Erkennung ist bis heute erst unter Laborbedingungen annäherungsweise möglich. Verschiedene nationale und internationale Forschungsprojekte befassen sich daher mit der Entwicklung von sog. elektronischen Nasen (Bild); deren Praxistauglichkeit konnte aber noch nicht nachgewiesen werden. In den Schlachthöfen gelangt daher oft noch der sog. Kochtest zur Anwendung, bei welchem ein bestimmtes Fettstück erhitzt wird und dafür empfindliche Prüfpersonen den Ebergeruch zu erriechen versuchen.

Auch reagieren einzelne Personen auf die einzelnen Komponenten des Ebergeruches wie auch deren Zusammenspiel individuell sehr unterschiedlich. So können 30-40% aller Personen Androstenon nicht riechen, während Skatol und Indol von allen Personen wahrgenommen werden kann. Je nach Geschlechtsentwicklung tritt Ebergeruch bei etwa 10-12% der Eber auf (je nach Definition der Grenzwerte).

2. Was kann man gegen Ebergeruch tun?

Da die Entwicklung von Ebergeruch mit der Entwicklung der Geschlechtsreife von männlichen Schweinen im Zusammenhang steht, stehen zur Vermeidung desselben prinzipiell zwei Möglichkeiten offen: die Jungebermast bzw. die Kastration.

Jungebermast:
Bei der Mast von unkastrierten Ebern macht man sich den Umstand zunutze, dass die Entwicklung der Geschlechtsreife im Alter von etwa 5 Monaten einsetzt und die geruchsrelevanten Stoffe zur Hauptsache erst dann in das Körperfett eingelagert werden. Aus diesem Grund werden Jungeber vergleichsweise früher geschlachtet, was sich jedoch negativ auf die Fleischqualität (höherer Wassergehalt, weniger Geschmack) auswirken kann. Zudem besteht bei der Mast von Jungebern die Gefahr, dass sich im Fleisch von einzelnen frühreifen Tieren der Ebergeruch gleichwohl manifestiert und das entsprechende geruchsbelastete Fleisch ungehindert in den Markt, d.h. direkt zu den Konsumentinnen und Konsumenten, gelangt.

Gleichwohl gibt es Hinweise, dass die Geruchsentwicklung in Abhängigkeit der Fütterung (z.B. mit Kartoffelstärke) bzw. der Haltung eingegrenzt werden kann. Vielversprechender scheinen die Hinweise zu sein, das Auftreten von Ebergeruch auf züchterischem Wege zu reduzieren; erfahrungsgemäss benötigt das Erreichen von entsprechenden Zuchtfortschritten jedoch einen Zeitraum von mind. 8-10 Jahren.

Kastration:
Gemäss Tierschutzverordnung ist in der Schweiz die Kastration männlicher Ferkel seit dem 1. Januar 2010 nur noch unter Schmerzausschaltung erlaubt. Dabei stehen vor allem zwei Möglichkeiten offen: die chirurgische Kastration mittels Narkose und Schmerzausschaltung bzw. die Impfung mittels Injektion.

In der Schweiz hat sich mittlerweile die Kastration mittels Gasnarkose bei gleichzeitiger Verabreichung eines Schmerzmittels durchgesetzt. Dies deshalb, weil durch das chirurgische Entfernen der Hoden beim betäubten Ferkel eine hohe Sicherheit zur Vermeidung des Ebergeruches in Schweinefleisch erreicht werden kann. Mit der Impfung kann diese Sicherheit nur annäherungsweise erreicht werden und vor allem auch nur dann, wenn die beiden notwendigen Impfungen der Mastschweine mittels Injektion exakt zu den richtigen Zeitpunkten erfolgen.


Ferkel-Kastration mit Gas-Narkose (Bild: FiBL)


Die Schlachtbetriebe, der Viehhandel und die Schweineproduzenten haben daher innerhalb eines Jahres – auf eigene Initiative hin und notabene ohne staatliche Unterstützung – im sog. Kastrationsfonds gemeinsam rund 14 Mio. Franken geäufnet, welche zur Finanzierung der für die erfolgreiche Umsetzung notwendigen Narkosegeräte (Inhalationsnarkose mittels Isofluran) eingesetzt wurden. Damit hat die Schweiz schon heute eine Alternativlösung realisiert, die international (noch) seinesgleichen sucht. In mehreren EU-Ländern wird die Eberfleischthematik derzeit zwar ebenfalls intensiv diskutiert, konkrete Lösungen sind aber noch kaum vorhanden, geschweige denn umgesetzt.

3. Ferkelkastration und der Import von Schweinefleisch

Gerade in letzter Zeit wird der Import von Schweinefleisch, welches von männlichen Ferkeln stammt, die nicht nach den Schweizer Vorgaben kastriert und gehalten werden, in der Öffentlichkeit stark thematisiert und von gewissen Tierschutzkreisen bewusst forciert. Hierzu gilt es zu festzuhalten, dass rund 95% des in der Schweiz konsumierten Schweinefleisches bereits in der Schweiz produziert wird. Unter Berücksichtigung der Geschlechterverteilung von rund 1:1 ist somit davon auszugehen, dass ca. 2.5% des in der Schweiz konsumierten Schweinefleisches auf ausländische, männliche Kastraten zurückzuführen ist.

Im Rahmen von internationalen Handelsvereinbarungen (WTO) ist die Schweiz verpflichtet, eine gewisse Menge an Schweinefleisch in die Schweiz einzuführen. Mit dem ab 2005 erfolgten Wechsel des Importsystems von der Bemessung der Importe aufgrund der Inlandschlachtungen hin zur periodischen Versteigerung kann das einzelne Fleischunternehmen seine Importe seit geraumer Zeit nicht mehr selber planen. Dies deshalb, weil es im Vornherein nicht mehr weiss, ob es bei der Versteigerung der jeweiligen Importfreigaben überhaupt zum Zuge kommen wird.

Als Konsequenz davon konnten einzelne Unternehmen ihre früheren und erfolgreich verlaufenen ausländischen Produktionsprogramme, die nach schweizerischen Vorgaben analog Labelproduktion ausgerichtet waren, mangels den von Produzentenseite verlangten Abnahmegarantien nicht mehr weiterführen und mussten diese folglich stoppen.

Aufgrund der geringen Marktmacht im internationalen Umfeld bleibt den Schweizer Importeuren in der heutigen Situation gar nichts mehr anderes übrig, als ihren Bedarf an Schweinefleisch auf dem freien Markt, unabhängig von der Art der Kastration, zu decken. Aktuell laufen deshalb gewisse Bestrebungen, um in Anlehnung an die früheren gesetzlichen Vorgaben die Bemessung von zumindest 50% der Schweinefleischimporte aufgrund einer Inlandleistung einzuführen, um so den obgenannten Interessenkonflikt zumindest teilweise zu entschärfen.

In der ganzen öffentlichen Diskussion rund um den Import von Schweinefleisch geht oft der mengenmässig bedeutendste Einfuhrkanal, der Grenztourismus, bewusst oder unbewusst vergessen. Aufgrund des zunehmend schwächer werdenden Eurokurses (-30% in den letzten 1½ Jahren) nahmen die grenznahen Fleischeinkäufe in den letzten Monaten massiv zu, wobei Schweinefleisch einen grossen Anteil ausmachen dürfte. Schätzungen des Schweizer Fleisch-Fachverbandes (SFF) zufolge belaufen sich die privaten Fleischeinkäufe ennet der Grenze aktuell auf insgesamt rund 1 Mia. Franken pro Jahr oder einen Sechstel des gesamten Detailhandelsumsatzes mit Fleisch.

Unter der Annahme, dass die Verteilung der Fleischeinkäufe auf die unterschiedlichen Fleischarten dem durchschnittlichen inländischen Konsum der verschiedenen Fleischarten entspricht, ist davon auszugehen, dass die privat getätigten Einkäufe im grenznahen Bereich die offiziell importierten Mengen an Schweinefleisch bei weitem übersteigen. Dabei hätten es die betreffenden Konsumentinnen und Konsumenten übers Portemonnaie selber in der Hand, dem Tierwohlgedanken direkt und glaubhaft Rechnung zu tragen! (Text: Ruedi Hadorn, SFF)

Weiterlesen: Eberfleisch und Saucisson
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