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29.4.2011 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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CO2-Betäubung bei Schweinen und Alternativen

Was heisst Prozessqualität für die Micarna? In den letzten Jahren hat Micarna sehr viel dazu beigetragen, dass die Betäubung und der Schlachtvorgang verbessert wurden. Details am Beispiel des Schweins.




«Sagen was wir tun und tun was wir sagen!». Referat von Albert Baumann, Unternehmensleiter Micarna SA, anlässlich der 13. Nutztiertagung „Nutztierschutz gestern, heute und morgen“ des Schweizer Tierschutz STS vom 21. April 2011 in Olten


Während Jahren hat die Micarna SA weltweit eine Vorbildfunktion in der Branche wahrgenommen und dazu beigetragen, dem Image der Schweizer Fleischbranche den Stellenwert zu geben, den es verdient. "Agieren ist besser als reagieren": Bereits 1992 hat die Micarna für die Migros begonnen, ein spezielles Fleischprogramm aufzubauen, um dem Konsumenten bezüglich Tierschutz und Ethik die kaufentscheidende Sicherheit zu geben.

Diese Schrittmacherfunktion hatte in der Schweiz ihre positiven Auswirkungen auch in der Umsetzung neuer Schlachtmethoden. International gab es wohl Verbesserungen, unser Standard ist aber vor allem im Schweinebereich weltweit einzigartig.

Der Konsument soll in der Migros die Wahlfreiheit haben, das heisst, er soll wählen können, welche Produkte (Fleischprogramme) er kauft. Er soll aber mit „gutem Gewissen“ Fleisch kaufen können und wissen, dass im Hintergrund eine Organisation steht, die bezüglich Food Safety, Ethik, Tierschutz und selbstverständlich Produktequalität alles daran setzt, die Kundenwünsche zu erfüllen.

Die Fleischprogramme der Migros sind in den letzten Jahren in der Kundengunst stark gewachsen, dies gilt für biologische Produkte wie das M-Bio-Fleisch, speziell das BIO-Weide Beef, für Produkte mit einem ethisch ökologischen Mehrwert, wie das TerraSuisse-Fleisch, das Optigal-Poulet, aber auch die klassische Produktion. Für QM-Schweizerfleisch gelten die gesetzlichen Grundanforderungen der Rückverfolgbarkeit, Fütterung, Haltung und Transportanforderungen.

Bezüglich Importen hat das neue Importsystem des Bundes mit dem Versteigerungsverfahren dazu geführt, dass die eigenen Fleischprogramme der Migros/Micarna im Ausland nicht mehr vollumfänglich zum Tragen kommen. Wir hatten für unsere ausländischen Fleischprogramme die gleichen Anforderungen wie für Fleischprogramme im Inland und produzierten Fleisch mit ethisch ökologischem Mehrwert.

Im Schweinebereich beispielsweise produzierten wir in der Steiermark mit dortigen Landwirten das M-Styria-Programm für Importe der Migros. Das neue Importsystem lässt ein solches Fleisch-Programm nicht zu, da wir mit den Produzenten keine Verbindlichkeiten bezüglich Abnahme vereinbaren können. Sowohl aus Sicht der Planung wie auch aus wirtschaftlicher Sicht wurde dieses Engagement unsinnig.

Die Anstrengungen und Verbesserungen sind im Bereich des Tierschutzes und der Ethik sehr stark auf die Prozessqualität fokussiert. Diese gilt nicht nur für ausgesuchte Programme, sondern für sämtliches Fleisch, das ab der Micarna verkauft wird.


Micarna in Bazenheid SG

Die Micarna-Fleischwarenbetriebe haben sich auf diese Herausforderung eingestellt und sind täglich daran, die Massnahmen für alle Tiergattungen zusammen mit der landwirtschaftlichen Produktion umzusetzen.

Prozessqualität bei Micarna:

1. Tierauswahl: Basis für eine optimale Fleisch- und Genussqualität beginnt mit der Auswahl der richtigen Rassen und Elterntiere. In der Schweiz kennen wir so genannte „traditionelle“ Rassen. Das sind Nutztiere, die schon seit Generationen auf Schweizer Bauernhöfen anzutreffen sind.

2. Herkunft: In unseren Schlachthöfen wird ausschliesslich Fleisch vom Rind, Kalb, Schwein, Lamm und Geflügel geschlachtet, welches von Nutztieren stammt, die in der Schweiz betreut und aufgezogen wurden.

3. Haltung: Eine artgerechte Nutztierhaltung ist für das Wohlbefinden der Tiere unumgänglich ausgerichtet auf die „4 L“; Liegen, Laufen, Luft und Licht.

4. Fütterung: Die Zusammensetzung des Futters ist den Entwicklungsstadien der Tiere angepasst. Deklarationspflichtige, gentechnisch veränderte Futtermittel sind verboten.

5. Transport: Jeder Fahrer eines Tiertransportes muss über einen entsprechenden Fähigkeitsausweis verfügen. Eine praxisnahe Ausbildung wird durch die Fachgruppe TTS (Fachgruppe für tierschutzkonforme Tiertransporte und Schlachthöfe) koordiniert. Die Fahrzeiten zum Schlachthof sind gattungsspezifisch definiert.

Jede Person, die Fleisch isst, muss wissen, dass für das Kotelett oder das Poulet, das er auf dem Teller hat, ein Tier geschlachtet werden musste. Das war damals schon so bei den Urmenschen, wie auch in der Tierwelt. Mensch und Tier, welche die Eiszeit überleben wollten, mussten jagen.

Die heutige Vorstellung der Schlachtung hat mit "jagen" nichts mehr zu tun, wir setzen alles daran, dass der Schlachtprozess würdevoll verläuft und das Tier möglichst nichts mitbekommt. In den letzten Jahren haben wir als Micarna sehr viel dazu beigetragen, dass die Betäubung und der Schlachtvorgang verbessert wurden. Das Beispiel Schwein sei hier umschrieben:

Betäubungsmethoden

Die aktuell üblichen Verfahren zur Betäubung von Schlachtschweinen sind verschiedene Formen des Bolzenschusses, die Elektrobetäubung sowie unterschiedlich gestaltete Systeme zur CO2-Betäubung.

Folgende Anforderungen muss eine ideale Betäubung aus Tierschutzsicht erfüllen:

1. stressfreier Zutrieb ohne Einsatz von Elektrotreibern
2. sofortige schmerz- und stressfreie Wirkung
3. keine (bzw. möglichst kurze) Exzitationen
4. irreversibel

Ein grosser Nachteil der Betäubungsarten mit Elektrobetäubung und Bolzenschuss besteht im obligatorischen Vereinzeln der Schweine zur Ermöglichung eines fachgerechten Zangenansatzes oder Bolzenanbringung und der damit verbundenen problematischen Gestaltung des Zutriebes.

Dazu kommt eine nicht unerhebliche Quote an Fehlbetäubungen unterschiedlicher Ursache ("Faktor Mensch", Zangenansatz, Kontakt, Stromfluss, Widerstand, Stromstärke, Frequenz, Spannung, Stromflusszeit, Fehlschuss, individueller physiologischer Status des Tieres). Bild: moderne Betäubungszange.

Auch bei neueren vollautomatischen Anlagen mit Einzeltierfixierung bleibt ein dahingehendes Restrisiko bei nach wie vor ungelöster Zutriebssituation. Dazu kommen charakteristischerweise durch Strom verursachte Fleischqualitätsmängel "Kapilarblutungen", die sich negativ auf die Wertschöpfung auswirken.

CO2-Betäubung (Paternostersystem)

Demgegenüber bietet die CO2-Betäubung hinsichtlich des wirtschaftlichen Faktors "Fleischqualität" eindeutig grosse Vorteile. Mit dem neu entwickelten "Backloader-System" des Gruppenzutriebes in CO2-Anlagen wurde das Problem des Vereinzelns des Gruppentieres Schwein zufriedenstellend gelöst. Jedoch lasten dem Medium CO2 noch erhebliche Bedenken aus Tierschutzsicht sowie ethische Vorbehalte an. CO2 in der erforderlichen Konzentration (> 80 %) führt nachgewiesenermassen bei Schweinen über forcierte Atmung zu einem Gefühl der Atemnot und fördert aufgrund seiner schleimhautreizenden Eigenschaften im Anflutungsstadium Abwehrreaktionen.

Unter dem Aspekt Tierschutz bleibt ein kontrovers diskutiertes Zeitfenster von 10-15 sec. bis zum Verlust des Stehvermögens, was den Eintritt der Bewusstlosigkeit signalisiert, gefolgt von massiven Exzitationen der Tiere. Ein kritischer Punkt ist die Einfahrt in den CO2-See: mit einer „Paternoster-Anlage“ gibt es kritische Situationen, weil die Tiere über mehrere Zwischenhalte bis zum tiefsten Punkt der Anlage bereits das CO2 wahrnehmen. Entsprechende Bilder sind der Öffentlichkeit nur schwer bis unmöglich zu kommunizieren.

Ein weiteres tierschutzrelevantes Problem ergibt sich in Bezug auf Gruppenbetäubungen bezüglich rechtzeitigen Stechens. Einzige Möglichkeit, dem zu begegnen, ist eine Verlängerung des Verbleibs in maximaler CO2-Konzentration (ca. 160 sec.), um den Effekt der irreversiblen Betäubung hervorzurufen. Längere Verweilzeiten verzögern jedoch auf der anderen Seite den Zutriebstakt in die Anlage. Die Auswirkung auf die Fleischqualität ist dabei ein anderes Thema.

Water-Jet-Betäubung (Hochdruckwasserstrahl)

Vor diesem Hintergrund wurde vor Jahren in einer Studie das neu entwickelte Verfahren der Water-Jet-Betäubung untersucht. Ein Hochdruckwasserstrahl mit einem Durchmesser von 2.1 mm wird mit 3500 bar ins Gehirn des (mindestens am Kopf vollständig) fixierten Schweines geschossen. Ziel ist die Bewusstseinsauslöschung in einigen Millisekunden durch die gezielte Zerstörung des Grosshirns. Unerwünschte motorische Reaktionen sollen durch gleichzeitige Zerstörung von Stammhirn und Medulla oblongata ausgeschaltet werden. Aus tierschützerischer Sicht ist dies die schnellste und effektivste Methode der Betäubung.

Systembedingt liegen jedoch die Nachteile der Jet-Betäubung, genau wie bei der Elektro-betäubung, in der obligatorischen Einzeltierfixierung mit Fixierung des Kopfes und der dadurch unvermeidbaren Vereinzelung der Tiere im Zutrieb. Dazu kommt die bisher nicht zufriedenstellend geklärte Frage des Zusammenhanges zwischen Schussposition und -richtung, dem Ausmass der Gehirnzerstörung und dem nachfolgend bei ca. 10 % der Tiere auftretenden massiven Schlagen der Hinterbeine.

Auch die Frage der Auswirkung des Verfahrens auf die Fleischqualität (Knochenbrüche, mangelhafte Ausblutung insbesondere der Leber) ist nicht abschliessend geklärt und stellt daher auch ein wirtschaftliches Risiko dar. Wir haben mit einem Prototyp einer Jet-Anlage unter annähernd Praxisbedingungen (bis 140 Schweine / h) getestet. Mit negativen Resultaten; diese Anlage ist nicht mehr in Betrieb. Seit der Revision der Tierschutzverordnung im Jahr 2008 ist das Verfahren nicht mehr als "zulässig" gelistet.

Alternative Betäubungsmethoden

Untersuchungen, die wir zusammen mit der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach gemacht haben, zeigten, dass auch alternative Betäubungsmöglichkeiten sowohl durch kombinierte Verfahren der Gas- und Elektrobetäubung als auch durch Betäubung mit Argon oder kombinierte Gasmischungen (Argon / CO2) nicht die gewünschten Resultate erbrachten. Ziel dieser Alternativen war, in jedem Fall eine sofortige und bis zum Eintritt des Todes durch Blutentzug anhaltende Bewusstseinsausschaltung, die eine Rückkehr des Empfindungs- und Wahrnehmungsvermögens ausschliesst (irreversible Betäubung).

Ausrichtung Micarna SA / Schlachtbetrieb AG St. Gallen (SBAG)

Aufgrund aller vorhandenen Daten haben wir von der Micarna SA uns für die aus unserer Sicht "humanste" Betäubung ausgerichtet. Wir haben uns für eine CO2-Anlage mit automatischem Gruppenzutrieb (Backloader) und direkter Gondeleinführung (ohne Zwischenhalt) in den CO2-See entschieden und diese in Courtepin eingebaut. Dieses System haben wir selber mit einem Konstrukteur entwickelt, das Patent haben wir nicht angemeldet, sodass diese Methode eigentlich allen zur Verfügung stünde.

Von den Erfahrungen konnten wir profitieren, anschliessend wurde die gleiche Anlage in der SBAG Bazenheid eingebaut. Somit sind wir weltweit die einzigen, die in Courtepin und Bazenheid diesen Schritt getätigt haben. Wir bereuen ihn nicht, eben: "Agieren ist besser als reagieren". (Text: Micarna)
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