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Beiträge im Archiv

20.6.2014 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Der letzte Gang der Tiere

Tierschutz-Tagungsrückblick in zwei Teilen. Teil 1: Tiertranporte und ein Kommentar von Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Fachbereich des Schweizer Tierschutz STS



Die Eier-, Milch- und Fleischerzeugung operiert gerne mit schönen Bildern von Kühen auf einer Blumenwiese oder Schweinen im tiefen Stroh. Hingegen wird der letzte Gang der Tiere, der Transport und die Schlachtung, nicht gerne thematisiert.


Kommentar von Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Fachbereich des Schweizer Tierschutz STS: Ob Fleischesser, Vegetarier oder Veganer: Unsere Ernährung hängt von der Haltung der Nutztiere ab. Sie liefern nicht nur Eier, Milch und Fleisch, sondern stellen in Form von Gülle und Mist für eine naturnahe Landwirtschaft unverzichtbare Düngemittel zur Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit zur Verfügung. Konsumenten und Medien bringen der Haltung von Nutztieren auf Bauernhöfen grosses Interesse entgegen.

Bauern haben in unserer Gesellschaft ein ausgezeichnetes Image. Unter den angesehensten Berufen folgt nach Feuerwehrleuten und Krankenschwestern schon bald der Bauer. Demgegenüber stehen Tiertransporteure, Viehhändler, Metzger und Schlachthofmitarbeiter nicht so hoch in der Gunst des Publikums. Denn sehr viele Menschen projizieren das, was letztendlich hinter jedem Produkt tierlicher Herkunft steht und keinen unberührt lässt, nämlich der Tod von Tieren für unsere Zwecke, auf diese Berufsgruppen.

Das ist diesen gegenüber zwar nicht fair aber eine Tatsache. Der Schweizer Tierschutz STS hat stets versucht, hinter diesen Berufsgruppen die Menschen zu sehen. Denn wie sie ihre Arbeit machen ist von grösster Bedeutung für das Tierwohl. Aus dieser Einsicht heraus hat der STS vor fast einem Vierteljahrhundert der Branche die Hand zur Zusammenarbeit gereicht.

Zusammen gründeten wir die Interessengemeinschaft für tierschutzkonforme Tiertransporte und Schlachthöfe (IGTTS). Auf freiwilliger, privatwirtschaftlicher Basis bildete diese IGTTS bis 2006 über 2'500 Transporteure, Viehhändler und Schlachthofmitarbeiter in Tierschutzkursen weiter. Der STS informierte via Medien die Bevölkerung über diese Anstrengungen aber auch über die Unterschiede zwischen dem In- und Ausland etwa bei Tiertransporten.

Letzteres war und ist uns wichtig, importiert die Schweiz doch erhebliche Mengen an Fleisch, Eiern und Milchprodukten. Doch im Unterschied zu Tierschutzproblemen hierzulande, die oft hohe mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, blendet die Schweiz ihr sonst ausgeprägtes Tier- und Umweltschutzbewusstsein ebenso wie ihre hohen Qualitätsansprüche an Lebensmittel bei Importherkünften gerne aus.

Auch heute, nachdem 2008 Tierschutzkurse für Transporteure und Schlachthof-Mitarbeiter gesetzliche Pflicht und der Branche überantwortet wurden, ist der Schweizer Tierschutz dabei. Da der STS im Auftrag von Migros und Coop sowie von Labelorganisationen wie IP-Suisse, Bio-Suisse und MutterkuhSchweiz Label-Tiertransporte und Schlachthöfe überwacht, können die in der Praxis auftretenden Tierschutzprobleme von den STS-Experten wieder in den Kursen behandelt werden. Dieses sinnvolle Feedback ist ein ausgezeichnetes System zur laufenden Qualitätsverbesserung.

Ich darf festhalten, dass dieses Kooperationsmodell weltweit einzigartig ist und sich der erwiesenermassen höhere Tierschutzstandard auf Schweizer Tiertransporten und in Schweizer Schlachthöfen auch darauf gründet. (Text: Referat von Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Fachbereich des Schweizer Tierschutz STS, anlässlich der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten)

www.foodaktuell.ch präsentiert Auszüge einiger Referate der STS-Tagung zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014:





Ethische Horizonterweiterungen im Umgang mit Tieren

Referat von Thomas Gröbly, Dozent für Ethik an der FHNW und Inhaber des Ethik-Labor, anlässlich der STS-Tagung "Der letzte Gang der Tiere" zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe, 12. Juni 2014 in Olten

Ethik ist die Frage nach dem guten Leben für alle. Da unklar ist, was mit „gut“ und mit „alle“ gemeint ist, braucht es Nachdenken und Diskussionen. Und das beginnt beim Fragen. Die so genannten „Nutz“tiere gehören dazu. Was wollen sie? Was bedeutet für sie ein gutes Leben? Was wünschen sie auf ihrem letzten Gang? Sie wollen sicher nicht leiden. Leiden vermeiden ist also die erste ethische (und auch juristische) Forderung. Und damit ist das „gute Leben“ bereits konkreter umschrieben.

Ziele der Ethik bestehen im Vermeiden von Leiden, im Fördern von Wohlbefinden, im Schutz der Würde der Tiere und in der Würde des Menschen. Diese Ziele erreichen wir mit Fragen stellen, auch wo alles eindeutig erscheint, mit Empathie, mit dem Ringen um Legitimität und natürlich mit entsprechendem Handeln. Dazu braucht es eine Horizonterweiterung. Was wir kennen und in der Routine automatisiert haben, erscheint uns als normal. Es entspricht dem eigenen Horizont und den uns bekannten Normen.

Aber woher kommen diese Normen des Normalen? Ich lerne sie bei der Bewältigung meiner Aufgaben, lerne sie als Lehrling und Mitarbeiter bei der Begleitung der Tiere auf dem letzten Gang. Beim Verladen und Transportieren. Unter ökonomischem Druck muss ich Zeit und Platz sparen und plötzlich kommen die Interessen der Tiere ins Hintertreffen. Was zweckmässig ist, muss noch nicht ethisch legitim sein.

Im Gegenteil. Zu schnell opfern wir die Wünsche der Tiere, ja ihre Würde und damit auch unsere Würde. Ethik verlangt, dass wir dieses Normale und Alltägliche, unsere Routinen und „effizienten“ Abläufe hinterfragen. Wird die Würde der Tiere respektiert? Wie geht es ihnen? Wie könnte ich noch mehr Leiden vermindern? Welche Alternativen gibt es? Warum sollen wir über unser Verhalten den Tieren gegenüber nachdenken?

Es gibt kein wertfreies Handeln! Ich handle immer aufgrund von Werten, meist bin ich mir dessen nicht bewusst. Erst wo Konflikte auftauchen, sei es mit meinem Gewissen oder mit anderen Personen beginnen wir über Werte nachzudenken. So geht es auch im Umgang mit Tieren. Warum werden viele jungen Teenagers Vegetarier? Weil sie sich betreffen lassen und realisieren, dass das was sie auf dem Teller haben, noch lebendig rumrennen könnte. Dass sie ein Lebewesen mit Augen verzehren.

Es gibt gute Argumente, weshalb das Töten von Tieren, solange wir Alternativen besitzen, nicht vertretbar ist. Diese Diskussionen sind wertvoll, sollen aber in diesem Rahmen nicht weiter verfolgt werden. Legitimität ist das Ziel. Sobald ich die Gesetze einhalte, ist etwas legal. Legitim ist ein Verhalten, das philosophisch begründet ist. Die Berufung auf Gesetze reicht also nicht. Ich liste einige Ausreden auf, um untaugliche Argumente aufzuzeigen.

• Das hat man schon immer so gemacht (Tradition)
• Ich kann nicht anders (Sachzwänge)
• Alles andere ist zu teuer (Geld)
• Alle anderen mache es auch so (Mehrheiten)
• Im freien Markt kann ich sonst nicht überleben (Markt)
• Wir Menschen sind intelligenter und mächtiger als die Tiere (Biologie)

„Legitimität entsteht da, wo ich in Übereinstimmung mit dem Willen von Betroffenen handle. Existentielle Bedürfnisse (basic needs) haben absoluten Vorrang vor nichtexistentiellen Bedürfnissen. Ob es heutige oder zukünftige Bedürfnisse sind, ist dabei nicht relevant. Für Lebewesen, die ihre Bedürfnisse nicht zum Ausdruck bringen können, sei es, weil sie Tiere, Kinder oder Lebewesen in der Zukunft sind, müssen wir uns als „AnwältInnen“ einsetzen“ .

Tiere fragen

Beim Befragen von Tieren tappen wir im Dunkeln. Es braucht viel Empathie und Einfühlungsvermögen, will ich erfahren was Tiere wollen. Einiges können wir erahnen oder von unseren eigenen Bedürfnissen ableiten. Gleichzeitig muss ich meinen Horizont ausweiten und zu meinen Überzeugungen auf Distanz gehen. Vielleicht ist es ganz anders? Wie soll ich mit dem Nichtwissen umgehen? Diese Unsicherheit verlangt Vorsicht. Im Zweifelsfall ist der Würde der Tiere den Vorrang zu geben. Vorsicht ist auch geboten wegen der grossen Machtasymmetrie zwischen Tier und Mensch. Unsere Macht verlangt Verantwortung.

Viele Werte stecken in der Sprache und werden mit Sprache vermittelt und gefestigt. Das läuft in der Regel unbewusst ab. Wenn wir von „Nutz“tieren reden, werden die Tier auf den Nutzen für uns Menschen reduziert. Uns käme es nie in den Sinn von einem Nutzmenschen zu schreiben, auch wenn der Begriff der Human Ressource in diese Richtung geht. Sehe ich nur den Nutzen droht die Gefahr der Instrumentalisierung. Ich mache Tiere zu einem Instrument und Mittel meiner Interessen. In der Tierethik ist das Instrumentalisierungsverbot von grosser Bedeutung.

Auch die Rede von Fleischproduktion geht in dieselbe Richtung. Produzieren ist eine Methode der Industrie für tote Materie. Ich kann eine Melkmaschine produzieren, aber keine Milch. Milch gibt eine Kuh dem Kalb, um es grosszuziehen. Es ist Kindernahrung. Mit den Begriffen wie Nutztiere oder Tierproduktion werden Werte geprägt. Tiere sind Sachen. Mittel für unsere Zwecke. Tiere werden zu Waren degradiert und können wie tote Dinge behandelt werden.

Menschen fragen

„Ethische Horizonterweiterungen im Umgang mit Tieren“ lautet die Überschrift. Ich muss also von Zeit zu Zeit aus meinen Routinen aussteigen und mich kritisch befragen. Ich schaue mein Handeln aus Sicht der Tiere an und frage: Würde ich als Tier gerne so behandelt werden, wie ich die Tiere behandle?

Die Horizonterweiterung hat aber noch eine weitere Dimension. Orientieren wir uns nur am Nutzen, bleiben wir unter unseren eigenen Möglichkeiten und verletzen unsere Würde und Humanität. Diese Horizontschrumpfung macht uns zu Schrumpfwesen, die in Kauf nehmen, die Würde der Tiere zu verletzen. Hier muss ich fragen: Wer will ich sein? Wen will ich im Spiegel antreffen? Will ich wirklich vermeidbare Leiden verursachen?

Ich möchte Sie ermuntern zu fragen. Andere und sie selber. Fragen Sie auch da, wo etwas selbstverständlich, gut, richtig, mehrheitsfähig erscheint. Und haben Sie auch den Mut Antworten zu geben und Position zu beziehen, auch wenn sie alleine sind. Antworten zu haben ist wichtig, entlastet aber niemals vor dem erneuten Fragen. Das ist kein Spiel im Elfenbeinturm, sondern der Würde der Tiere und unserer eigenen geschuldet.

Gesetzliche Tierschutz-Grundlagen zu Tiertransporten und Schlachthöfen

Referat von Dr med. vet. Fabien Loup, verantwortlich für den Schutz von Haus- und Wildtieren im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), anlässlich der STS-Tagung Der letzte Gang der Tiere zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten

Der Vortrag erläutert die in der schweizerischen Gesetzgebung festgeschriebenen Grundsätze des Tierschutzes, insbesondere beim Tiertransport und beim Schlachten: Der in Art. 4 des Tierschutzgesetzes (TSchG) beschriebene Grundsatz richtet sich an alle Personen, die direkt mit Tieren zu tun haben. Sie haben für ihr Wohlergehen zu sorgen und ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung zu tragen. Folglich müssen diese Grundsätze nicht nur bei der Tierhaltung, sondern auch im Rahmen aller anderen mit Tieren ausgeübten Tätigkeiten beachtet werden.

Der Tiertransport und das Schlachten sind insbesondere von Teil zwei des Art. 4 TSchG betroffen, da «[n]iemand [...] ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten» darf. Darüber hinaus ist das «Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren» verboten. Im Hinblick auf den Tiertransport und das Schlachten von Tieren müssen diese Anforderungen besondere Beachtung finden, denn die Arbeitsbedingungen sind oft schwierig, da im Zusammenhang mit dem Handel von Nutztieren tendenziell die Auffassung überwiegt, es handele sich um «einfache Ware», und der Eigenwert des Tieres an sich nicht anerkannt wird.

Zum Tiertransport legt Art. 15 TSchG dar, dass die Fahrzeit höchstens sechs Stunden betragen darf und der Transport vor allem schonend und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen ist.

Der Gesetzgeber wollte 2005 mit dem TSchG sowie 2008 mit der TSchV einen wichtigen Punkt aufgreifen: Die obligatorische Aus-, Weiter- und Fortbildung in der Tierhaltung für alle Personen, die gewerbsmässig Tiere transportieren oder aus anderen Gründen Tätigkeiten mit Tierkontakt ausüben. Diese Aus-, Weiter- und Fortbildungen werden in einer gesonderten Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern beschrieben, um so das Wohlergehen der transportierten Tiere vor dem Schlachten sicherzustellen.

Aber wie in vielen anderen Bereichen sind auch hier Kontrollen unerlässlich, um die Qualität und die Beachtung der Vorschriften sicherzustellen. Aus diesem Grunde sind die Amtstierärzte ständig präsent und haben u.a. die Aufgabe, die Ankunft der Tiere, das Entladen, ihre Unterbringung, ihre Betäubung und schliesslich ihre Tötung zu überwachen. Auch hier sind alle Aufgaben in spezifischen Verordnungen definiert, die auf der Grundlage des TSchG und der TSchV erstellt wurden. Der Vortrag greift die wichtigsten Punkte der geltenden Gesetzgebung auf. Diese kann im Internet auf der Seite des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) unter folgenden Links konsultiert werden:

Gesetzliche Grundlagen: http://www.blv.admin.ch/dokumentation/01013/01014/index.html?lang=de
Spezifische Informationen zu folgenden Themen: Tiertransport: http://www.blv.admin.ch/themen/tierschutz/04483/index.html?lang=de
Das Schlachten: http://www.blv.admin.ch/themen/03834/03844/03874/index.html?lang=de

Transportfähigkeit von Tieren

Referat von Dr. sc. agr. Aurelia Zimmermann, STS-Kompetenzzentrum für tierschutzkonforme Tiertransporte und Schlachthöfe, anlässlich der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten

Die Schweizer Gesetzgebung formuliert die Grundsätze, nach denen die Transportfähigkeit von Tieren beurteilt werden soll. Zentrale Punkte sind hierbei, dass die Tiere einen Transport „ohne Schaden“ überstehen sollen (TSchV Art. 155.1), kranke, verletzte, geschwächte, hochtragende oder sehr junge Tiere unter „besonderen Vorsichtsmassnahmen“ befördert werden müssen (TSchV Art. 155.2) und dass der Transport von verletzten oder kranken Tieren nur noch beim Tierarzt oder im Schlachthof enden darf (TSchV Art. 155.2). Die Gesetzgebung beinhaltet jedoch keine konkreten Beispiele. Zudem wird weder eine Nicht-Transportfähigkeit definiert noch werden Angaben gemacht, was unter „besonderen Vorsichtsmassnahmen“ zu verstehen ist.

In der Auslegung der Gesetzgebung durch die Vereinigung Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte (VSKT 2010) werden zwar einige Aspekte der Transportfähigkeit erläutert. Zum einen werden aber auch hier nur wenige konkrete Beispiele aufgeführt. Zum anderen geht uns die Auffassung, dass beispielsweise nicht gehfähige Grosstiere grundsätzlich transportfähig sind, aus Tierschutzsicht zu weit.

Die allgemein gehaltenen Formulierungen führen dazu, dass in der Praxis Tierhalter, Chauffeure und auch der kantonale Vollzug einen gewissen Interpretationsspielraum haben. Dieser wirkt sich unserer Erfahrung nach nicht immer zu Gunsten der Tiere aus. Der Schweizer Tierschutz setzt sich seit über 10 Jahren im Rahmen von Schulungen von Tiertransporteuren und der Kontrolle von Tiertransporten im Labelbereich mit dem Thema Transportfähigkeit von Tieren auseinander.

Die wenig konkreten rechtlichen Vorgaben haben dabei immer wieder zu Diskussionen geführt, wo genau die Grenze der Transportfähigkeit liegt. In welchem Zustand genau darf ein krankes oder verletztes Tier gar nicht mehr aufgeladen und transportiert werden? Die Meinungen darüber gingen weit auseinander.

Vor allem Tiertransporteure, die Schlachtvieh befördern, sind diesem Spannungsfeld ausgesetzt. So berichten Chauffeure von Tierhaltern, die aus ökonomischem Interesse offensichtlich nicht mehr transportfähige Tiere zur Abholung bereit stellen und darauf drängen, dass der Chauffeur diese mit in den Schlachthof fährt („nimm dä Serbel eifach mid, soscht bruchst mini Tier nümmä z`transportiere“). Zudem scheint der kantonale Vollzug nicht einheitlich. So sind Schlachtbetriebe bekannt, bei denen die Anlieferung einer lahmen Kuh bereits zu einer Anzeige durch den Amtstierarzt führt. Gleichzeitig weiss aber jeder Chauffeur, in welchem Schlachthof er Tiere in grenzwertigem Zustand anliefern kann, ohne Konsequenzen zu befürchten.

Kriterien der Transportfähigkeit STS

Um zumindest für die Labeltier-Transporteure Orientierung zu schaffen, hat der Kontrolldienst STS (2013) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Labelinhabern in einer privatrechtlichen Richtlinie „Transport von Gross- und Kleinvieh: Richtlinie für die Überwachung durch den Kontrolldienst des Schweizer Tierschutz STS gültig ab 1.1.2013“ versucht, die Transportfähigkeit genauer zu definieren. Folgende Punkte sind dabei zentral: Art. 3.5.1 „Es dürfen nur gehfähige Tiere verladen werden. Als gehfähig im Sinne dieser Richtlinie gelten Tiere, welche in der Lage sind, selbstständig und aus eigener Kraft das Transportfahrzeug zu besteigen.“

• Begründung: Als Fluchttiere sind unsere Nutztiere auf ihre Gehfähigkeit angewiesen. Kann ein Tier nicht mehr selbstständig aufstehen oder sich fortbewegen, liegen meist massive, schmerzhafte physiologische Probleme vor. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass beim Ver- und Entlad sowie durch die Bodenbewegungen während des Transports nicht-gehfähigen Tieren zusätzlich Schmerzen zugefügt werden. Art. 3.5.1 „Ausgenommen von dieser Regel sind Tiere, welche in das Transportfahrzeug getragen werden können und Tiere, welche mit einem Spezialfahrzeug zum Zweck der tierärztlichen Behandlung transportiert werden.“

• Begründung: Können junge oder kleine Tiere so in ein Transportfahrzeug getragen werden, dass ihnen keine zusätzlichen Schmerzen entstehen, ist eine möglichst kurze Beförderung mit angemessener Lagerung im Fahrzeug und Separation akzeptabel. Werden Tiere mit einem Spezialfahrzeug zur tierärztlichen Behandlung, meist in ein Tierspital, transportiert, garantiert in der Regel ausgewiesenes Fachpersonal die Betreuung der Tiere. Bei diesen Transporten handelt es sich meist um „wertvolle“ Tiere mit einem hohen Interesse an deren schonenden Transport.

Art. 3.5.2 „ Es dürfen keine Tiere mit erkennbaren schweren Verletzungen oder Gebrechen verladen werden. Dazu zählen Tiere mit Knochenbrüchen, Tiere mit grossen, tiefen Wunden, starken Blutungen, festliegende Tiere, Tiere mit Gebärmuttervorfall, solche mit grossen Mastdarmvorfällen (Mastdarmvorfälle bis ca. 5 cm sind tolerierbar, solange die Schleimhaut noch einigermassen rosa bis rot ist), Tiere mit offensichtlichem, stark gestörten Allgemeinbefinden und neugeborenen Tiere mit offener Nabelwunde. Ausgenommen sind Tiere, welche mit einem Spezialfahrzeug zum Zweck der tierärztlichen Behandlung transportiert werden.“

• Begründung: ◦ Knochenbrüche sind schmerzhaft, Bewegung kann den Schmerz massiv verstärken. Bei Knochenbrüche an den Extremitäten kann in der Regel das betroffene Bein nicht schmerzfrei belastet werden. Dies führt sowohl bei der Fortbewegung als auch beim Ausbalancieren im Fahrzeug während der Fahrt zu Schmerzen, wenn das Bein bewegt oder sogar gezwungenermassen belastet wird.

◦ Grosse, tiefe Wunden sind schmerzhaft, Bewegung kann den Schmerz steigern. Zudem können sich Wunden weiter eröffnen und unkontrolliert bluten. Hat das Tier durch eine Wunde viel Blut verloren, kann dies den Kreislauf schwächen. Zusammen mit dem Transportstress besteht dann ein erhöhtes Risiko zu kollabieren.
◦ Festliegende Tiere sind nicht gehfähig, Begründung siehe oben.
◦ Organvorfälle: Eine heraustretende Gebärmutter oder andere Organvorfälle können während des Transportes verletzt werden (z.B. Aufkratzen oder Hängenbleiben an Fahrzeugwand), was zu starken Blutungen und zu einer Verschlechterung des Zustandes während der Fahrt führen kann. Ist ein Mastdarmteil nicht mehr durchblutet, besteht akute Lebensgefahr für die Tiere.

◦ Zu den Tieren mit offensichtlichem, stark gestörten Allgemeinbefinden zählen erkrankte und/oder extrem abgemagerte Tiere. Tiere mit hohem Fieber, schweren Infekten und Kreislaufschwächen sowie abgemagerten, erschöpften Tieren sollte kein zusätzlicher Stress durch einen Transport zugemutet werden.

◦ Neugeborene Tiere mit offener Nabelwunde haben einen schwachen Immunstatus und sollten daher nicht zusätzlichen Belastungen ausgesetzt werden. Mit dem Zusatz „erkennbare“ Verletzungen oder Gebrechen wird berücksichtigt, dass ein Chauffeur nicht alles bemerken kann. Hat ein Tier beispielsweise innere Verletzungen, die der Tierhalter nicht deklariert, ist dem Chauffeur kein Vorwurf zu machen. Hier liegt die Verantwortung klar beim Halter des Tieres.

Vor allem beim Laden von Schlachttieren sind die Umstände oftmals erschwert, werden diese Tiere überwiegend nachts und oft unter Zeitdruck geladen. Wir bitten in diesem Zusammenhang auch die Tierhalter, gemeinsam mit den Chauffeuren die Tiere beim Laden möglichst sorgfältig zu beobachten. Art. 3.5.3 „Mässig oder leicht verletzte, kranke, geschwächte, hochträchtige Tiere, von Eltern abhängige Jungtiere dürfen nur unter besonderen Vorsichtsmassnahmen transportiert werden“

• Begründung: Sind nur moderate Anzeichen von Schmerz, leicht gestörtes Allgemeinbefinden oder mässige Schwäche zu erkennen, müssen je nach Situation Massnahmen ergriffen werden, die einen Transport ohne weiteren Schaden für das Tier ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Erleichterungen zum Betreten/Verlassen des Fahrzeugs (Hebevorrichtungen), Stützen oder ein weicher, verformbarer Untergrund. Wichtig ist auch, dass beeinträchtigte Tiere nicht von Artgenossen belästigt werden können, eine separate Unterbringung ist meist zwingend nötig.

Art. 3.5.4: „Bei zweifelhaften Fällen nimmt der Chauffeur solche Tiere nur dann mit, wenn der Tierhalter ein schriftliches Attest eines Tierarztes vorlegen kann, welches die Transportfähigkeit bescheinigt: z.B. Tiere mit gestörter Reaktion auf die Umwelt, Tiere mit schweren Euter- oder Lungenentzündungen, Durchfallerkrankungen, sehr stark abgemagerte Tiere, Tiere mit Hornabriss“

• Begründung: Ein Tierarzt kann objektiv Anzeichen von Schmerz, Stress oder sonstigen Belastungen erkennen und beurteilen. Das Herbeiziehen eines Tierarztes bringt nicht nur dem Tier eine sachliche, tierbezogene Beurteilung, sondern entlastet auch Tierhalter und Chauffeur. Bescheinigt ein Tierarzt die Transportfähigkeit, können sowohl der Tierhalter als auch der Chauffeur rechtlich die Verantwortung abgeben.

Geflügel- / Kaninchentransport

Grundsätzlich sollten für Geflügel und Kaninchen die gleichen Kriterien zur Transportfähigkeit gelten. Für diese Tierkategorien wird zurzeit beim Kontrolldienst STS an verbesserten Beurteilungskriterien gearbeitet. Da sich jedoch Geflügel und Kaninchen in der Regel nicht selbstständig auf ein Transportfahrzeug bewegen müssen, sondern von Packern, oftmals im Dunklen, in Transportbehälter verbracht werden, sind Faktoren wie Gehfähigkeit, Verletzungen und der Allgemeinzustand schlecht erkennbar. Es ist anzunehmen, dass eigentlich nicht transportfähige Tiere unbemerkt in die Behälter gelangen. Und es ist wahrscheinlich, dass solche Tiere, insbesondere jene mit massiven Beinproblemen, während des Transportes auf den üblichen glatten Behälterböden zusätzliche Schmerzen erleiden.


Für Transporte mit Labeltieren sind die oben ausgeführten Kriterien zur Beurteilung der Transportfähigkeit privatrechtlich verbindlich. Aus Tierschutzsicht wären jedoch konkretere Vorschriften für alle Tiere, unabhängig von ihrem Vermarktungsstatus, wünschenswert. Besonders die Grenzen, wonach einem verletzten oder kranken Tier ein Transport im Sinne des TSchG Art. 4.2 („Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen...“) gar nicht mehr zuzumuten ist, sollten praxistauglich und verbindlich festgelegt werden.

In der Europäischen Verordnung EG 1/2005 Anh. I Kap. I werden zumindest einige wenige Fälle aufgelistet, nach denen Tiere als nicht transportfähig gelten. Als gute und praxistaugliche Hilfe erachten wir den von verschiedenen europäischen NGOs erstellten „Praxis-Leitfaden zur Bestimmung der Transportfähigkeit von adulten Rindern“ (Eurogroup for Animals et al. 2012). Mit diesem wird anhand von vielen Fotos aus der Transportpraxis und klaren Beurteilungen den Tierhaltern und Chauffeuren eine brauchbare Entscheidungshilfe geboten. Von der gleichen Arbeitsgruppe sind Leitfäden für die Transportfähigkeit von Schweine und Equiden in Vorbereitung. Anleitungen wie diese könnten allen involvierten Personen und den Tieren nützen.

Quellenangaben:
TSchG: Tierschutzgesetz SR 455. Vom 16.12.2005.
TSchV: Tierschutzverordnung SR 455.1. Vom 23.4.2008, Stand am 1.Mai 2014.
VSKT (2010): Allgemeine Tiertransport Vorschriften. Für Huf- und Klauentiere sowie Geflügel. Der Vereinigung Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte (VSKT).
Zusammenstellung der gesetzlichen Grundlagen mit Erläuterungen.
Kontrolldienst STS (2013): „Transport von Gross- und Kleinvieh: Richtlinie für die
Überwachung durch den Kontrolldienst des Schweizer Tierschutz, gültig ab 1.1.2013“ (EG) 1/2005: Verordnung (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport. 22. Dezember 2004
Eurogroup for Animals, UECBV, Animals`Angels, ELT, FVE, IRU (2012): Praxis-Leitfaden zur Bestimmung der Transportfähigkeit von adulten Rindern.

Verhalten verstehen – zum Nutzen von Mensch und Tier

Christian Manser, Dipl. Ing. Agronom ETH, Landw. Zentrum St.Gallen, Flawil, anlässlich der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten

Tiere haben ein Recht auf ein schmerz- und stressfreies Leben; und dies auch an ihrem letzten Lebenstag. Je mehr die Betreuungspersonen über Rinder und deren Verhalten wissen, umso angenehmer, tiergerechter und sicherer ist die Zusammenarbeit.

Das Rind ist ein Herdentier, ein Beutetier und ein Lichtgänger. Diese Erkenntnisse gilt es im Umgang mit Rindvieh sinnvoll zu nutzen. Wenn durch die optimale Haltung die Anforderungen der Tiere erfüllt sind, dann mag die Kuh regelmässige Tagesabläufe, eine gleichbleibende Futterration sowie konstante Herden- und Aufstallungsbedingungen. Abwechslung und immer wieder Unruhe oder gar Hetze im Stall mögen Kühe nicht. Im Gegenteil: Gelangweilte Kühe sind aus verschiedenen Gründen sogar gesünder.

Schon geringe Änderungen im gewohnten Tagesrhythmus (Stress des Tierhalters, Schmerz, Hunger, Durst, Trennung von der Herde oder vom Kalb) können die Tiere irritieren. Eine neue Umgebung oder eine neue Herde verunsichern die Tiere. So sind auch das Verladen und der Transport im LKW für viele Rinder neue Erfahrungen. Beim Transport erlebt die unerfahrene Kuh oft unbekannte Menschen, neue Geräusche, andere Gerüche und fremde Artgenossen.

Im Umgang mit Rindern zeigt sich, dass ihre Fluchtzone (Grösse der Sicherheitszone) abhängt von der Zahmheit der Tiere. Dabei spielen vor allem die Häufigkeit des Kontaktes mit Menschen, die Qualität des Kontaktes mit Menschen und auch das Erbgut eine Rolle.

Kühe sehen Farben und sie sehen in der Nacht gar besser als der Mensch. Eine besondere Einschränkung für das Rind ist aber, dass die Anpassung der Pupille an wechselnde Lichtverhältnisse rund zehn Mal länger dauert als beim Menschen. Das heisst, dass ein Wechsel von hell nach dunkel und umgekehrt gut und gern 20 bis 30 Sekunden Zeit beansprucht, bis Rinder die Umgebung wieder klar wahrnehmen können.

Ändernde Lichtverhältnisse sind für Rinder eine besondere Herausforderung. Kühe gehen gerne von dunkel zu hell. Sie sehen rund 300°, sind aber „hinten blind“. Es ist für Kühe wertvoll, wenn sie stillstehen und den Kopf tief halten können/dürfen. Dabei haben sie die beste Sicht auf den Boden und sie können so ihre Umgebung am einfachsten erfassen. Es ist gerade auch aufgrund dieser Eigenschaften ratsam, immer wieder zu versuchen, die Umgebung durch die Augen einer Kuh zu sehen. So können Gitterroste oder bereits auch Ringe von Schachtdeckeln und Wasserlachen auf dem Boden die Tiere beim Gehen verunsichern. Flatternde Kunststoffstücke, an der Wand stehende Geräte, aus der Wand hervorstehende Wasserhähnen und Schläuche stellen ein ernstzunehmendes optisches Hindernis für Rindviecher dar.

Auffallend sind bei Rindern die grossen, reflexartig beweglichen Ohrmuscheln mit dem art- typischen Ohrenspiel. Ohren anlegen heisst nicht, dass ein Tier droht. Die Ohren anzulegen heisst für eine Kuh vielmehr, besser sehen, was hinter ihr passiert. Kühe hören hohe Töne sehr gut (8000 Hz). Hohe Töne sind in der Natur Alarmzeichen (pfeifen, schreien). Was Kühe nicht mögen, sind Geräusche von Barrieren oder Ketten, die aneinanderschlagen, laute und schrille Schreie, neue, unbekannte Stimmen und zudem das Gebrüll eines erschrockenen Rindes. Dies und auch die hohen Töne bedeuten Gefahr und lösen Alarmverhalten bei der ganzen Herde aus.

Ein gelassener Umgang in leiser Umgebung wirkt beruhigend auf die Tiere. „Man muss immer mehr Zeit haben als die Kühe.“ Gerade bei Routineabläufen wie dem Verlad, auf dem Transport und beim Handling auf dem Schlachthof scheinen Zeit und Geduld oft nicht vorhanden zu sein. Im Umgang mit Rindvieh geschultes Personal kennt dessen Verhalten und weiss, wie man sich dies zu Nutzen macht. So machen schnelle Bewegungen und laute Rufe nicht nur keinen Sinn, sondern sie erschweren die Arbeit der Transporteure und des Schlachthofpersonals. Die Abläufe werden nicht nur komplizierter und zeitintensiver, sie werden auch gefährlicher.

Die Herkunft und Lebensgeschichte der Tiere ist dem Personal oft nicht bekannt und umso schwieriger ist es, mit diesen ideal zusammenzuarbeiten. Tiere sind aggressiver, wenn sie unsachgemäss gehalten oder geplagt wurden oder wenn zu viele Tiere in einer Gruppe zusammen sind. Ebenso werden die Tiere unruhig, wenn sie wenig Platz haben (fehlende Fluchtzone).Wenn ein Herdentier isoliert und ohne Sichtkontakt zur Herde aufgestallt wird, kann dies zu einer Eskalation führen. Dies kann passieren, wenn kranke oder verletzte Tiere von der Gruppe getrennt in separate Räume verbracht werden.

Gerade die Annäherung an eine Kuh kann unterschiedlich erfolgreich sein. Bei harschem Herantreten und überraschtem Rufen kann ein Tier schnell einmal hektisch reagieren, ausrutschen und stürzen. Ruhe und Sicherheit für Mensch und Tier hängen stark von der ersten Kontaktaufnahme ab. Ein Tier welches einmal stark erregt wurde, braucht rund 20 Minuten um in den Ruhezustand zurück zu kommen. Wer hat so viel Zeit? Tiere also nicht erschrecken, den Tieren nie direkt in die Augen schauen oder allenfalls auch einmal rückwärts auf das Tier zugehen hilft, nicht unnötig Druck auf dessen Bewegungszone auszuüben. Schon ein unvermitteltes Betreten der Wahrnehmungs- und Druckzone kann bei ängstlichen Tieren Panik auslösen. Es kann bei Eingriffen am Tier auch helfen, die Augen der Kuh abzudecken.

Die Sicherheit für Tierhalter, Transporteure und Schlachthofpersonal wird verbessert, wenn dafür gesorgt wird, dass der Boden griffig ist. Der ruhige Umgang mit viel Geduld und das geschickte Arbeiten (Druckaufbau/Druckabbau) beim Treiben, animieren die Tiere, in ihrem gewohnten Tempo zu gehen und nicht zu rennen. Reden ist Silber, schweigen ist Gold. Haben mich die Kühe erst einmal wahrgenommen, ist es beim Treiben nicht mehr nötig mit ihnen zu reden. Im Gegenteil - bei schlechten Abläufen wird aus dem Reden schnell einmal Gebrüll. Für Mensch und Tier ist dies unangenehm.

Auch ein Schwenken der Arme hilft nicht. Die Tiere sehen den Treiber dadurch nicht besser, es irritiert sie nur. Ein Sack oder ein Stofftuch am Ende eines Stocks reichen oft schon aus, so viel Druck aufzubauen, dass sich die Tiere in Bewegung setzen. Der Balancepunkt der Tiere muss stets respektiert werden. Da das Tier den Treiber immer seitlich im Auge haben will, funktionieren Kurven besser als gerade Gänge. In freier Natur bewegen sich geängstigte Tiere immer auch im Halbkreis um den Menschen herum und dies manchmal in sehr grosser Entfernung. Gerade scheue Tiere gehen besser bei bis oben geschlossenen Treibgangwänden.

Die Sicherheit kann verbessert werden, wenn das Tier an den Menschen gewöhnt wurde. Ein ruhiger Umgang im Stall und beim Auf- und Abladen hilft. Zudem sind Tiere, die im Stall laut Radio hören, besser bekannt mit unterschiedlichen Geräuschen in unbekannter Umgebung und bleiben entsprechend ruhiger. Erfahrungsgemäss bewegen sich Tiere aus Laufställen mit Auslauf im Freien zügiger. Sie sind sich gewohnt an Übergänge hell/dunkel und haben mehr Erfahrung im Umgang mit unterschiedlich gestalteten Böden und scheinbaren Hindernissen.

Für die Sicherheit des Personals sorgen Mannstore/Mannsschlupf (max. 40 cm breit), ein griffiger Boden, 2m hohe Gatter, Gummidämpfer (verhindern Lärm), gute Lichtverhältnisse (hell), gut betreute Anlagen ohne vorstehende Teile und ein Einbahnsystem.

Es soll sich kein Material an der Wand oder auf dem Boden befinden. Lärmen schadet. Besser ist es gar nicht zu reden oder falls nicht anders möglich nur ruhig zu reden. Schlecht erzogene und gelangweilte Hunde haben im Bereich der Rinder nichts verloren. Spiegelnde Flächen, ein Blenden oder auch Schattenwurf auf der Lauffläche sollte vermieden werden. Der Verladeplatz sowie das Transportfahrzeug müssen gut vorbereitet sein. Wertvoll ist es daher immer wieder, die Anlagen abzulaufen und auf Augenhöhe der Kuh anzuschauen.

Eine Gesellschaft die Fleisch essen will, muss Tiere töten. Töten ist ein notwendiges Übel und nichts Schönes. Jedes Tier hat aber das Recht, auch seine letzten Lebensstunden in Würde zu verbringen. Einen noch grösseren und wesentlich bedeutungsvolleren Einfluss auf das Wohl der Tiere hat aber schon rein quantitativ die Zeit, die es sein ganzes Leben lang auf dem Heimbetrieb verbringt. Gerade auch um diese Situation permanent zu optimieren, setze ich mich, auch wenn es abgedroschen tönen mag, mit viel Leidenschaft für glückliche und gesunde Tiere ein. Indem ich den Landwirten helfe, die Kuhsignale (Körpersprache der Kühe) bewusst wahrzunehmen, helfe ich ihnen, ihre Tiere besser zu verstehen und das Leben ihrer Kühe durch oftmals nur kleine Anpassungen zu verbessern. Gesunde und glückliche Kühe machen letztlich auch die Bauern glücklich.
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