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1.11.2013 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Wen interessiert die Ebermast?



Seit männliche Ferkel nur noch unter Narkose kastriert werden, fehlt der Druck, um nach Alternativen zu suchen. Die Ebermast ist für die Fleischbranche vorerst kein Thema mehr.



Ferkel kastrieren unter Narkose


Die Tierhaltung wird laufend optimiert. Trotzdem hat man es bis heute nicht geschafft, Eber zu mästen, die garantiert nicht stinken. Geruch kommt zwar nur beim Erhitzen vom Fleisch männlicher Schweine vor. Dafür ist der Eindruck umso bleibender, und abstossender. Für Ruedi Hadorn, den Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverbandes (SFF), ist klar: "Wir wollen die Konsumenten nicht vom Schweinefleischkonsum abhalten, sondern zum Genuss animieren." Deshalb werden keine "ganzen" Eber gemästet, sondern sämtliche männlichen Ferkel kastriert.

In der Schweiz sind das pro Jahr 1,3 Millionen Tiere, in der EU 100 Millionen. Wobei die operative Entfernung der Hoden für die europäischen Ferkel seit ein paar Jahren deutlich schmerzhafter ist als in der Schweiz. Hadorn: "Die Schweiz ist neben Norwegen das einzige Land, in dem die Kastration unter Schmerzausschaltung durchgeführt wird."

Die Betäubung ist nicht gratis. Die Ferkelproduzenten haben fünfzehn Millionen Franken in Narkosegeräte investiert. Schweinezucht-Experte Henning Luther von der Suisag erklärt das eigentliche Dilemma: "Wegen fünf bis zehn Prozent Eber, die möglicherweise stinken, müssen wir hundert Prozent der männlichen Tiere kastrieren." Gemessen am Wert aller Schlachtschweine fallen die Kosten zwar nur mit einem halben Prozent ins Gewicht.

Doch wenn man Eber mästen würde, könnte man nicht nur die Kastrationskosten von jährlich fünf Millionen Franken sparen, sondern hätte auch noch eine bessere Futterverwertung. Luther: "Eber brauchen rund 15 Kilo weniger Futter als Kastraten bis sie schlachtreif sind." Das dürfte denn auch der Hauptgrund sein, weshalb einige umliegende Länder auf Ebermast setzen wollen, sobald die betäubungslose Kastration in der EU verboten wird. Und das ist ab 2019 der Fall.

Das Restrisiko wird teuer

Die Ebermast ist technisch machbar. Das Fleisch dieser Jungeber gibt es seit 2009 sogar im Handel. Allerdings in kleiner Zahl und ohne dass es die Konsumenten merken. Die Pilotversuche auf mehreren Naturafarm-Betrieben werden von Coop finanziert. Natürlich hat der Grossverteiler kein Interesse, seinen Kunden Stinkerfleisch aufzutischen. Deshalb wird das Fleisch eines jeden Jungebers vor dem Verkauf einer Kochprobe unterzogen.

Coop-Mediensprecher Ramon Gander: "Der Anteil, der von den Amtstierärzten als geruchsauffällig taxierten Ebern bewegt sich zwischen fünf und acht Prozent." Mehrere tausend Jungeber waren geruchsneutral. Sie wurden in den letzten Jahren ganz normal über das Naturafarm-Programm von Coop vermarktet.

Die geruchsbelasteten Eber stellt Coop dem Viehhändler zur Verfügung. Im Rahmen des Projektes erhält der Produzent dennoch eine Entschädigung dafür, die dem Betrag entspricht, den er auch für geruchsneutrale Eber erhält. Gander geht aber nicht so weit zu sagen, dass der Ebermast die Zukunft gehört: "Die Umsetzung einer flächendeckenden Ebermast wird erst nach Abschluss des Projektes beurteilt."

Das Restrisiko ist gross. Die Zucht macht zwar Fortschritte in Richtung "geruchsarme Tiere", bislang kann aber niemand garantieren, dass alle Tiere frei von Geruch sind. Solange es sich nur um wenige Schlachttiere handelt, können die "Stinker" von sensiblen Personen einigermassen zuverlässig entdeckt werden. Doch bei grossen Stückzahlen im Schlachthof funktioniert das nicht mehr. Luther: "Und ich glaube nicht, dass in den nächsten zehn Jahren eine zuverlässige elektronische Nase zur Verfügung steht."

Dazu kommt, dass die Vermarktung des geruchsbelasteten Fleischs verhältnismässig teuer ist. Schliesslich fallen dabei nicht nur Schinken oder Wurstfleisch an, sondern auch wertvolle Teilstücke wie Nierstück oder Kotelett – die dann zu weniger wertschöpfungsstarken Produkten verarbeitet werden müssen. Und last but not least, braucht es auch noch Konsumenten, die Eberfleisch kaufen.

Keine Wahl für die Konsumenten

Michel Rudin, der Geschäftsführer des Konsumentenforums kf, hat in dieser Beziehung wenig Angst: "Es gibt sicher ein Potential von Leuten, die ganz bewusst Eberfleisch kaufen wollen. Die müssten wir ansprechen." Das kann er aber erst, wenn überall Eberfleisch erhältlich ist. Vorerst ist die Wahlfreiheit der Konsumenten eingeschränkt. Nur wenige Metzgereien, die meistens mit KAG freiland zusammenarbeiten bieten überhaupt Eberfleischprodukte an.



Eber


Bei Migros ist Eberfleisch derzeit kein Thema, wie Migros-Mediensprecherin Monika Weibel erklärt: "Die Arbeiten aus dem Projekt ‚Pro Schwein' zeigten uns, dass der Kunde nicht bereit ist, geruchsanfälliges Fleisch zu kaufen. Und die Anteile an Schlachtschweinen, welche Gerüche aufweisen, sind noch viel zu hoch."

Aus ihrer Sicht wird die Ebermast nur Erfolg haben, wenn mehrere Faktoren erfüllt sind. So müssten z.B. die Bauern über die richtige Genetik, und das Know-how zum Einfluss von Management und Fütterung auf die Geruchsbildung verfügen. Die Schlachthöfe müssten die geruchsauffälligen Tiere zuverlässig erkennen, und für die ausgesonderten Tiere bräuchte es Verwertungsmöglichkeiten. Wobei klar ist, dass die Migros dabei eine "finanzielle Mitbeteiligung der Bauern" erwartet. Weibel: "Und der Kunde muss bereit sein, für eine entsprechende Produktion mit Mehrkosten einen höheren Preis zu bezahlen."

Somit ist klar: Am Markt gibt es keinen Sog, und vom Tierschutz her gibt es keinen Druck. Und dass die EU die Schweiz in Sachen Ebermast irgendwann einmal überholt, hält man in der Fleischbranche für unwahrscheinlich. Hadorn: "Wir sind erst mal gespannt, was passiert, wenn die EU 2019 aus der betäubungslosen Kastration aussteigt."

Luther stellt fest: "Die Euphorie für die Ebermast hat sich auch im Ausland abgeflacht." Entsprechend gering ist das Interesse Geld und Zeit in die Erforschung von Züchtung, Haltungsformen oder Fütterungsmethoden zu investieren, die möglicherweise einen grossen Einfluss auf die Geruchsbildung haben. Die Ebermast ist derzeit höchstens für die Eber ein Thema. (Text: LID. Bilder zvg)

Weiterlesen: Ebermast: Blick über die Grenze
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