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24.7.2015 - Rubrik: Gastronomie
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Nose to Tail als sinnvolles Gastro-Konzept

In der Schweiz entdecken immer mehr Gourmetrestaurants das «Nose to Tail»-Konzept: Die Tierverwertung «von der Nase bis zum Schwanz» für die menschliche Ernähung. Die Gastronomie ist in der Tat dazu prädestiniert: sie erzielt mehr Wertschöpfung bei währschaften Komponenten, und Profiköche besitzen mehr Knowhow für deren Zubereitung als Hobbyköche, die den Aufwand zum langen Schmoren oft scheuen.



Kein Edelstück aber eines mit vielen Liebhabern ist die Schweinshaxe – trotz oder gerade wegen des Knochens. Vorgekocht auch zum Grillieren geeignet.


Knochen, Haut und Schwarte sind heute bei den Gästen oft unerwünscht, vor allem kleine Knochen wie bei Poulet und Kaninchen. Pouletbrüste sind mit Abstand am meisten gefragt, Pouletschenkel und -flügeli hingegen weniger. Aber eine Sau hat auch Füsse, Innereien, Fett und Blut, einen Schwanz und einen Kopf mit Ohren, Schnörrli und Zunge. Das alles ist essbar, wird aber hierzulande meistens links liegengelassen. Ungeniessbar sind nur Borsten, Klauen und der Mageninhalt. Chinesen und die Bevölkerungen in Entwicklungsländern dagegen mögen Schweinefüsse, Öhrli und Schwänzli. In Schwarzafrika findet man knochenloses Fleisch oft langweilig.

Aber viele Gastroköche denken primär an Edelstücke, weil sie davon ausgehen, dass ihre Gäste genau diese wollen. Und weil deren Zubereitung einfacher ist und der Verkaufserfolg garantiert. Aber es gibt auch andere, welche einen hohen Verwertungsgrad des Tieres zum Konzept machen. Und Fleischproduzenten, die selber schlachten, verkaufen meistens Mischpakete, damit sie nicht auf den Schmorstücken sitzen bleiben.

Proviande gründete ein Projekt namens «Nose to Tail», das die integrale Verwertung der Schlachttiere anstrebt. «Als wertvolles Lebensmittel soll Fleisch zum grösstmöglichen Teil dem menschlichen Konsum (Food) dienen und so wenig wie möglich als Tierfutter (Feed) oder Energierohstoff (Energy) eingesetzt werden. Demnach gilt das für den menschlichen Konsum bestimmte Fleisch, welches jedoch als Feed oder Energy endet, auch als Fleischverlust. Die optimal mögliche Verwertung als Lebensmittel wird dabei angestrebt» ist auf der Proviandewebsite zu lesen.


Leberli, vor allem vom Kalb, haben viele Fans. Sie besitzen einen markanten Eigengeschmack und einen festen aber mürben Biss. Die meisten andern Innereien schmecken dezent, haben aber einen ungewohnten geléeartigen Biss.


Das Projekt wird vom Bundesamt für Landwirtschaft im Rahmen der Förderung der Qualität und Nachhaltigkeit in der Land- und Ernährungswirtschaft unterstützt. «Nose to Tail» bezweckt also eine Aufwertung der heute deklassierten Nebenprodukte für die menschliche Ernährung. Oder einen höheren Anteil der kulinarischen Nutzung dort, wo beide Nutzungsformen vorkommen.

Nose to Tail in der Praxis

Die heutige ausgedehnte Nutztierhaltung als Folge der weltweit hohen Fleisch- und Milchprodukte-Nachfrage steht seit einigen Jahren ökologisch in der Kritik, daher ist es nötig und sinnvoll, die Tierkörper so vollständig wie möglich für die menschliche Ernährung zu nutzen. Nur Edelstücke herauszuschneiden und den Rest als Food Waste zu behandel - krass gesagt - ist ausserdem unethisch.

Gastronomen, Metzgereien und einige Supermärkte entdecken daher das «Nose to Tail»-Konzept als ein Teilziel ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und dies mit einer angenehmen ökonomischen Nebenwirkung. Essbare Komponenten sollten in der Tat gegessen und nicht entsorgt werden, auch wenn ihre Zubereitung mehr Knowhow und Aufwand bedeutet. Samuel Zaugg, Gastrofachmann bei Proviande ist sich sicher: «Mit der Technik des Niedergarens, ob konventionell oder Sous-Vide, ist die Zubereitung währschafter Stücke nicht aufwändig, und der Koch kann sich mit solchen Spezialitäten profilieren».



Schweineöhrchen auf kreative Art vom englischen Gourmetkoch und Buchautor Fergus Henderson.


Ebenso bei Metzgereien: Im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie setzt sich z.B. die Micarna-Gruppe messbare Ziele. «Einerseits wollen wir die Lebensmittelverluste bis 2020 um 15% senken und andererseits eine möglichst hochwertige Nutzung aller Nebenprodukte anstreben», sagt Christina Marschall, Leiterin Nachhaltigkeit der Micarna-Gruppe. «Lebensmittelverluste konnten wir dank unterschiedlicher Anstrengungen vermindern und die Wertigkeit von weniger nachgefragten Stücken dank innovativen Artikeln erhöhen».

Ein Beispiel: Im Geflügelbereich wird heute mit Abstand am stärksten die Pouletbrust nachgefragt, weniger jedoch Pouletschenkel oder Pouletflügeli. Deren hochwertiges Fleisch wird heute über innovative und sehr beliebte Produkte wie Geflügel-Rollbraten, -hackbraten und -wurstwaren veredelt. Beim Schwein werden die Brüste zu Speck verarbeitet, der Stotzen zu Schinken und Abschnitte zu Würsten. Es besteht aber auch eine grosse Nachfrage nach Schweinfüssen, -schwänzen und Innereien wie Leber, welche heute auf den Exportmärkten zu guten Preisen als Lebensmittel verkauft werden. Man findet diese aber auch in den Regalen der grösseren Migrosfilialen.

«Priorität hat für uns eine möglichst hohe Verwertungsquote aller Fleischstücke als Lebensmittel», so Marschall. «Für tierische Nutzprodukte, bei denen entweder keine Möglichkeit zur Verwertung als Lebensmittel oder keine Nachfrage besteht, wird eine möglichst hochwertige Verwertung gesucht nach dem Prinzip «Food oder Pharma – Feed – Energy».



In weniger industrialisierten Ländern gehören währschafte Stücke zum Alltag. In Brasilien sogar ins Nationalgericht Feijoada.


Auch die Micarna-Tocher Mérat, spezialisiert als Gastro-Lieferant, engagiert sich und gründete eine Arbeitsgruppe zur Förderung des Konzepts „Nose to tail“. Ein Beispiel eines schon erfolgreich umgesetzten Projektes ist das sogenannte SCB-Beef: Der Mérat-Kunde Sport-Gastro AG kauft ganze Tiere vom Bauer Lukas May, zerlegt diese sogar selbst bei der Mérat & Cie. AG in Bern und verarbeitet alle Teile: die Edelstücke verwendet das Berner Restaurant «The Beef Steakhouse», aus den restlichen werden preiswerten Mittagsmenüs zubereitet. «Nach unserer Erfahrung haben Gastronomen, die «Nose to Tail» gut umsetzen, ein sehr grosses Potenzial», betont Marschall.

Der Markt für essbare Tiernebenprodukte war in der Schweiz vor fünfzig Jahren noch gross, ist aber heute nur noch eine Nische, auch wenn die traditionelle „Metzgete“ «eingefleischte» Liebhaber besitzt. Innereien haben ein Akzeptanz- und Imageproblem, nicht zuletzt wegen dem Cholesterin-Hype. Ausserdem sind die mageren Pouletbrüste ohne Haut preiswert, beliebt und einfach zuzubereiten.

Nebenprodukte, die sich nicht verwursten, exportieren oder anderweitig verkaufen lassen - zum Beispiel an Pharmafirmen, landen bei Centravo in Lyss. Die Firma im Dienste der Metzgerschaft sammelt pro Jahr 180’000 Tonnen Schlachtnebenprodukte ein. Zum Vergleich: Dieser Menge stehen rund 340’000 Tonnen an verkaufsfertigem Fleisch gegenüber.

Weiterlesen:
CCA-Fachmagazin «Genuss mit gutem Gewissen»
Buchtipp: Vom Schnörrli bis zum Schwänzli. Von Fergus Henderson, auf Deutsch
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