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Beiträge im Archiv

4.7.2014 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Korrekte Betäubung bei Nutztieren

Einige Referate der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten.




Referat von Dr. Karen von Holleben, Beratungs- und Schulungsinstitut (bsi) für Tierschutz bei Transport und Schlachtung, D-Schwarzenbek, anlässlich der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten.


Symptome einer guten Betäubung müssen ebenso wie Symptome von Fehlbetäubungen in Abhängigkeit von der Tierart, vom Zeitpunkt während oder nach der Betäubung bzw. Entblutung, von der Betäubungsmethode und auch vom Betäubungssystem (Umsetzung der Methode) bewertet werden. So sind z.B. nach elektrischer Gehirn-Herzdurchströmung die Anzeichen anders als nach reiner Kopfdurchströmung.

In der Praxis sollte man fragliche Betäubungswirkung von ungenügender Betäubungswirkung unterscheiden. Tiere mit fraglicher Betäubungswirkung sollten entweder weiter beobachtet werden oder - wenn hierfür keine Zeit ist oder sie im weiteren Prozess nicht mehr zugänglich sind - sicherheitshalber nachbetäubt werden. Treten viele Tiere mit fraglicher Betäubungswirkung auf, ist dies ein Hinweis auf einen Prozess mit zu wenig Fehlertoleranz, der intensiver kontrolliert werden muss.

„Fragliche Tiere“ haben keine Schmerzen und leiden auch nicht. In den meisten Fällen steigt aber mit dem Anteil an Tieren mit fraglicher Betäubungswirkung auch der Anteil von ungenügend betäubten Tieren. Bei Tieren mit ungenügender Betäubungswirkung ist das Risiko zu hoch, dass die Tiere wiedererwachen. Diese Tiere müssen nicht vollständig wach sein. Sie sollten aber in jedem Falle nachbetäubt werden. Treten solche Fälle vermehrt auf, so muss dies zu Veränderungen des Betäubungsprozesses führen.

Die erzielbare Betäubungseffektivität ist abhängig von der Aufregung der Tiere vor der Betäubung. Aufgeregte Tiere lassen sich schlechter betäuben, da die Betäubungsgeräte sich nicht so genau ansetzen lassen. Aufregung kann über die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter auch die Betäubungswirkung selbst hemmen. Starker Stress kann zu Erhöhung des zirkulierenden Blutvolumens (aus körpereigenen Speichern) führen, damit muss der relative Blutverlust bis zum Tod grösser sein, als beim ruhigen Tier.

Die Gewährleistung eines bis zum Tod anhaltenden Betäubungseffektes ist bei allen Betäubungsmethoden auch abhängig von einer fristgerechten und umfangreichen Entblutung. Kaum eine Betäubungsmethode wirkt bei allen Tieren irreversibel. Der Anteil an Tieren, die nach der Betäubung wieder aufwachen können, kann aber sehr unterschiedlich sein von nahezu 100% bis unter 1%.

Nur selten wird aber berücksichtigt, dass die Qualität der Entblutung auch von der Qualität der Betäubungswirkung abhängt. Der Stich lässt sich an gut betäubten Tieren gezielter ausführen. Landläufig wird gesagt, dass schlecht betäubte Tiere „das Blut schlecht rauslassen“.

Die korrekte Bewertung der Betäubungseffektivität an Schlachttieren wird dadurch erschwert, dass sie während eines Prozesses erfolgen muss. Während das Tier ggf. aufgrund nachlassender Betäubungswirkung das Bewusstsein schrittweise wiedererlangt, verliert es unter Umständen schon wieder schrittweise das Bewusstsein als Folge des Blutverlustes.

Nicht nur das Anhalten der Betäubungswirkung bis in den Tod muss beachtet werden, sondern auch das tierschutzgerechte Einsetzen der Betäubungswirkung. Je nach Betäubungsmethode setzt die Betäubungswirkung schlagartig ein oder verzögert. Im letzten Fall muss die Einleitung der Betäubungswirkung schonend erfolgen. Auch die Qualität der Ausführung einer Methode trägt entscheidend dazu bei wie schonend bzw. schnell und schmerzlos die Betäubungswirkung einsetzt.

Bolzenschussbetäubung

Um eine gute Betäubungswirkung zu erzielen, muss das Bolzenschussgerät richtig angesetzt werden und ein Bolzen von adäquater Länge und Durchmesser muss ausreichend beschleunigt werden. Als Folge kommt es zum Transfer von Energie auf den Tierkopf, es wird eine Gehirnerschütterung erzeugt, aber auch strukturelle Verletzungen werden hervorgerufen, wenn der Bolzen in das Gehirn eindringt. Durch die schnelle Ausbreitung von Schockwellen kinetischer Energie im Gehirn und das abrupte Beschleunigen und Abbremsen des relativ weichen Gehirns innerhalb des knöchernen Schädels (Scherwirkung und contre-coup Effekt) tritt unmittelbar Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit ein.

Bei der Bolzenschussbetäubung beim Rind gelten in der Falle und am Auswurf folgende Bewertungskriterien:

OK: sofortiges Zusammenbrechen mit gebeugten Beinen, Augapfel (nach kurzem Wegdrehen) starr mit geweiteter Pupille, keine Atmung;

Fraglich: keine oder untypische Verkrampfung, Augapfel nach innen oder nach aussen weggedreht oder Augenlider zusammengepresst oder Augapfel zittert, ein bis drei Atemzüge (erkennbar an Maul, Wange, Brustkorb);

Nicht OK (ungenügende Betäubung): Tier stürzt nicht zusammen oder ist direkt nach dem Schuss schlaff, Tier richtet sich auf oder steht wieder auf oder Tier zeigt gerichtete Bewegungen des Auges oder spontanen Lidschluss oder wiederholt positiven Hornhautreflex, vier und mehr Atemzüge oder Vokalisation.

Ein negativer Hornhautreflex am Auge allein ist kein Indikator einer ausreichenden Betäubungswirkung, da die Funktion des Sehnerven und damit die Möglichkeit der Reflexausübung durch die Erschütterung infolge des Schusses unterbunden sein kann, während das Gehirn selbst aber noch empfindungs- und wahrnehmungsfähig ist.

Am hängenden Rind erfolgt die Bewertung der Bolzenschussbetäubung etwas abgeändert.

OK: keine Hinweise auf unzureichenden Blutfluss, Tiere hängen mit gerader Rückenlinie, Schwanz und Ohren schlaff, keine Atmung;

Fraglich: ein bis drei Atemzüge (incl. bereits erfolgter Atemzüge), Zunge hängt nicht heraus, Schwanz oder Ohren gespannt, kurzes Einrollen der Vorderbeine oder Aufrollen des Kopfes;

Nicht OK: vier und mehr Atemzüge oder Aufrichten (Hochziehen von Kopf und Hals nach hinten bzw. oben) oder lang anhaltendes Einrollen der Vorderbeine und/ oder des Kopfes oder gerichtete Augenbewegungen oder spontaner Lidschluss.

Andere Bewegungen, sog. Reaktionen auf den Stich oder seitliches „Aufziehen“ sollten nur zusammen mit den genannten Reaktionen berücksichtigt werden, da es sich meist um reflektorische Bewegungen nach Manipulationen am Schlachtkörpers handelt.

Bei der Bolzenschussbetäubung beim Schwein gelten folgende Bewertungskriterien:

OK: sofortiges Zusammenbrechen mit gebeugten Beinen, Augapfel (nach kurzem Wegdrehen) starr mit geweiteter Pupille, keine Atmung;

Fraglich: keine oder untypische Verkrampfung, Augapfel bewegt sich, ein bis drei Atemzüge (Maul, Brustkorb);

Nicht OK: Tier stürzt nicht zusammen, richtet sich auf oder steht wieder auf, Tier zeigt gerichtete Bewegungen des Auges oder spontanen Lidschluss, vier und mehr Atemzüge oder Vokalisation.

Die Bewertung der Betäubungseffektivität nach Bolzenschuss beim Schwein wird in der Regel durch starke Krämpfe erschwert, die wenige Sekunden nach dem Zusammenstürzen einsetzen.

Die klinische Symptomatik nach der Bolzenschussbetäubung beim Schaf ist der beim Rind sehr ähnlich ist. Es kommt zu einem prompten und andauernden Ausfall der Atmung und zu unmittelbarem Einsetzen eines tonischen (starren) Krampfanfalls. Die Position des Augapfels ist starr. Während des Blutentzugs kann es zu starken Krämpfen kommen. Hinweise auf Fehlbetäubung sind insbesondere fehlendes Zusammenbrechen und anhaltende Atmung.

Rückwärtiges Aufrichten im Hängen ohne weitere Hinweise auf eine Fehlbetäubung (Atmung, gerichtete Augenbewegungen häufig zusammen mit spontanem Lidschluss) wird häufig fehlinterpretiert, zumal es auch dadurch sehr ausgeprägt sein kann, dass die ventralen Halsmuskeln beim Halsschnitt durchtrennt sind und nicht mehr als Gegenspieler der dorsalen Halsmuskeln funktionieren.

Auch bei der Bolzenschussbetäubung (bzw. beim stumpfen Schlag) von Geflügel treten starke Krämpfe infolge des Schusses / des Schlags auf. Hinweise auf Fehlbetäubungen sind insbesondere anhaltende oder wiedereinsetzende Atmung nach dem Schuss/Schlag, spontane Augenbewegungen (Blinzeln), Aufrichten oder Vokalisation.

Elektrische Betäubung

Wenn eine elektrische Spannung an den Kopf angelegt wird und ein ausreichender Strom durch das Gehirn fliesst, entsteht Empfindungs- und Wahrnehmungsunfähigkeit in ähnlicher Weise, wie bei einem epileptischen Anfall vom Typ „Grand Mal“. Es kommt zu ungeordnetem Stoffwechsel und zu elektrischer Aktivität im Gehirn, so dass keine Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit mehr aufrecht erhalten werden kann.

Bei einer Elektrobetäubung mit korrekt angesetzten Elektroden und ausreichender Mindeststromstärke wird innerhalb von weit weniger als einer Sekunde eine Synchronisation der elektrischen Potentiale im Gehirn erreicht. Hierdurch wird jede schlüssige Informationsverarbeitung des Gehirns unterbrochen, bevor Elektroschocks als Schmerz wahrgenommen werden können.

Derzeit sind zwei elektrische Methoden im Einsatz, die reine Kopfdurchströmung und die elektrische Hirn-Herzdurchströmung (beim Geflügel Ganzkörperdurchströmung im Wasserbad). Abhängig von der angewendeten Stromfrequenz kann letztere Methode Herzkammerflimmern erzeugen und damit zu einem sofortigen und anhaltenden Abfall des Blutdrucks führen, was wiederum bei einer zu spät oder schlecht durchgeführten Entblutung das Wiedererlangen der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit verhindert.

Dahingegen ist bei der reinen Kopfdurchströmung oder auch bei Herzdurchströmung mit zu hohen Frequenzen die Betäubungswirkung reversibel und das Risiko besteht, dass die Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit während des Blutentzugs wiedererlangt wird, wenn die Entbluteeffizienz schlecht ist.

Die Entstehung von Herzkammerflimmern ist unter anderem abhängig vom Stromweg durch den Körper (Elektrodenposition), von der Stromstärke, der Dauer des Stromflusses, der Frequenz und der Wellenform des elektrischen Stroms. Hohe Stromfrequenzen (> 80 Hz) sind weniger zum Auslösen von Herzkammerflimmern geeignet als niedrige. Weil Herzkammerflimmern oder Herzstillstand ein Schmerzrisiko für das Tier beinhalten, ist es essentiell, das Tier davor oder gleichzeitig zu betäuben.

Im Gegensatz zu den Rotfleischtierarten wird bei Geflügel nach der Elektrobetäubung keine Epilepsie vom Typ „Grand Mal“ im Gehirn erzeugt, sondern ein sog. epileptiformer Anfall. Die Literatur besagt, dass der durch die elektrische Betäubung hervorgerufene Ausstoss von Monoaminen und inhibitorischen Aminosäureneurotransmittern im Gehirn von Geflügel eine entscheidende Rolle bei der Einleitung und Aufrechterhaltung der Empfindungs- und Wahrnehmungsunfähigkeit spielt.

Diese Mechanismen scheinen auch dafür relevant zu sein, dass sich nach sog. „polyspike bursts“ mindestens 30 Sekunden lang ein deutlich unterdrücktes bis stilles EEG manifestiert und evozierte Potentiale (z.B. durch Lichtreiz) nach der Elektrobetäubung nicht ausgelöst werden können. Sowohl die „Grand Mal“ Epilepsie bei den Rotfleischtierarten als auch die epileptiforme Aktivität beim Geflügel müssen immer zu einem deutlich unterdrückten bis stillen EEG führen, was eine sich ausbreitende Depression oder neuronale Ermüdung im Gehirn anzeigt.

Bei der elektrischen Betäubung beim Schwein gelten in der Falle und am Auswurf sowie bis 60 Sekunden nach der Durchströmung folgende Bewertungskriterien:

OK: Symptome der Epilepsie, Verkrampfung beim Elektrodenansatz und beim Auswurf, Vorderbeine gestreckt, Hinterbeine unter den Bauch gezogen (tonische Phase mit Kopf im Nacken), dann paddelnde Bewegungen, Augenzittern möglich, keine Atmung (Maul, Brustkorb);

Fraglich: Kopf liegt nicht flach auf der Liegendentblutung sondern hebt sich (kann Teil der epileptischen Krämpfe sein, bei Fehlen von Epilepsie aber auch Anzeichen von Fehlbetäubung), vereinzeltes Schnappen, Pupille verengt sich;

Nicht OK: Tier verkrampft nicht oder untypisch (z.B. keine tonische Phase), Tier richtet sich auf oder steht wieder auf, Tier zeigt gerichtete Bewegungen des Auges oder spontanen Lidschluss, vier und mehr Atemzüge oder Vokalisation;

Die klinischen Symptome der Epilepsie (Verkrampfung während des Stromflusses, dann tonische und klonische Phase) sind ein wesentlicher Hinweis darauf, dass die Betäubung effektiv ist. Ein häufiger Beurteilungsfehler während der frühen Phase nach der elektrischen Durchströmung ist es, dass ein positiver Kornealreflex während der Eplilepsie, also während der ersten 30 bis 40 Sekunden nach der Durchströmung bereits als Anzeichen einer schlechten Betäubungswirkung gewertet wird.

Reflextätigkeit und damit Anzeichen einer Reorganisation des Gehirns können immer erst nach Abklingen der Epilepsie sinnvoll getestet werden. In der frühen Phase nach der Durchströmung kann nur beurteilt werden, ob die Epilepsie überhaupt eingetreten ist oder nicht (Hinweis auf mangelhaft ausgeprägte Epilepsie: Atmung sistiert nicht, gerichtete Augenbewegungen zusammen mit spontanem Lidschluss, Aufrichten).

Erfolgt die Beurteilung der Schweine nach Elektrobetäubung später als 60 Sekunden nach dem Stich, ist die Bewertung etwas abgeändert.

OK: keine Hinweise auf unzureichenden Blutfluss, lockeres Paddeln, starres weites reaktionsloses Auge, vereinzeltes Schnappen (Maulöffnen);

Fraglich: länger anhaltende Verkrampfung/ fehlende Erschlaffung nach 60 Sekunden, Pupille nicht weit, Reflexe am Auge (ohne Atmung), Atmung (Maul, Brustkorb, auch Luftziehen) bis zu vier mal;

Nicht OK: vier und mehr Atemzüge oder Aufrichten (Hochziehen von Kopf und Hals nach hinten bzw. oben) oder gerichtete Bewegungen des Auges oder spontanen Lidschluss oder wiederholte Augenreflexe zusammen mit anderen Anzeichen;

Die meisten Schweine werden mittels kombinierter Gehirn-Herzdurchströmung betäubt, wobei abhängig von den verwendeten Stromparametern nicht immer auch Herzkammerflimmern ausgelöst wird. Die Tiere können also dennoch wiedererwachen, wenn die Entblutung nicht schnell und effektiv genug erfolgt. Bei einer kombinierten Gehirn-Herzdurchströmung liegt das Tier aber insgesamt ruhiger, als bei reiner Kopfdurchströmung. In dem Falle, dass die Tiere ausschliesslich per Kopfdurchströmung betäubt werden – so z.B. wenn der Herzstrom nicht ausgelöst wurde - ist die klonische Phase wesentlich ausgeprägter (Tiere zappeln stärker und länger im Rahmen der epileptischen Aktivitäten).

Die verlässlichsten Indikatoren für eine korrekte elektrische Betäubung bzw. beginnendes Wiedererwachen bei Schafen sind die typische Verlaufsform der epileptischen Anfälle bzw. der Wiedereintritt regelmässiger Atmung. Ein gerichteter Blick zusammen mit spontanem Lidschluss, Vokalisation oder gerichtete Bewegungen (z.B. Aufrichten) sind weitere Anzeichen einer Fehlbetäubung.

Bei der Elektrobetäubung von Geflügel im Wasserbad ist die klinische Bewertung der Betäubungseffektivität nur eingeschränkt möglich, da die Tiere infolge der Stromwirkung immobilisiert sind. Zusätzlich zum klinischen Bild muss man sich hier auf wissenschaftlich abgesicherte Stromparameter verlassen können.

Das klinische Bild während und nach der elektrischen Betäubung (Wasserbad und reine Kopfdurchströmung) von Geflügel kann folgendermassen bewertet werden.

OK: sofortiges Verkrampfen bei Eintritt ins Wasserbad (beim Elektrodenkontakt), kein Flattern, keine Versuche aus dem Wasserbad zu entkommen, kein Aufrichten, weit geöffnete Augen (beim Verlassen des Betäubers (bei Kopfdurchströmung kann man die Augen unmittelbar nach dem Stromfluss schlecht beurteilen)), Apnoe (= keine Atmung), Klonische Krämpfe (Zittern);

Fraglich; d.h. Anzeichen eines wiedererwachenden Tieres (einzeln oder in Kombination): Regelmässige Atmung, Kornealreflex oder spontaner Lidschluss, kleine Pupille, Intention den Kopf aufzurichten.

Nicht OK (oder wach): Regelmässige Atmung und Kornealreflex zusammen mit gerichteten Augenbewegungen oder kleiner Pupille oder Flügelschlagen (Aufrichten) oder Vokalisation.

Das Risiko zu erwachen ist hoch, wenn regelmässige Atmung (Kloake hebt und senkt sich regelmässig (mehr als vier Mal), Schnabel öffnet und schliesst regelmässig) zusammen mit positivem Kornealreflex auftritt.

Fehlende Halsspannung kann nach Elektrobetäubung nicht als Parameter für eine effektive Betäubung gewertet werden.

CO2 –Betäubung

Die CO2-Betäubung wirkt über eine Ansäuerung von Blut und Hirnflüssigkeit, wodurch die Funktion des Nervensystems unterbunden wird. Bei Geflügel erfolgt eine langsame Einleitung in CO2-Konzentrationen unter 40%, bis die Tiere empfindungs- und wahrnehmungsunfähig sind. Schweine werden hingegen schnell in eine hohe Konzentration verbracht, um möglichst schnell Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit zu erreichen.

Bei der CO2 -Betäubung beim Schwein gelten vom Auswurf bis zur Entblutung folgende Bewertungskriterien:

OK: Schweine sind schlaff, Augen offen mit weiter Pupille, keine Atmung (Maul, Brustkorb);

Fraglich: Schlagen beim Anschlingen, Einrollen der Vorderbeine, einzelne Atembewegungen (Maulöffnen 1-4 mal), Pupille nicht weit, Lidschluss ein bis zwei mal auslösbar;

Nicht OK: Schwein hebt den Kopf, zeigt anhaltende Laufbewegungen oder Aufbäumen im Hängen, Atembewegungen mehr als vier mal zusammen mit Reaktionen des Auges auf Berührungen oder gerichtete Bewegungen des Auges oder spontanen Lidschluss oder Vokalisation;

Bei der Bewertung während der Entblutung gilt für die CO2-Betäubung beim Schwein folgendes:

OK: Schweine hängen schlaff, Augen offen mit weiter Pupille, keine Atmung (Maul, Brustkorb);

Fraglich: Einrollen der Vorderbeine, einzelne Atembewegungen (1-4 mal), Pupille nicht weit, Lidschluss ein bis zwei Mal auslösbar;

Nicht OK: Schwein hebt den Kopf oder zeigt anhaltende Laufbewegungen oder Aufbäumen im Hängen zusammen mit Atembewegungen mehr als vier mal oder Reaktionen des Auges auf Berührungen oder gerichtete Bewegungen des Auges oder spontanen Lidschluss oder Vokalisation;

Bei der CO2-Betäubung von Geflügel müssen im Hinblick auf eine schonende Einleitung auch die Reaktionen des Geflügels auf das Gas beobachtet werden. CO2-Konzentrationen bis 40 % gelten als leicht aversiv und aus Tierschutzsicht vertretbar. Die Tiere müssen allerdings während der Exposition möglichst ausgeruht und ruhig sein und ausreichend Platz haben (sie dürfen nicht übereinandersitzen).

Leichte Unruhe zu Beginn der Betäubung, Kopfschütteln und vertiefte Atmung (Schnabelöffnen) bei gestrecktem Hals kann zu Beginn der Gasexposition vorkommen. Springen oder Flattern sollte aber nicht zu beobachten sein (Sichtzugang zur Kontrolle notwendig). Bevor die Tiere in CO2-Konzentrationenüber über 40% gelangen, müssen sie die Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit verloren haben (Absitzen, Kopf ist nach vorn oder nach hinten gefallen, Augen sind geschlossen).

Nach Verlassen der Gasatmosphäre geben regelmässiges Öffnen und Schliessen des Schnabels, positive Augenreflexe sowie Flügelschlagen Hinweise auf eine mangelhafte Betäubung. Regelmässige Atmung erkennt man am hängenden Tier nicht nur am Schnabel sondern auch am Heben und Senken des Beckenbodens (Bereich um die Kloake).

Zwischen den ersten Anzeichen des Wiedererwachens und dem Erreichen vollständiger Wahrnehmungsfähigkeit vergehen nach der Gasbetäubung oft nur wenige Sekunden.

Fazit: Zusammenfassend müssen bei der Suche nach den Ursachen für Fehlbetäubungen immer sowohl die technischen Voraussetzungen der Geräte und Anlagen als auch die Durchführung der Betäubung und Entblutung berücksichtigt werden (Prozesszeiten, Herstellerangaben). Die Angaben der Hersteller sollten in den Bedienungsanleiungen nicht nur die korrekten Parameter für die Anwendung und Angaben zur Instandhaltung und Wartung sondern auch Beurteilungskriterien für die Betäubungseffektivität enthalten.

Die Bewertung der klinischen Anzeichen am Tier erfordert einige Erfahrung und liefert nicht immer sofort eindeutige Diagnosen. Am Einzeltier sollte nie ein einzelner positiver Reflex eine abschliessende Bewertung nach sich ziehen. Es sollten immer mehrere Organsysteme, z.B. Auge und Atmung, zusammen berücksichtigt werden. Je nach Tierart, Betäubungsmethode und auch Gewicht der Tiere kann die Ausprägung der Symptome sehr unterschiedlich sein.

Erfahrungen mit der CAS-Betäubung vom Geflügel



Referat von Christoph Schatzmann (Bild), Bell Schweiz AG, Leiter Geschäftseinheit Geflügel, anlässlich der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten. (Bild von Arthur Rossetti)


Im Vortrag wird über die Gründe für den Wechsel vom Elektro-Wasserbad auf die CAS-Betäubung, ihre Vor- und Nachteile sowie die Erfahrungen mit der CAS-Betäubung eingegangen. Die herkömmliche Betäubung von Geflügel erfolgt im Elektro-Wasserbad. Die Tiere werden vor der Betäubung kopfüber in die Schlachtkette eingehängt. Die Effektivität ist von der Stromstärke abhängig: Eine zu hohe Stromstärke kann die Schlachtkörperqualität durch platzende Blutgefässe oder Knochenbrüche beeinträchtigen. Beim CAS-System („Controlled Atmosphere Stunning“, Betäubung in kontrollierter Atmosphäre) erfolgt die Betäubung vor dem Einhängen in die Schlachtkette.

Nachdem sich die gesetzliche Minimalstromstärke als zu hoch erwiesen hatte, entschied sich Bell Schweiz AG als schweizweit erste Firma für den Wechsel auf die CAS-Betäubung. Nach aufwändigen Vorbereitungsarbeiten bei laufendem Schlachtbetrieb konnte die CAS-Betäubung im Frühjahr 2011 starten. Eingebaut wurde ein System, das in zwei Phasen unterschiedliche Anteile von Kohlendioxid und Sauerstoff verwendet.

Nach der Ankunft im Schlachthof erholen sich die Tiere zunächst während zirka einer Stunde im Ruheraum. Bei kontrollierter Raumtemperatur stellt sich eine ruhige Atmung ein. Danach fahren die Poulets auf einem Förderband während zirka drei Minuten im Dunkeln durch die CAS-Anlage. In einer ersten Phase stellt sich - bei einer Mischung von 25% Kohlendioxid und 25% Sauerstoff - ein Haltungs- und Bewusstseinsverlust ein. In der zweiten Phase beträgt die Kohlendioxid-Konzentration 80% und führt zu einer tiefen, irreversiblen Betäubung. Am Ende der zweiten Phase verharren die Tiere reglos, atmen nicht mehr und ihre Muskeln sind weich und schlaff.

Die ununterbrochene Zufuhr von Sauerstoff verhindert Verkrampfungen und Zuckungen. Dass nach der CAS-Betäubung keine Bewegungen und Reflexe mehr auslösbar sind, kann als wesentlicher Beitrag zum Tierwohl erachtet werden. Als weiteren positiven Aspekt der CAS-Betäubung sind die markant verbesserten Arbeitsbedingungen zu erwähnen. Das Aufhängen betäubter Tiere ist leichter und ohne das Flügelschlagen bleibt die Luftqualität deutlich besser (wenig Staub). Da das Handling lebender Tiere entfällt, zeigt sich eine positive Wirkung auf Fleischqualität und Verwurfsrate. Die bessere Schlachtkörperqualität kann einen Teil der namhaften Investitions- und Unterhaltskosten für die CAS-Betäubung ausgleichen.

Der Betäubungsprozess wird permanent von Mitarbeitern des Schlachthofes und des kantonalen Veterinärdienstes überwacht. Sie stellen sicher, dass sämtliche Parameter (Bandgeschwindigkeit, Gaskonzentration, Gasmischung usf.) eingehalten sind und die Betäubung zuverlässig erreicht wird. Ihre Beobachtungen und Erfahrungen verbessern die CAS-Betäubung.

So verhalten sich beispielsweise leichtere Tiere anders als schwere Tiere. Ausgeprägte Sommer- oder Winterbedingungen wirken sich auf die Tieratmung aus und können die Betäubungswirkung beeinflussen. Solche Beobachtungen führten nach Inbetriebnahme der CAS-Betäubung zu einer Anpassung der Kohlendioxidkonzentration. Oft wird gefragt, wie tote von betäubten Tieren zu unterscheiden sind. Tote oder sterbende Tiere sind nach der Betäubung am steifen, oft flachgedrückten Körper klar zu erkennen.

Zusammenfassend erachten wird die Umstellung auf die CAS-Betäubung als positiv. Dank der Umstellung auf ein erprobtes System, ergaben sich kaum Anlaufschwierigkeiten.

Privatwirtschaftliche Begutachtungen von Schlachthöfen in der Schweiz

Referat von Cesare Sciarra, Leiter Kontrolldienst Schweizer Tierschutz STS, anlässlich der STS-Tagung „Der letzte Gang der Tiere“ zum Thema Tiertransporte und Schlachthöfe vom 12. Juni 2014 in Olten.

Entwicklung der Begutachtung von Schlachtbetrieben beim Kontrolldienst STS Wer Nutztiere auf ihrem Lebensweg zu begleiten versucht und sich um eine artgerechte Haltung bemüht, kommt nicht umhin, auch Transporte und die bei Nutztieren irgendwann unumgängliche Schlachtung zu begleiten, kritisch zu hinterfragen und Anstrengungen zu deren Verbesserung aus Sicht des Tierschutzes zu unternehmen.

Der Kontrolldienst des Schweizer Tierschutzes STS beschäftigt sich seit seinen Anfängen nicht nur mit der Tierhaltung, sondern auch mit der Auditierung von Schlachtbetrieben. Waren die Schlachthofbesuche zu Beginn mehr subjektive Augenscheine mit fachlichem Hintergrund, so wurden in den letzten sieben Jahren grosse Anstrengungen unternommen, die Audits weiter zu entwickeln. Heutzutage verwenden wir möglichst objektive und standardisierte Erfassungs- und Messverfahren, um Vorzüge oder Schwachpunkte von Schlachtanlagen zu finden und zu bewerten. Dabei liegt unser Fokus beim Beurteilen der Stressoren auf das Tier.

Anders als bei den Labeltierhaltungs- und Tiertransportkontrollen durch den Kontrolldienst STS gibt es gegenüber den Schlachtbetrieben keine Sanktionierungsmöglichkeiten. Deshalb setzen wir mit unserem Auditierungsangebot in erster Linie auf das Aufzeigen von Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schlachtbetriebes und auf intensiven Kontakt zum Umsetzen tierschützerischer Verbesserungen, sowohl beim Gesamtkonzept eines jeden Schlachtbetriebes als auch bei den kleinen, aber wichtigen Details.

Die Nachfrage nach unseren Angeboten im Arbeitsbereich Schlachthofauditierung ist in den letzten Jahren stets gewachsen. Im Jahr 2013 führte der Kontrolldienst STS Schlachthofaudits für Auftragspartner wie Coop (Naturafarm Schweine, Kälber, Poulets, Schweizer BTS-Kaninchen, Natura-Beef / Natura-Veal: Jungrinder und Kälber), IP-SUISSE (Schweine, Rinder, Kälber, Schafe, Poulets), den Migros Genossenschaftsbund (Weide-Beef / Bio Weide-Beef) und Weitere durch.

Zurzeit auditiert der Kontrolldienst STS in der Schweiz regelmässig 14 mittlere und grössere Schlachtbetriebe. Dazu kommt eine steigende Anzahl von Schlachtbetrieben im europäischen Ausland, 2014 voraussichtlich deren 4 bis 5, welche wir begutachten werden.

Wichtigste Erkenntnisse aus den Schlachthofaudits der letzten Jahre Möchte man den Nutztieren vom Abladen vom Transportfahrzeug bis zu dem Moment, an dem sie tot sind, so wenig Stresseinwirkung wie möglich zumuten, so müssen immer sowohl die baulichen Vorgaben, die vorhandenen Anlagen und Hilfsmittel als auch die Schulungen des mit den verschiedenen Prozessen betrauten Personals optimiert werden. Obwohl jeder Schlachtbetrieb aufgrund seiner baulichen und personellen Voraussetzungen individuell zu beurteilen ist, lassen sich doch einige allgemeingültige Aussagen machen, welche im Folgenden zusammengefasst werden.

Annahmerampen

Ein speditives und für Tiere, Chauffeure und Schlachthofpersonal weitgehend stressfreies Abladen ist überall dort zu beobachten, wo die Schlachthoframpen derart ausgerüstet sind, dass ein geschlossener Treibweg aus dem Fahrzeug in die Schlachthofinfrastruktur entsteht, trittsichere, hindernisfreie und intakte Böden vorhanden sind. Zudem ist Personal vom Schlachtbetrieb nötig, dass ruhig und korrekt arbeitet und auch in der Lage ist, anliefernde Chauffeure fachgerecht und mit der nötigen Autorität anzuleiten und zu korrektem Verhalten den Tieren gegenüber anzuhalten.

Probleme entstehen dort, wo schlachthofseitig keine Möglichkeit besteht, z.B. mittels anpassbarer Gatter Lücken zwischen Fahrzeugrampen und der Schlachthofinfrastruktur lückenlos und stabil zu schliessen, oder dort, wo entsprechende Hilfsmittel zwar vorhanden sind, die Chauffeure aber nicht dazu angehalten werden, diese auch korrekt zu nutzen. Beschädigte Bodenbeläge, ungenügende Übergänge etc. tragen das ihrige dazu bei, dass Tiere nur unter Zuhilfenahme stresserzeugender Hilfsmittel aus den Fahrzeugen getrieben werden können.

Unterbringung Warteräume

In den Wartebereichen verbringen Tiere zum Teil mehrere Stunden, nachdem sie bereits oftmals über Stunden transportiert wurden. Ein genügender Witterungsschutz, allenfalls angepasste Klimatisierung bei extremen Temperaturbedingungen, trittsichere Bodenbeläge und für die eingestallten Tierkategorien erreichbare und nutzbare Wassertränken sollten heutzutage eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Nicht überall sind diese Voraussetzungen aber erfüllt.

Zu gravierenden Problemen für ganze Gruppen oder Einzeltieren können in den Warteräumen aber insbesondere Managementfehler führen wie das Überschreiten der zulässigen Tierbesatzdichten, ungeschickte Gruppenbildung mit daraus resultierenden Rangkämpfen sich unbekannter Tiere oder das Belassen kranker Tiere in der Gruppe. Neben geeigneten baulichen Einrichtungen ist hier die Beobachtungsgabe des Personals gefordert.

Treibgänge

Die Anlage der Treibgänge ist ganz allgemein in jedem Schlachtbetrieb ein Schlüsselthema. Treibgänge sollten in der Breite den durchzutreibenden Tieren angepasst sein, die Seitenwände für die Tiere möglichst blickdicht sein, Richtungsänderungen und Verengungen so gestaltet werden, dass sie den Gehfluss der Tiere möglichst wenig stören. Das Entgegengehen von Personen auf die zu treibenden Tiere zu sollte durch gute Schulung und insbesondere durch Einrichtung von Personengängen blickdicht abgetrennt neben den eigentlichen Treibgängen verhindert werden. Wir bevorzugen entschieden den Gruppenzutrieb bei Schweinen bis ganz in die Betäubunganlage.

Einzeltiertreibgänge für Rinder und Schafe lassen sollten möglichst kurz gehalten und immer besonders gut geplant und überlegt sein. Schliesslich können geeignete, trittsichere und farblich angepasste Böden ohne Treibhindernisse, eine nicht blendende und möglichst nicht Schatten werfende Ausleuchtung der Gänge und eine gezielte Reduktion der Lärmbelastung im ganzen Betrieb das Treiben von Tieren erheblich vereinfachen.

In der Schweiz gibt es Schlachtbetriebe, welche von Beginn weg optimal konzipiert wurden und nun tagtäglich entsprechend wenig Probleme mit dem Zutrieb von Tieren haben. Entsprechend weniger Stress entsteht dadurch für die Tiere und, nicht zu vergessen, umso angenehmer ist die Arbeit auch für die Treiber.

Oftmals stehen aber dem Realisieren der optimalen Lösung zum Beispiel vorgegebene Bauhüllen oder fehlende finanzielle Mittel für grosse Umbauten im Weg. Nicht wenige Schweizer Schlachtbetriebe kämpfen deshalb auch heute noch mit unzulänglichen Treibwegen. Fast immer lassen sich aber auch mit kleineren Anpassungen erstaunliche Verbesserungen erzielen, vorausgesetzt man macht sich die Mühe, das Tier und seine möglichen Reaktionen in den Mittelpunkt zu stellen und die Anlagen aus der Sicht des Tieres zu überprüfen.

Betäubungsanlage / Betäubungstechnik / Entblutung

Die Betäubungsmethode und die Entblutung sind aus betrieblicher und tierschützerischer Sicht der Kern jedes Schlachtbetriebes. Hier werden Tiere vom Leben in den Tod befördert. Und hier entscheidet sich, ob dieser letzte Schritt praktisch ohne zusätzlichen Stress und Schmerz geschieht oder ob dem Tier innert weniger Minuten ein Mehrfaches an Schmerzen, Stress und Angst zugefügt werden, als in seinem ganzen Leben zuvor.

Eine Toleranz für Abweichungen von einer guten Betäubung gibt es kaum. Hier muss alles stimmen: Die Wahl der richtigen Fangeinrichtung, passende Gerätschaften für die zu betäubenden Tierkategorien, korrekte Einstellung technischer Parameter und eine ausgezeichnete Ausbildung des Betäubers und der Personen, welche für die Überprüfung der Betäubungseffektivität und die korrekte Einstellung der technischen Parameter verantwortlich sind.

Viele, vor allem grössere Betriebe, haben in diesem Bereich in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Dennoch treffen wir auch ungenügende Beispiele an. Zum Beispiel sind weiterhin Fangeinrichtungen in Betrieb, welche konstruktionsbedingt das korrekte Setzen des Bolzenschusses stark erschweren oder Elektrozangen für Schweine, welche aus Unwissenheit auch für Schafe eingesetzt werden und hier lediglich zu starken Stromschlägen führen, aber keinerlei Betäubungseffekt haben. Dann trifft man nicht selten falsch eingestellte Stromparameter an, messtechnisch ungenügend gesicherte CO2 Werte oder der Einsatz ungenügender Munition bei Bolzenschussanlagen. Auch hier ist das Resultat oft eine ungenügende Betäubung.

Sehr schwer wiegt hier auch die Ausbildung des Betäubers bei Einzeltierbetäubung mit Bolzenschuss oder Elektrozange. Ein falsch gesetzter Bolzenschuss am Gehirn vorbei verursacht unglaubliche Schmerzen, betäubt das Rind aber in keinster Weise. Ebenso bewirkt eine zu weit in Richtung Hals angesetzte Elektrobetäubungszange bei einem Schwein starke Lähmungserscheinungen, lässt das Tier aber dennoch bei vollem Bewusstsein den Entbluteschnitt, das langsame Entbluten und allenfalls gar den Eintritt in die Brühanlage miterleben.

Viele der oben beschriebenen Gründe für ungenügende Betäubung könnten sofort identifiziert werden, wenn die Beurteilung der Betäubungsqualität korrekt gemacht würde. Gerade hier gibt es aber auch von offizieller Seite her noch grosse Wissenslücken und immer wieder verbreitete Fehlinformationen über die richtige Vorgehensweise. Genau hier liegt aus unserer Sicht eine der wichtigsten zu schliessenden Lücken. Alle mit der Betäubung und Entblutung der Tiere beauftragten Mitarbeitenden des Schlachthofes müssen so geschult werden, dass sie wissen, wie eine korrekte Betäubung zu erreichen ist, erkennen können, wenn etwas dennoch schief gegangen ist und wissen, was in so einem Fall sofort zu tun ist (Stichwort Nachbetäubung).

Spezialfall Geflügel- und Kaninchenschlachtung

Bei der Schlachtung von Tieren, welche in Transportgebinden zum Schlachtbetrieb geliefert werden, entfallen die behandelten Themen rund um das Treiben von Tieren. Hingegen hat die Manipulation der Transportgebinde, sei es durch Menschen oder durch automatische Transport- und Abstapelanlagen, eine entsprechende Bedeutung. Kippen, ruckeln, fallen lassen der Transportgitter können je nach Anlage mehr oder weniger gut gesteuert und verhindert werden. Besondere Bedeutung hat bei diesen Tieren auch die Klimaregulation des Wartebereiches, von der die für die Tiere entscheidende Entwicklung des Mikroklimas im Transportbehälter abhängt.

Bei der Betäubung von Geflügel hat ausserdem die Betäubungsmethode einen wichtigen Einfluss auf die gesamte Beurteilung der Anlage: Bei Elektrobetäubung von Geflügel im Elektrobad müssen die Tiere vor der Betäubung bei vollem Bewusstsein an den Beinen an die Schlachtkette gehängt werden. Abgesehen von den grundsätzlichen tierschützerischen Nachteilen dieser Methode sind hier Werte wie Hängedauer bis zur Betäubung, Konstruktion von Führungsschienen, Eintauchgestaltung, Benetzung der Tiere etc. von ausschlaggebender Bedeutung. Wir bevorzugen aus diesen Gründen inzwischen klar die Betäubung in CAS-Anlagen, auch wenn auch bei solchen Anlagen noch nicht alle Fragen geklärt sind und Fehler passieren können.

Folgerungen

Unsere Erkenntnisse aus den Begutachtungen von Schlachtbetrieben haben dazu geführt, dass wir der Ausbildung von Mitarbeitern der schlachtenden Betriebe, welche direkt am Schlachtungsprozess beteiligt sind einerseits, andererseits aber auch der Sensibilisierung und Weiterbildung von Kadermitgliedern, eine immer grössere Bedeutung zumessen. Die Ausbildung der Schlachthofmitarbeiter versuchen wir im Rahmen der obligatorischen Kurse mitzutragen. Kadermitglieder versuchen wir ausserdem, bisher mit gutem Erfolg, über detaillierte Auditberichte und über Nachgespräche zu unseren Audits zu erreichen und zu sensibilisieren.

Dazu aktualisieren wir regelmässig unsere Schulungsunterlagen und differenzieren ständig unsere Checklisten und Berichtsvorlagen für die Auditarbeit. Von den schlachtenden Betrieben, nicht nur von den grösseren, sondern insbesondere auch von den kleineren, erwarten wir, dass neben einer ausgezeichneten Ausbildung der Schlachthofmitarbeitenden auf allen Stufen zum Thema Tierschutz auch eine permanente Begleitung und Überprüfung der Arbeiten mit den Tieren angeboten und umgesetzt werden.

In der EU ist es inzwischen Pflicht, für jeden Arbeitsbereich mit lebendem Tier sogenannte "Standardarbeitsanweisungen" schriftlich zu formulieren (macht der Schlachtbetrieb) und die Umsetzung auch zu kontrollieren (macht eine vom Schlachthof beauftragte Person). Jeder schlachtende Betrieb sollte ausserdem in der Lage sein, seine Anlagen regelmässig selber auf tierschützerische Mängel hin zu durchdenken und nach Möglichkeiten suchen, Schwachpunkte zu beseitigen.

Von den zuständigen Ämtern auf Bundes- und Kantonsebene erwarten wir schliesslich, dass bezüglich Überprüfung der Betäubungsqualität einheitliche Standards umgesetzt werden, welche die tatsächliche Betäubungsqualität wiedergeben. Sowohl die in der Verordnung des BVET über den Tierschutz beim Schlachten SR 455.1 vorgegebenen Parameter als auch deren Umsetzung in der Praxis sind derzeit aus unserer Sicht ungenügend.

Weiterlesen: Kommentar von Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Fachbereich des Schweizer Tierschutz STS
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