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Beiträge im Archiv

30.1.2015 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Rückblick Teil 2: Proviande-Symposium 2015

«foodaktuell.ch» präsentiert Kurzfassungen der Referate der Proviandetagung am 222.1.2015 in mehreren Teilen. Hier Teil 2: die Referate von Dr. Martin Scheeder und Thomas A. Vilgis




Die Vorzüge von Schweizer Fleisch.

Dr. Martin Scheeder, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen, und SUISAG, Sempach. (Bild: Arthur Rossetti)


Sieh, das Gute liegt so nah. Das beste Fleisch kommt immer aus dem eigenen Land. Das gilt in der Schweiz genauso wie in Frankreich, Deutschland oder anderswo. Neben dieser offenbar ebenso verbreiteten wie subjektiven Wahrnehmung gibt es aber tatsächlich ein paar reale und relevante Vorzüge, welche für die Schweizer Fleisch sprechen. Qualitätsvorteile ergeben sich dabei sowohl in Bezug auf die Produktequalität als auch hinsichtlich ethischer und ökologischer Gesichtspunkte.

Der Genusswert und die ernährungsphysiologischen Eigenschaften (der gesundheitliche Wert) des Fleisches sind zwei wichtige Merkmalskomplexe der Fleischqualität. Beide können durch Zucht und Fütterung massgeblich beeinflusst werden und dabei gibt es markante Besonderheiten in der Schweiz. So wurde beim Schwein, unserem Haupt-Fleischlieferanten, seit Einführung der züchterischen Mast- und Schlachtleistungsprüfung in der Prüfstation Sempach konsequent auf eine hohe Fleischqualität selektiert.

In dem Zuge wurde die beim Schwein vorkommende genetisch veranlagte Stressanfälligkeit, die zwar mit einem hohen Muskelansatz, aber eben auch mit schwerwiegenden Fleischqualitätsmängeln, einherging, schon sehr früh und entschieden ausgemerzt.

Bei anderen Zuchtprogrammen spielt die Fleischqualität, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Im Unterschied dazu gelang es im Schweizer Zuchtprogramm den für den Genusswert wichtigen intramuskulären Fettanteil (Marmorierung) auf das erwünschte Optimum von im Mittel 2 % anzuheben (und gleichzeitig den Fleischanteil im Schlachtkörper anzuheben).

Weltweit einzigartig ist auch das in der Schweiz etablierte System zur Bewertung der Fettqualität beim Schwein. In den 80er Jahren war die Verfütterung von Fischmehl und Ölen weit verbreitet, was zu einer mangelhaften Festigkeit und geringen Oxidationsstabilität des Schweinespeckes führte. Zur Verbesserung der Speckqualität, wurde eine Methode entwickelt mit der die Fettqualität als sogenannte Fettzahl bereits am Schlachthof gemessen werden konnte.

Nach Einführung von Grenzwerten und gestaffelten Preisabzügen, flankiert von Fütterungsberatung und –empfehlungen, verbesserte sich die Fettqualität dann schnell. Zur Sicherstellung einer hohen Fettqualität wurde dieses System beibehalten und in diesem Jahr mit der Einführung neuer Bewertungskriterien an die aktuellen Anforderungen und verbesserten analytischen Möglichkeiten angepasst.

Der Einfluss der Fütterung auf die Fettsäurenzusammensetzung der Körpergewebe spielt auch beim Rind eine entscheidende Rolle. Mit der Einführung der Mutterkuhhaltung und anderer Weidemastsysteme konnte nicht nur der Fleischanteil der Schlachtkörper zunehmend verbessert werden, da nun vermehrt spezialisierte Fleischrassen zum Einsatz kamen. Auch der Anteil an den vorteilhaften Omega-3-Fettsäuren (n-3) und konjugierter Linolsäure (CLA) erhöht sich mit dem Anteil an Gras in der Fütterung.

Insgesamt werden Rinder im Grasland Schweiz mit mehr Rauhfutter gefüttert als in Ländern wie z.B. den USA, wo die Ausmast oft in Feedlots erfolgt. Dabei werden grosse Mengen Kraftfutter verfüttert, um «High Quality Beef» zu erzeugen. Damit das Pansenmilieu der Wiederkäuer unter diesen Bedingungen nicht umkippt kommen dabei auch Fütterungsantibiotika zum Einsatz (sowie Hormone, um eine zu starke Verfettung zu vermeiden).



Weide-mast


Diese Art der Fütterung und die veränderte Pansenflora wirken sich insgesamt ungünstig auf die Fettzusammensetzung aus: Es ergibt sich ein hohes n-6/n-3 Verhältnis und gesundheitlich bedenkliche Isomere von 18:1 trans-Fettsäuren werden gebildet. In der Schweiz ist der Einsatz solcher Fütterungsantibiotika und von hormonellen Leistungsförderern verboten. Fleisch eines Schweizer Weidemastrindes bietet also beim gesundheitlichen Wert Vorteile – aber wohl auch unter dem Gesichtspunkt tiergerechter Haltung und ressourcenschonender Produktion.

In Bezug auf tierfreundliche Haltungsverfahren nimmt die Schweiz eine Vorreiterrolle ein. So dürfte nicht nur in Fachkreisen bekannt sein, dass die Schweiz als erstes Land die Käfighaltung von Legehennen verboten hat (1992). Neben diesem prominenten Beispiel gab es auch für die anderen Nutztierarten aufgrund von Vorschriften und wirtschaftlichen Anreizen massgebliche Verbesserungen der Haltungsverfahren.

Die Gruppenhaltung tragender Muttersauen ist seit 1997 vorgeschrieben. Auf Abferkelkäfige (euphemistisch: «Ferkelschutzkörbe») muss seit 2007 verzichtet werden (während in Nachbarländern gegenwärtig noch gestritten wird, ob das überhaupt möglich ist) und die Kastration männlicher Ferkel findet seit 2010 konsequent unter Schmerzausschaltung statt (verbunden mit hohem technischen Aufwand und Kosten für die Narkose).

Insgesamt wird ein Grossteil der Nutztiere im Rahmen von Programmen wie «Raus» (regelmässiger Auslauf im Freien) oder «BTS» (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) gehalten, die bzgl. Tierwohl über die gesetzlichen Tierschutzvorschriften hinausgehen. Aber auch allein die strikte Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften ist durchaus bemerkenswert. So ist das Kupieren der Schwänze bei Schweinen (um sogenanntes Schwanzbeissen zu verhindern, das unter ungünstigen Haltungsbedingungen vermehrt vorkommt) nicht nur in der Schweiz verboten, aber nur in der Schweiz wird das flächendeckend umgesetzt.

Ethische und tierschützerische Aspekte werden auch in der Zucht stark gewichtet. So wird z.B. beim Schwein nicht einseitig auf grosse Würfe gezüchtet sondern Gewicht auf die Ausgeglichenheit der Würfe und die Aufzuchtrate gelegt, um zu vermeiden, dass vermehrt «überzählige», lebensschwache Ferkel geboren werden. Weitere Beispiele sind die oben bereits erwähnte Ausmerzung der genetischen Stressanfälligkeit beim Schwein und beim Rind der Verzicht auf das enorme Muskelansatzvermögen von sogenannten Doppellendern, die aber aufgrund ihrer Bemuskelung nur durch Kaiserschnitt auf die Welt kommen können.

Eine vorteilhafte Situation besteht in der Schweiz auch bezüglich der Tiergesundheit, eine wesentliche Grundlage für Tierwohl und Lebensmittelsicherheit. Die Schweiz ist anerkannt frei von hochansteckenden Tierseuchen. Mit hohem Aufwand wurden mit Sanierungsprogrammen bedeutende Tierkrankheiten in der Schweiz ausgerottet und der hohe Gesundheitsstatus wird erfolgreich durch Prävention und Überwachung sichergestellt. Unerfreuliche Einzelbeispiele (Tuberkulose beim Rind, PRRS beim Schwein) haben erfreulicherweise die Funktionsfähigkeit dieses System unter Beweis gestellt.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass Schweizer Fleisch unter verschiedensten Qualitätsaspekten durchaus vorzüglich ist. An einer weiteren Optimierung wird in verschiedenen Projekten, u.a. auch im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion » (NFP 69), gearbeitet. Dabei geht es u.a. um eine weitere Erhöhung der Tiergesundheit, Reduktion des Einsatzes von Antibiotika, Reduzierung der Emissionen aus der Tierhaltung und weitere Verbesserungen der Fleischqualität.

Eine Grundlage für die Entwicklung des erreichten Status und der Möglichkeiten weiterer Verbesserungen bildet sicherlich der hohe Wohlstand in der Schweiz. Einerseits kann der nötige Aufwand, den eine hohe Qualität erfordert, dadurch überhaupt geleistet werden. Andererseits sind so auch die hohen Ansprüche zu erklären, welche von der hiesigen Verbraucherschaft gestellt werden.

Interessant ist dabei, dass die kritische Wahrnehmung und anspruchsvolle Haltung von Bürgerinnen und Bürgern oftmals stark mit der Handlungsweise in der Rolle als Konsumentinnen oder Konsumenten kontrastiert, die meist in erster Linie durch den Preis bestimmten wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Konsumentenschaft eine mit den Ansprüchen gleichziehende Bereitschaft entwickelt, eine hervorragende Qualität zu honorieren und es damit allen Akteuren entlang der komplexen Wertschöpfungskette von Fleisch ermöglicht, die nötigen Anstrengungen und Aufwendungen zu leisten. (Text: Martin Scheeder)




Fleisch: Biomaterial zwischen Physik, Chemie und Lebensmitteltechnologie

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis, Physiker, Max-Planck-Institut, Mainz


Fleisch gehört kulturell zu einen lange zu einem geschätzte Lebensmittel, das in den Basiszuständen der Ernährung roh, gekocht und fermentiert, gemäss dem kulinarischen Dreieck nach Claude Lévy-Strauss. In der Tat wurde mit der Nutzbarmachung des Feuers und den damit sich entwickelnden Kochtechniken, der Schritt zu einer gezielten Lebensmittelverarbeitung geschaffen. Erst damit konnte Fleisch sicher und vielfältig verzehrt werden.

Der Verzehr von Fleisch in seinen verschiedene Formen, roh, heute als Tatar, Carpaccio, gekocht, etwa geschmort, oder fermentiert in seinen Formen als Rohwürste, hat sich in seinen Grundzügen kaum verändert, nur die Technologie und das Verständnis sind stetig gewachsen. Heute lässt sich selbst im Haushalt Fleisch auf den Punkt sous-vide bei niedrigen Temperaturen garen. Selbst die Herstellung von Rohwürsten aus eigener Hand, ist nicht mehr primär eine Frage der mikrobiologischen Lebensmittelsicherheit. Sofern Regeln beachtet werden, die sich vor allem durch mit einem besseren Verständnis der Vorgänge auf Molekülebene erschliessen.



Sousvide: Vakuum-Garung hier im Wasserbad in vakuumierten Beuteln.


Für ein grundlegendes Verständnis von Lebensmitteln und insbesondere für das «Biomaterial Fleisch» ist es daher notwendig, aus der jeweiligen Funktion des Fleisches im lebenden Tier, etwa die Funktion der Muskeln und Bindegewebes entsprechende Verarbeitungsformen bzw. Kochtechniken zu entwickeln, die ein entsprechend geschmackliches Resultat liefern.

Besonderer Wert wird beim Fleisch auf die Textur und das Mundgefühl gelegt. Diese, während des Kauens im Mund und Schlucken fühlbaren Eigenschaften, stehen aber im unmittelbaren Zusammenhang mit der molekularen Struktur der Proteine, des Fetts und der lokalen Wasserverteilung (Fleischsäfte) während der Gar- und Verarbeitungsprozesse.

In diesem Beitrag werden daher die molekularen Veränderungen des Fleischs beginnend mit dem Schlachten und den darauffolgenden post-mortem ablaufenden Prozesse, und deren Einfluss auf die sich anschliessende Garung vorgestellt. Garprozesse und die signifikanten Proteinveränderungen und damit verbundenen texturellen Konsequenzen werden angesprochen.

Untersucht wurden dabei mittels des sous-vide Verfahren die Garung von Muskelfleisch im Temperaturbereich zwischen 40° C und 70° C, und die sich dabei einstellenden Veränderungen bestimmter Proteine zugeordnet. Dabei spielen die Muskelproteine Myosin und Aktin die Hauptrolle. Insbesondere bestimmt die Veränderung des Myosins einen Grossteil der Wasserbindungen und der Zartheit, während sich Aktin möglichst wenig verändern sollte.

Dabei spielt auch die Garzeit einen erheblichen Einfluss. Die allgemeine Auffassung, bei niedrigen Temperaturen käme es auf die Garzeit nicht besonders an, konnte widerlegt werden. Der Wasserverlust und die Garung schreitet dennoch weiter fort, wie sich physikalisch relativ einfach erklären lässt.

In kollagenreichem Fleisch, etwa Beinscheiben, Schulter oder Bäckchen, das etwas höhere Temperaturen und vor allem längere Garzeiten erfordert, ist das Bindegewebe Kollagen und dessen Umwandlung in Gelatine der Hauptgarant einer guten Wasserbindung und damit «Zartheit», während Myosin, Aktin und andere Proteine weitgehend denaturiert sind.

Untermauert werden diese Ideen mit den Ergebnissen systematischer Experimente, die kürzlich von uns am Max-Planck-Institut für Polymerforschung durchgeführt wurden. Proteinveränderungen könne somit direkt über spezielle Verfahren untersucht werden. Genaue Messungen der Schnittkraft, Schermodule und andere physikalische Messgrössen lassen sich damit direkt in sensorische Eigenschaften übersetzen.

Aus der den verschiedene Basiszuständen des Kochens nach Lévy-Strauss (roh, gekocht, fermentiert) ergeben sich auch neue Erkenntnisse für die Verdaulichkeit du die biologische Verfügbarkeit von Proteinen. In einigen wissenschaftlichen Arbeiten wird die Verdaulichkeit von Fleisch abhängig von der Vorbehandlung systematisch untersucht. Im Zuge der sous-vide und Niedrigtemperatur Garmethoden, lassen sich diese Ergebnisse neu beleuchten.

Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung erlauben daher das Garen von Lebensmitteln und technologische Prozesse besser zu verstehen, aber auch entsprechend zu modifizieren. Sie dienen sowohl einem besseren also auch einem bewussterem Genuss – mit allen Sinnen. (Text: Thomas A. Vilgis)

Weiterlesen: Rückblick: Proviande-Symposium 2015: Teil 1

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