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12.6.2015 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Umstrittene Rinder-Tötung auf der Weide

Ein Zürcher Landwirt darf dank einer Probebewilligung seine Rinder auf dem Hof schiessen, um ihnen den Gang in den Schlachthof zu ersparen. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL erhofft sich davon Signalwirkung. Doch die Methode ist umstritten – auch innerhalb von Tierschutzkreisen.



Wie im Schlachthaus erfolgt auf der Weide die Lebendtierschau durch den Amtstierarzt. Die Tiere werden danach auf die Weidekoppel geführt. Die Tötung erfolgt also nicht wie teilweise in Deutschland auf der offenen Weide, sondern auf einem abgetrennten Gelände. Geschossen wird vom Hochsitz aus dasjenige Tier, das zuerst in der richtigen Position steht. Nach dem Schuss bricht es zusammen. Die anderen Tiere schauen kurz, bleiben aber ruhig und werden sofort aus der Koppel gelassen.


Eric Meili ist optimistisch. Der FiBL-Mitarbeiter ist die treibende Kraft hinter der Weideschlachtung und rechnet damit, dass andere Kantone nachziehen werden, sollte in Zürich nach erfolgreichem Abschluss von zehn Probeschlachtungen die definitive Bewilligung erteilt werden "Wir gehen davon aus, dass diese Bewilligung zur Leitbewilligung werden wird", sagt Meili. Noch euphorischer ist Ernst Hermann Maier: "Die Schweiz wurde mit dem Weideschlachtungs-Virus angesteckt und dieses wird nicht mehr zu stoppen sein", frohlockte der selbsternannte Rinderflüsterer und Pionier der Weideschlachtung aus Deutschland.

Ob es so einfach sein wird, ist fraglich. Denn die kritischen Stimmen der Methode gegenüber sind unüberhörbar und kommen von verschiedener Seite. So sieht der Schweizer Tierschutz STS keine Notwendigkeit für das Projekt. "In der Schweiz liegt bei korrekten Transporten und wenn die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden, das Ganze in der natürlichen Anpassungsfähigkeit von Tieren", sagt Geschäftsführer Hansuli Huber.

Anders sieht das die Tierschutzorganisation Vier Pfoten, die das Projekt zusammen mit dem FiBL aufgegleist hat. "Die Aussage der natürlichen Anpassungsfähigkeit ist ein typisches Argument der industriellen Tierhaltung. Heute ist man da einen Schritt weiter", sagt Sabine Hartmann, Direktorin für Tierschutz-Kooperationen von Vier Pfoten International. Hansuli Huber lässt dies nicht gelten.

"In der weltweiten industriellen Tierproduktion, insbesondere in der EU, wo Vier Pfoten aktiv ist, ist im Gegensatz zur Schweiz der Tiertransport sehr large geregelt", so der STS-Geschäftsführer. Auch bezüglich Schlachtung hinke die EU der Schweiz hinterher. Das FiBL stimmt mit dem STS überein, dass die Schweizer Gesetze mittlerweile den Tiertransport vorbildlich regeln. Trotzdem ist das Institut der Meinung, dass als Alternative auch das Schlachten ohne Transport geprüft und zugelassen werden soll.

Nicht glücklich über die Haltung des STS ist Eric Meili. Er geht davon aus, dass der Schweizer Tierschutz das Projekt kritisiert, weil dieser in Konkurrenz zu Vier Pfoten steht. Man sei vor eineinhalb Jahren von Meili auf das Projekt angesprochen worden, ohne Kenntnis, dass offenbar Vier Pfoten und das FiBL zusammenarbeiten, entgegnet Huber. "Da auch andere Organisationen, Kantonstierärzte und das BLV dem Weideabschuss ähnlich kritisch gegenüberstehen, ist die Aussage von Eric Meili sicher falsch."


Mit dem Hoflader muss das Tier sofort aufgezogen werden, um die Entblutung durchzuführen. Hinzu kommt der anwesende Metzger, der kontrolliert, ob die Betäubung wirkt. Sollte dies nicht der Fall sein, so benutzt der Metzger das Bolzenschussgerät. Danach wird das Rind direkt in die mobile Schlachtbox verladen und zur weiteren Verarbeitung ins Schlachtlokal gefahren. Bis zur Ankunft im Schlachtlokal dürfen nicht mehr als 45 Minuten vergehen, weil sonst das Fleisch nicht mehr verwertet werden dürfte.


Zufrieden mit den ersten drei Probeschlachtungen ist Landwirt Nils Müller. "Es ist das beste Konzept, das ich mir vorstellen kann", erklärt der Biobauer. Seine Angus-Rinder seien zutraulich und er habe eine gute Beziehung zu ihnen. "Diese Beziehung hört aber sofort auf, sobald ich ein Tier separiere. Denn die eigene Herde steht dem Rind näher als ich", sagt Müller.

Er will seinen Tieren den Transportstress und die Zeit im Schlachthaus deshalb nicht zumuten. Verladen muss die Tiere aber auch Müller, nämlich wenn's im Sommer auf die Alp geht. Dahinter steht Müller: "Die Tiere werden im Gegensatz zum Schlachttransport in der Gruppe verladen und transportiert", sagt er. Natürlich entstehe auch dabei Stress, weil die Rinder diesen aber auf der Alp gut abbauen könnten, könne er das seinen Tieren zumuten.

Grundsätzlich der Meinung, dass die Schlachtung im Schlachthof stattfinden muss, ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). "Das Schiessen von Rindern auf der Weide mag durch den Wegfall des zusätzlich belastenden Transportes durchaus positive Tierschutzaspekte haben", sagt Mediensprecherin Regula Kennel. Es handle sich bei der Betäubung und Tötung aber um einen hochkomplexen und mit diversen Risiken für Mensch und Tier behafteten Ablauf, der sorgfältiger Planung und stetiger amtlicher Kontrolle bedürfe.

Eine Bewilligung zur Weideschlachtung kann gemäss Kennel deshalb nur spezifisch auf die jeweiligen Örtlichkeiten abgestimmt und auf eine geringe Anzahl von Schlachttieren begrenzt bewilligt werden. "Die Schweizer Tierschutzgesetzgebung ist aber auf die Allgemeinheit der Tierhalter ausgerichtet", sagt Kennel. Zudem sei eine grösstmögliche Sicherheit für eine tierschutzkonformes Betäuben und Töten des Tieres nur bei einer Fixierung möglich. Diese Gefahr von Fehlschüssen hält Nils Müller für minim. "Die eingesetzte Kleinkalibermunition verursacht eine tiefe und sichere Betäubung", sagt Müller.

Der Bauer musste vorgängig eine Jagdausbildung absolvieren und die Schussabgabe erfolgt aus drei bis vier Metern Entfernung. Sollte dennoch mal die Betäubung nicht korrekt erfolgen, steht ein Metzger mit einem Bolzenschussgerät bereit. Und für den Fall, dass ein Tier nach dem ersten Schuss nicht zusammenbricht, habe er schliesslich mehr als eine Patrone im Gewehr.

Die Initianten halten eine Fehlbetäubung aber für äusserst unwahrscheinlich und weisen daraufhin, dass es auch in Schlachthäusern zu Fehlbetäubungen kommen kann. Gemäss deutschen Zahlen lägen diese im Bereich von zehn Prozent. Für die Schweiz kann Fabian Vetsch von Bell diese Zahlen aber nicht bestätigen. "Es ist richtig, dass es auch im Schlachthof zu Fehlschüssen kommen kann, allerdings liegt die Zahl bei uns deutlich unter einem Prozent", sagt Vetsch.

Nicht massentauglich

Grosse Bedenken äussert das Bundesamt auch aus lebensmittelhygienischen Gründen. "Insbesondere die Entblutung innerhalb von einer Minute und die weitere Schlachtung innerhalb von 45 Minuten in einem bewilligten Schlachthof setzen hier Grenzen", so Regula Kennel. Die Methode dürfte dementsprechend nur für einzelne Betriebe in Frage kommen, die diese Bedingungen wie Nils Müller in Forch erfüllen können.

Auch die Finanzen dürften dabei eine Rolle spielen, denn die benötigte Infrastruktur wie Weidekoppel und mobile Schlachtbox sind teuer. Dass die Methode nicht für jedermann in Frage kommt, sieht auch Eric Meili so: "Die Weideschlachtung ist eine Nische für Schlachtung mit grösstmöglichem Tierwohl und Fleischqualität". Er ist überzeugt davon, dass die Methode eine gute Möglichkeit für direktvermarktende Produzenten sein kann.

Hinkender Vergleich

In Deutschland ist der Kugelschuss auf der Weide bereits weiter verbreitet. Damit argumentieren die Schweizer Befürworter der Methode. Doch läge der Hof von Nils Müller in Deutschland, so wäre ihm die Weideschlachtung verboten. Denn dort ist diese nur erlaubt, wenn die Tiere ganzjährig auf der Weide sind. Diese Rinder sind weniger oder kaum an Menschen gewöhnt und dementsprechend ist der Stress beim Verladen ausgeprägter. Eine solche Haltung ist in der Schweiz nicht verbreitet und auch nicht erwünscht.

"Wenn die Tiere durch den geringen Kontakt mit Menschen so menschenscheu geworden sind, dass jede Situation, in denen der Kontakt unumgänglich ist, zu Stress bei Rindern und Menschen führt, also auch bei Pflege oder Gesundheitsüberwachung, ist auch der Weideabschuss nicht angezeigt", sagt Regula Kennel vom BLV. Das sieht auch das FiBL so: Dass verwilderte Rinder in Wildwest-Manier abgeschossen werden sollen, sei auch für das FiBL absolut nicht akzeptabel. (Text: LID)

Weiterlesen: Umstrittene Weideschlachtung hierzulande getestet

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