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13.11.2015 - Rubrik: Fleisch & Delikatessen
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Tierwohl zwischen Preis und Gewissen

Das Wohl der Tiere liegt den Konsumenten laut Umfragen am Herzen. Allerdings sind sie nicht bereit, dafür allzu tief in die Tasche zu greifen. Sie kaufen immer noch Fleisch aus Ländern, die nur minime Tierschutzvorschriften für Nutztiere kennen.




In der EU haben 25% der Schlachtschweine den Fleischfehler PSE wegen Transportstress.

(PSE = pale, soft, exudadive d.h. bleich, weich und wässerig)


Tierwohl ist ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Argument von Schweizer Konsumenten um Eier, Milch und Fleisch aus dem Inland zu kaufen. Zu Recht, denn die Schweizer Tierschutzgesetzgebung hebt sich von den Mindestvorschriften im Ausland ab, sie ist strenger. Allerdings ist auch die Schweizer Tierschutzgesetzgebung nur ein Kompromiss: Sie stellt nämlich nicht das maximale Tierwohl sicher, sondern verhindert lediglich Haltungsformen, die als Tierquälerei bezeichnet werden müssten. Wirklich tierfreundliche Haltungssysteme sind in der Schweiz freiwillig und dafür gibt es - verglichen mit den Beiträgen für Biodiversität oder Landschaftsqualität - verhältnismässig wenige Direktzahlungen vom Staat. Den Rest müssen die Bauern am Markt holen. Das ist gar nicht so einfach.

In der EU ist das Tierwohl in den letzten Jahren in den Fokus der Politik gerückt, da die Bauern hoffen, dass sie damit im Fall des geplanten Freihandelsabkommens mit der USA (TTIP) punkten können. Oder, indem sie die geltenden Tierwohlschriften als Wettbewerbsnachteil und damit als Handelshemmnis bei der World Trade Organisation (WTO) platzieren können. Bislang ist das jedoch nicht gelungen. Und im Falle des TTIP-Abkommens würde es vermutlich wenig nützen, da bei diesem Abkommen alle Macht bei einem TTIP-Regulierungsrat liegen würde.

Somit bleibt die Macht über das Tierwohl weiterhin in den Händen der Konsumentinnen und Konsumenten. Sie entscheiden mit ihrem Kaufverhalten, ob es den Nutztieren zu Lebzeiten gut geht oder nicht. Eine Übersicht über die verkauften Mengenanteile aus tierfreundlichen Haltungssystemen beim Frischfleisch der beiden Grossverteilern Migros und Coop ist recht ernüchternd. Tierwohl zählt offenbar nur dann als Verkaufsargument, wenn es gleichzeitig günstig ist.

Nutztierschutz im Ländervergleich

Zu den Kriterien für eine artgerechte und damit tierfreundliche Tierhaltung gehören viele Faktoren. Zum Beispiel eine den Sozialbeziehungen der Tiere angepasste Gruppengrösse, ein ausreichendes Platzangebot pro Tier, die Gelegenheit zum Auslauf, getrennte Lebensbereiche zum Fressen, Liegen und Koten, ein optimales Stallklima und eine artgerechte Fütterung. Artgerecht gehaltene Tiere sind vitaler und weniger stressanfällig, was zugleich die Voraussetzung dafür ist, dass sie eine artgemässe Leistung erbringen.


(Comic: LID)


Das Schweizer Tierschutzgesetz ist diesbezüglich auf gutem Weg. Wer die Schweizer Tierschutzgesetzgebung erfüllt, bietet seinen Tieren ein einigermassen artgerechtes Leben – das ist aber nicht ein Maximum an Tierwohl, sondern in erster Linie das Vermeiden von Tierquälerei. Was jetzt vielleicht nach wenig tönt ist international gesehen eine beachtliche Leistung: Zum Beispiel ist in der Schweiz als einzigem Land der Welt das Kastrieren von Nutztieren ohne Schmerzausschaltung (Betäubung) verboten.

Wenn man versucht die Standards der Tierschutzgesetzgebung verschiedener Länder zu vergleichen steht man vor einem nahezu unüberschaubaren Wirrwarr unterschiedlicher Vorschriften. Ein schematischer Vergleich über alle Länder und Regionen hinweg ist schwierig bis unmöglich. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass die Schweizer Tierschutzvorschriften deutlich strenger und detaillierter sind als z.B. die Mindeststandards in den EU-Richtlinien, und die EU-Richtlinien sind wiederum strenger als Richtlinien in Südamerika oder Asien.

Eine herausragende Stellung nimmt die Schweiz im internationalen Vergleich mit den beiden freiwilligen Tierwohlprogrammen für „Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme“ (BTS) und dem „Regelmässigen Auslauf im Freien“ (RAUS) ein.

Bei der Verbreitung der Weidehaltung dürfte die Schweiz im Vergleich mit den umliegenden Ländern führend sein. Und bei der Beteiligungsrate an privatrechtlichen Labelprogrammen nimmt sie ebenfalls eine Spitzenposition ein. So werden z.B. rund zwei Drittel der Mastschweine in Labelställen mit Mehrflächenbuchten, Auslauf und eingestreuter Liegefläche gehalten. Eine Umfrage des Schweizer Tierschutzes (STS) ergab über alle Tierarten gesehen, für die Schweiz europaweit mit Abstand die höchsten Anteile an besonders tierfreundlichen Haltungsformen wie der Weide-, Auslauf-, Freiland- und Gruppenhaltung.

Tierschutzgesetz der EU

Die EU hat zwar gemeinsame Mindestvorschriften, trotzdem bestehen in den einzelnen Ländern nach wie vor grosse Unterschiede bei den Tierschutzbestimmungen. Das EU-Parlament hat im Jahr 2012 eine Zusammenführung aller Vorschriften in einer einheitlichen EU-Tierschutz-Gesetzgebung gefordert, deren Einhaltung zudem streng überwacht werden sollte. Es wollte damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Nutztierhalter in der EU schaffen. Der Vorstoss stiess auf grossen Widerstand und zwar aus zwei Gründen: Erstens ist es bis heute noch nicht einmal gelungen, die bisherigen Vorschriften in allen Ländern durchzusetzen. Und zweitens ist die Mentalität in den EU-Staaten sehr verschieden, was sich auch auf die Kontrollergebnisse auswirkt, wie in diesem Dossier später noch gezeigt wird.

Die Natur kennt keine Lastwagen. Sie ist deshalb auch nicht darauf ausgerichtet, dass Tiere eng zusammengepfercht viele Stunden, oder sogar tagelang im Lastwagen durch die Gegend gekarrt werden. In der EU dürfen Schweine bis zu 24 Stunden am Stück transportiert werden, solange sie Zugang zu Trinkwasser haben. Pferde müssen in derselben Zeit wenigstens alle 8 Stunden getränkt werden. Rinder, Schafe und Ziegen dürfen in der EU 14 Stunden am Stück transportiert werden, und dann – mit Unterbruch von einer Stunde Ruhezeit plus Tränke – weitere 14 Stunden Fahrt anhängen. Diese Transportabschnitte können beliebig oft wiederholt werden, wenn die Tiere dazwischen für 24 Stunden an einer zugelassenen Kontrollstelle entladen, gefüttert und getränkt werden. Zum Vergleich: In der Schweiz dürfen Tiere maximal 6 Stunden transportiert werden.

Was lange fährt ist selten gut

Lange Fahrten sind ungesund, denn sie schwächen das Immunsystem. Das kann laut STS z.B. dazu führen, dass sich bei Hühnern Salmonellen stärker ausbreiten. Während in der Schweizer Hühnerhaltung Salmonellen dank eines ausgeklügelten Systems und tierfreundlicher Haltungsformen kaum vorkommen, werden in 20 bis 40% der EU-Geflügelhaltungen Salmonellen nachgewiesen. Ausserdem kommt nicht jedes Tier, das transportiert wird, lebend am Schlachthof an. Fachleute gehen laut STS davon aus, dass in der EU bis zu 2 Mio. Schweine jährlich beim Transport verenden – das ist fast so viel wie jährlich in der Schweiz geschlachtet werden. Beim Geflügel dürften gegen 10 Millionen Tiere in der EU jährlich dem Transport zum Opfer fallen.

Die Todesfälle sind nur die Spitze des Eisberges. Oft werden die Tiere in anderen Ländern mit Elektroschock ins Fahrzeug oder in den Schlachthof getrieben. Die meisten Tiere sind gestresst, wenn sie am Schlachthof eintreffen und nicht wenige sind verletzt. Das wirkt sich auf die Fleischqualität aus: In der EU kann bei rund jedem vierten Schlachtschwein PSE nachgewiesen werden. PSE steht für „pale, soft, exudative“ und bedeutet nichts anderes, als dass das Fleisch wegen der Ausschüttung von Stresshormonen bleich, weich und wässrig geworden ist. Um das zu verhindern, werden den Tieren in vielen Ländern Beruhigungsmittel verabreicht.

In der EU sucht man derzeit fieberhaft nach Differenzierungsmerkmalen, für den Fall, dass das Freihandelsabkommen TTIP in Kraft treten sollte. Ein Tierschutzlabel für besonders tiergerecht erzeugte Produkte könnte möglicherweise neue Marktchancen eröffnen und die erwarteten Nachteile des Abkommens vielleicht ausgleichen. Allerdings konnten sich die Experten aus Landwirtschaft, Industrie und Lebensmittelhandel bislang noch nicht für ein solches Label begeistern. Sie fürchten, dass die Marktnachfrage nicht sehr gross, und die Möglichkeiten der Produktdifferenzierung eher klein sind. Es scheint deshalb derzeit eher unwahrscheinlich, dass die EU in näherer Zukunft ein solches Label entwickeln wird.

Bescheidener Marktanteil von Labels

In Zukunft dürfte das öffentliche Interesse am Tierschutz eher noch zunehmen. Trotzdem ist auch in der Schweiz das strengste und damit tierfreundlichste Label gleichzeitig das Label mit dem geringsten Marktanteil: Es ist Kagfreiland. Je nach Fleischart liegt der Labelfleischumsatz bei den Grossverteilern zwischen 20 und 65%. Den grössten Marktanteil hat weiterhin QM-Schweizer Fleisch, also das Produktionssystem, das keine über das Tierschutzgesetz hinausgehenden, zusätzlichen Anforderungen stellt. Die Konsumentinnen und Konsumenten stehen also noch in der Pflicht den Beweis anzutreten, ob sie wirklich eine tierfreundliche Nutztierhaltung wünschen und auch bereit sind, fürs Tierwohl etwas mehr zu bezahlen.

Bei der Entwicklung des biologischen Landbaus stand das Tierwohl nicht an oberster Stelle. Nutztiere wurden in erster Linie als Düngerlieferanten angesehen, sie waren für das Schliessen der Kreisläufe auf dem Hof wichtig. Inzwischen ist das zwar nicht mehr ganz so, trotzdem finden sich auch im Biolandbau-Regelwerk weniger Vorschriften fürs Tierwohl, als z.B. für die Biodiversität. Dafür ist RAUS bei allen Tierarten in Biobetrieben zwingend. Zudem gibt es auch innerhalb von Bio noch weitergehende Programme, wie z.B. Bio-Weidebeef.

Fassen wir also zusammen: Die Konsumenten wollen tierische Produkte aus tierfreundlicher Haltung. Sie wollen aber nicht unbedingt mehr dafür bezahlen. Einen Ausweg aus dieser Zwickmühle sieht der Handel im Import tierfreundlicher Produkte aus Ländern, in denen die Produktionskosten deutlich tiefer sind als in der Schweiz. Allerdings ist der Anteil an Produkten, die analog zur Schweizer Tierschutzverordnung im Ausland produziert wurden, nach wie vor sehr klein.

Migros: Es gibt noch viel zu tun

Der Schweizer Detailhändler Migros verspricht im Rahmen der Nachhaltigkeitskampagne Generation M, dass bis 2020 sämtliche tierischen Importe der Migros mindestens die Vorgaben der Schweizer Tierschutzverordnung erfüllen. Die Migros arbeitet dabei eng mit externen Partnern wie dem Schweizer Tierschutz (STS) zusammen.

Als erstes wurde die Trutenproduktion angepasst. Erstens, weil die Produktionsbedingungen bei dieser Tierkategorie stark kritisiert wurden und zweitens, weil die Migros rund 75% des frischen Trutenfleisches importiert. Inzwischen hat die Migros zusammen mit ihren Partnern in Ungarn rund 30 Ställe nach Schweizer Vorgaben umgerüstet oder neu gebaut. Seither kommen jedes Jahr 200'000 der in der Migros verkauften Truten in den Genuss von Schweizer Tierwohlstandards.

Für die betroffenen Truten ist das zweifellos eine Verbesserung. Sie haben u.a. mehr Platz, Tageslicht im Stall und Zugang zu einem Wintergarten. Doch das Engagement für das Wohl der Truten hat eine weniger löbliche Vorgeschichte: Bis Mitte 2007 wurden nämlich jährlich 350'000 Truten für die Migros in der Schweiz produziert – und zwar genau nach dem Standard, den die Migros nun ihren ungarischen Trutenproduzenten vorschreibt. Mitte 2007 hat die Micarna SA allen 52 Schweizer Trutenmästern den Vertrag gekündigt, für viele überraschend.

Die Kündigung erfolgte aus rein wirtschaftlichen Gründen, die Micarna schob die Schuld auf den Systemwechsel bei den Fleischimporten und die anhaltend hohen Futterkosten. Fakt ist aber auch, dass sie nicht in die Erneuerung ihrer Trutenschlachtanlage investieren wollte. Rentabilitätsprobleme hat die Migros bei der Trutenproduktion in Ungarn vermutlich keine: Selbst mit Schweizer Standard sind die Produktionskosten dort deutlich tiefer, allein schon wegen der niedrigeren Lohnkosten.

Auch bei Coop gibt's Verbesserungspotential

Die Coop-Tochter Bell hat die Schweizer Trutenproduktion für Coop aus denselben wirtschaftlichen Gründen als die Migros eingestellt. Sie war damit sogar noch etwas früher dran. Laut ihrem Mediensprecher arbeitet Coop intensiv daran, die Produktionsstandards im Ausland an den Schweizer Tierschutzstandard mit zusätzlich erhöhten Sitzgelegenheiten im Stall sowie Auslauf in einen Wintergarten (analog dem Schweizer BTS Programm) anzupassen. Erste Ställe im Ausland (Truten: Deutschland und Frankreich, Poulet: Slowenien) wurden bereits umgebaut und erfüllen heute diese Anforderungen.

Bei den Enten hat Coop hat die gesamte Beschaffung auf das zertifizierte französische Label Rouge umgestellt. Diese Enten wachsen in kleinen Gruppen auf, haben helle und gut gelüftete Ställe und erhalten Zugang ins Grüne sobald sie vollgefiedert sind. Die Richtlinien der Label Rouge Haltung werden laut Coop regelmässig von unabhängigen Zertifizierungsstellen kontrolliert. Bei der Entenbrust hat Coop gemeinsam mit einem Lieferanten in Ungarn eine Zucht mit Auslauf ins Freie und freiem Wasserzugang zum Schwimmen aufgebaut.

Tabelle:
Mengenanteile Frischfleisch bei Migros und Coop nach Fleischsorte und Label



Spezialfall Pferdefleisch

2013 startete die Migros ein konkretes Projekt zur Verbesserung des Tierwohls bei ihren Pferdefleischlieferanten, denn sie bezog 92% des Pferdefleischs von einem einzigen Lieferanten aus dem Ausland, der Firma Bouvry in Kanada. Eine unangemeldete Kontrolle durch eine unabhängige Kontrollstelle, die durch Vertreter der Migros begleitet wurde, ergab jedoch, dass es mit der Umsetzung diverser Vorgaben haperte, insbesondere bei der Herkunft der Pferde und der Tierpflege. Die Migros verzichtet seither auf die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Bouvry und bezieht seit Juni 2014 sämtliches Pferdefleisch übergangsweise ausschliesslich aus der Schweiz. Sie hat das Sortiment an Pferdefleisch deutlich reduziert.

Coop importiert laut eigenen Angaben das gesamte Pferdefleisch aus Betrieben in Frankreich und Spanien. Diese werden offenbar durch den Importeur GVFI, Coop und die unabhängige Kontrollstelle SGS überprüft. Bei der Kontrolle kommt eine Checkliste auf der Basis der Schweizer Tierschutzverordnung zum Einsatz, welche die Betriebe in Frankreich und Spanien laut Coop-Mediensprecher Ramon Gander vollumfänglich erfüllen.

Perspektiven

In der EU sucht man derzeit fieberhaft nach Differenzierungsmerkmalen, für den Fall, dass das Freihandelsabkommen TTIP in Kraft treten sollte. Ein Tierschutzlabel für besonders tiergerecht erzeugte Produkte könnte möglicherweise neue Marktchancen eröffnen und die erwarteten Nachteile des Abkommens vielleicht ausgleichen. Allerdings konnten sich die Experten aus Landwirtschaft, Industrie und Lebensmittelhandel bislang noch nicht für ein solches Label begeistern. Sie fürchten, dass die Marktnachfrage nicht sehr gross, und die Möglichkeiten der Produktdifferenzierung eher klein sind. Es scheint deshalb derzeit eher unwahrscheinlich, dass die EU in näherer Zukunft ein solches Label entwickeln wird.

Die grösste Schwierigkeit und Auseinandersetzung im internationalen Handel liegt bei der Durchsetzung von umwelt- und tierschutzbezogenen Produktstandards. In diesem Zusammenhang kommt den Direktzahlungen eine besondere Bedeutung zu. Innerhalb der WTO darf jedes Land Massnahmen ergreifen, damit die Ziele der Multifunktionalität erfüllt werden können. Diese Green Box-Massnahmen unterliegen keinen Abbauverpflichtungen.

In der Schweizer Direktzahlungsverordnung findet man allerdings nur wenige Massnahmen zum Tierwohl, die in diese Green Box passen. Während es Dutzende von Vorschriften zur Förderung der Biodiversität und Hunderte von Vorschriften zur Landschaftsqualität gibt, gibt es lediglich zwei staatliche Programme die spezifisch auf die Förderung vom Tierwohl ausgerichtet sind: Das ist die besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) und der regelmässige Auslauf im Freien (RAUS).

Dass die Ökobeiträge mit 300 Mio. Franken (2013) höher liegen als die Tierwohlbeiträge mit 235 Mio. zeigt den Stellenwert des Tierwohls in der Agrarpolitik. Der Verfassungsgrundsatz, dass der Bund „mit wirtschaftlich lohnenden Anreizen Produktionsformen fördert, die besonders naturnah, umwelt- und tierfreundlich sind“ wird zumindest was den letzten Punkt angeht, wenig überzeugend umgesetzt. Hier gäbe es noch viel Potential – genau deshalb, weil die Konsumenten eben nur begrenzt bereit sind an der Ladentheke fürs Tierwohl zu bezahlen.

Tierwohl als Marketing-Argument

Die Konsumenten sind bereit beim Kauf tierischer Produkte mehr fürs Tierwohl zu bezahlen. Nachdem ein europäisches Tierschutzlabel derzeit wenig realistisch erscheint, versucht der Handel die Zahlungsbereitschaft mancher Konsumenten wenigstens auf andere Art zu nutzen. In Deutschland will z.B. die „Initiative Tierwohl“ die Haltungsbedingungen für Schweine und Geflügel verbessern.

Die „Initiative Tierwohl“ ist ein Bündnis aus Lebensmitteleinzelhandel, Fleischwirtschaft und Tierhaltern. Sie begründen ihre Aktivität mit einem Umdenken der Gesellschaft beim Fleischverzehr. So hielten inzwischen rund 60 Prozent der deutschen Verbraucher eine artgerechte Tierhaltung für wichtig, allerdings wollten nur 30 Prozent deutlich mehr Geld dafür ausgeben. Deshalb sollen Landwirte, die ihren Tieren mehr bieten, als es die Gesetze vorschreiben, künftig aus einem Fonds Geld bekommen.

Der Fonds wird seit dem 1.Januar 2015 von den Handelsketten Aldi, Edeka, Kaiser's Tengelmann, Kaufland, Lidl, Netto, Penny, Real und Rewe mit einer Abgabe aus dem Fleischverkauf gespiesen: Pro Kilogramm Verkaufsmenge werden vier Cent in den Fonds eingezahlt. In den kommenden drei Jahren sollen so rund 255 Millionen Euro zusammenkommen. Ab April 2015 können sich Landwirte zum Mitmachen anmelden, ab Juli sollen die entsprechend ausgezeichneten Produkte in den Handel kommen.

Was sich konkret für die Nutztiere verbessert, bleibt bei dieser Initiative weitgehend den Tierhaltern überlassen. Sie können bei Schweinen z.B. einen Auslauf für die Tiere schaffen, sie zusätzlich mit Heu füttern oder Haltebuchten in Liege-, Spiel- und Fressbereiche aufteilen. Oder sie können Puten die Schnabelspitzen nicht mehr mit einem heissen Messer, sondern per Infrarot-Technik stutzen lassen. Tierschutzorganisationen kritisieren die Initiative, weil sie reine Augenwischerei sei (für das Gros der Nutztiere ändert sich nicht) und in erster Linie der Konsumententäuschung diene - kupierte Schnäbel sind nämlich auch dann nicht tiergerecht, wenn sie per Infrarot-Technik kupiert werden. Quelle: Initiative Tierwohl, 2015 (Text: LID)

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