Proviande hat eine «Branchenlösung Tränkekälber» entwickelt. Ein wichtiger Schritt ist die Einführung einer Mindesthaltedauer auf dem Geburtsbetrieb von 21 Tagen.
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Neugeborenes Kalb
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Die Milchproduktion ist eng mit der Fleischproduktion verbunden – eine Kuh gibt nur dann Milch, wenn sie jährlich ein Kalb zur Welt bringt. Nicht alle Kälber eignen sich für die Nachzucht und werden kurz nach der Geburt verkauft. Je nach Angebot und Nachfrage, ist die Nachfrage der einzelnen Qualitätsklassen unterschiedlich. Trotzdem sollen auch Tränkekälber, die am Markt nicht nachgefragt sind, mit Respekt behandelt und sinnvoll eingesetzt werden können. Für solche Kälber müssen deshalb dringend Lösungen gefunden werden.
Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Proviande mit Mitgliedern aus der Fleischbranche (Schweizerischer Viehhändlerverband SVV, Schweizerischer Kälbermästerverband SKMV, Bell Schweiz AG, Micarna SA, Ernst Sutter AG) sowie mit Vertretern der Schweizer Milchproduzenten und des Schweizer Bauernverbandes hat eine breit abgestützte Branchenlösung zur Regelung des ersten Halterwechsels für Tränkekälber erarbeitet. Die Lösung tritt am 1. November 2015 in Kraft. Sie findet in der Branche breite Zustimmung und wird auch vom Schweizer Tierschutz STS begrüsst.
21 Tage sind sinnvoll
Die Arbeitsgruppe erachtet eine Mindesthaltedauer für Kälber von 21 Tagen auf dem Geburtsbetrieb als wichtige Voraussetzung für den weiteren Einsatz (Aufzucht, Kälbermast, Grossviehmast). Eine optimale Pflege und Versorgung der Kälber muss dabei gewährleistet sein. Auf dem Geburtsbetrieb profitieren sie von den besten Bedingungen für einen guten Start ins Leben, die sich auch für die Produzenten nur positiv auswirken:
Optimale Erstversorgung nach der Geburt
Stärkung des Immunsystems dank Biestmilch
Gute Vorbereitung auf die Mast
Gesündere, robustere und grössere Tiere
Merkblatt «Empfehlungen für eine optimierte Aufzucht und Mast»
Im Vorfeld zur aktuellen Arbeit wurde bereits eine Broschüre veröffentlicht, welche Tipps und Fakten über die wichtigsten Einflussfaktoren für das Wachstum und die Gesundheit der Kälber liefert. Sie kann unter www.schweizerfleisch.ch/broschuere-kaelber kostenlos heruntergeladen werden. (Text: Proviande)
PRESSESCHAU
Imageschaden abwenden
Für Sie gelesen im Tagesanzeiger: Mit der skizzierten Lösung versucht die Milch- und Fleischwirtschaft nicht zuletzt, Schrammen in ihrem Image zu polieren. Männliche Kälber setzen zu wenig schnell und zu wenig Fleisch an. Weil sich zudem mit Milch immer weniger Geld verdienen lässt, gelten diese Tiere mehr denn je als unrentabel - sie werden zunehmend zum Abfallprodukt.
Bis zu 10 000 Kälber von Milchkühen, so schätzt der Schweizer Tierschutz (STS), werden kurz nach der Geburt getötet. In manchen Fällen geschehe dies sogar bereits vor der gesetzlich erlaubten Frist von sieben Lebenstagen. Hinweise darauf liefert unter anderem die Tierverkehrsdatenbank des Bundes. Demnach sind letztes Jahr 10 100 Kälber der Hochleistungskuhrassen Red Holstein und Holstein tot zur Welt gekommen oder spätestens drei Tage nach der Geburt gestorben. Das sind knapp 4000 mehr als 2010, dies bei nur leicht schwankender Geburtenrate. Bei Red-Holstein-Kühen werden laut Statistik mittlerweile 7 Prozent aller Kälber nicht älter als drei Tage. Dieser Wert liegt über dem Durchschnitt aller
Rindviehrassen (4,6 Prozent). Tierschützer vermuten, dass die Bauern kurz nach der Geburt erkrankte Tiere nicht mehr behandeln, sondern sie lieber sterben lassen, um sich ihrer so auf einfache Art zu entledigen. Doch das «Eintagskälbchen», warnt der STS, dürfe keinesfalls zur akzeptierten Begleiterscheinung der modernen Milchproduktion werden. Die Branche widerspricht dem nicht; vielmehr ortet sie selber ein «ethisches Problem» - ein Problem, das sie jedoch selber lösen will. «Es braucht keine neuen Gesetze», sagt Peter Schneider von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft.
Eine erste Bilanz will die Branche im nächsten Frühjahr ziehen. Klarheit bringen soll
dannzumal unter anderem eine Auswertung der Tierverkehrsdatenbank. Offen ist das weitere Vorgehen, sollte sich zeigen, dass die Kälber noch immer überdurchschnittlich häufig zu früh sterben. «Einen Plan B haben wir noch nicht», räumt Schneider ein. Diskussionen über andere Ansätze hält er für verfrüht. Die Branchenlösung sei breit abgestützt und habe eine Chance verdient.
Ein möglicherweise entscheidender Anreiz fehlt freilich: Garantierte Preise für Kälber mit 21 Tagen auf dem Geburtsbetrieb wird es nicht geben. Dies sei im hart umkämpften Markt nicht durchsetzbar, so Schneider. Mitgetragen wird die neue Strategie vom Schweizer Tierschutz. Geschäftsführer Hansuli Huber sieht darin jedoch nur einen ersten Schritt: «Bei Kälbern, aber auch Aufzuchtrindern und
Milchkühen braucht es generell einen besseren Tierschutz.» Huber zeichnet einen Gegenentwurf zur industriellen Milchproduktion, wie sie im Ausland verbreitet ist: Kühe, die gesund sind und lang leben, auf Weiden grasen, kein Import-Kraftfutter fressen müssen und nicht darauf getrimmt sind, Unmengen von Milch zu produzieren. «Die Branche könnte sich auch in diesen Punkten selber organisieren», sagt Tierschützer Huber.
Der STS schlägt zudem vor, ein neues Label zu schaffen - ein Tierwohl-Label, das Milch und Milchprodukte aus tierfreundlicher Haltung kennzeichnen soll. Branchenvertreter reagieren indes zurückhaltend bis ablehnend auf die Vorschläge. Wie Proviande-Experte Schneider verweisen auch sie auf die Branchenlösung. Es gelte nun, deren Ergebnis abzuwarten.
(Volltext: www.tagesanzeiger.ch 2. Oktober 2015)
(gb)
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