Die Konsumentenschützer und die Lebensmittelindustrie akzeptieren die diskutierte Anerkennung von EU-Produkten bei uns, fordern aber Ausnahmen bzw Gegenseitigkeit.
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In der Schweiz soll gemäss Konsumentenorganisationen die Herkunftsbezeichnung, die GVO-Bestimmungen und die Deklaration von Eiern aus Käfighaltung beibehalten werden, wenn EU-Produkte bei uns anerkennt werden (Cassis de Dijon). Die Lebensmittelindustrie will jedoch Cassis de Dijon generell nur bei gegenseitiger Anerkennung.
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Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und die Westschweizer Konsumentenvereinigung FRC wehren sich nicht gegen die Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips. Sie plädieren aber dafür, dass in zehn Fällen das schärfere Schweizer Recht beibehalten wird. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip sei ein Mittel im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz, hiess es am Montag, 5. März 2007 an einer Medienkonferenz der SKS und der FRC in Bern. Die Schweiz solle aber ihren Spielraum als Nicht-EU-Mitglied ausnützen.
Zu den bewährten Schweizer Normen gehörten laut den beiden Organisationen die Verbote bezüglich bestimmter Farbstoffe, die Anwendung bestimmter Zusatzstoffe und die Regelung der Bestrahlung durch ionisierende Strahlen. Die Höchstmengen für Fremd- und Inhaltsstoffe sollen ebenfalls beibehalten werden.
Weiter sollen in der Schweiz auch die Herkunftsbezeichnung, die Bestimmungen über gentechnisch veränderte Organismen, die Deklaration von Eiern aus Käfighaltung, die Deklaration von Alcopops und die Anpreisung von Lebensmitteln als Heilmittel über das Cassis-de-Dijon-Prinzip gestellt werden.
Die beiden Konsumentenschutzorganisationen fordern auf der anderen Seite auch Anpassungen der Schweizer Bestimmungen an EU-Recht. Betroffen davon sind die in der EU schärferen Vorschriften bezüglich Produktesicherheit sowie einzelne Regelungen im Konsumentenrecht. Verlangt wird gleichzeitig die Zulassung von Parallelimporten und die Übernahme von privatrechtlichen EU-Normen. In der EU beispielsweise beträgt die Normbreite für Kücheneinbaugeräte derzeit 60 Zentimeter, in der Schweiz 55 Zentimeter. (Quelle: LID)
Cassis-de-Dijon auf dem Prüfstand (aus dem fial Letter 1-2007):
Die Vernehmlassung der
fial zur Übernahme
des Cassis-de-Dijon-Prinzips als zusätzliches
Instrument zum Abbau technischer
Handelshemmnisse wird sich auf drei Hauptpunkte konzentrieren:
1. Die Frage der einseitigen oder gegenseitigen
Übernahme,
2. die Vermeidung einer
Benachteiligung der Hersteller im Inland (sog.
"Inländerdiskriminierung")
3. die Ausnahmelisten
vom harmonisierten EU-Recht bzw.
das Beibehalten schweizerischer Sonderregelungen.
Die Foederation der Schweizer Nahrungsmittelindustrien fial steht einer Revision des Bundesgesetzes
über die technischen Handelshemmnisse (THG)
und der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips
grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber. Sie befürwortet
jedoch eine gegenseitige Anwendbarkeit verbunden
mit einer vollständigen Übernahme des "acquis
communautaire".
Vor- und Nachteile
Der Bundesrat will im Rahmen der laufenden Revision
des THG das Cassis-de-Dijon-Prinzip einseitig
einführen. Damit bewahre sich die Schweiz einen
grösseren "Handlungsspielraum für das Weiterführen
bestehender Abweichungen vom harmonisierten
EG-Recht" und die Möglichkeit, "die einseitige Öffnung
jederzeit ganz oder teilweise zurückzunehmen".
Eine vertragliche Regelung mit der EU auf
Gegenseitigkeit soll erst im Rahmen eines allfälligen
Agrar-Freihandelsabkommens geprüft werden. Aber aus Sicht der Nahrungsmittel-Industrie ist eine gegenseitige
Einführung aus drei Gründen vorzuziehen:
Erstens setzt eine mit der EU vertraglich und
auf Gegenseitigkeit beruhende Regelung die umfassende
Übernahme des "acquis communautaire" voraus.
Sie bringt somit die vollständige EU-Kompatibilität
im harmonisierten Bereich und macht Diskussionen
über die Weiterführung schweizerischer Sonderregelugen
obsolet.
Zweitens öffnet nur die gegenseitige
Anwendung für schweizerische Produkte den
ungehinderten Zugang zum EU-Markt.
Drittens sollte die Schweiz nicht durch eine einseitige
Annerkennung der nationalen Vorschriften der EU-Länder
eine wichtige Trumpfkarte in künftigen Verhandlungen
über ein Agrar-Freihandelsabkommen
mit der EU aus den Händen geben.
Inlanddiskriminierung als Knackpunkt
Unabhängig davon, ob das Prinzip einseitig oder
gegenseitig eingeführt wird, stellt sich die Frage, ob
als Folge der Cassis-de-Dijon-Regelung eine Benachteiligung
der Inlandindustrie als Folge strengerer
nationaler Vorschriften eintritt, eine solche in Kauf
zu nehmen ist oder Massnahmen zu deren Vermeindung
vorzusehen sind.
Im Vordergrund stehen dabei
jene lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, bei denen
die EU auf eine Harmonisierung verzichtet hat.
Konkret sind dies Mindestanforderungen an die
Zusammensetzung der Lebensmittel (z. B. Gehalt an
wertbestimmenden Zutaten wie Milchfett oder
Früchten) und einige besondere Aspekte der Verpackungsdeklaration
(z.B. Abbildungen, spezifische
Sachbezeichnungen, gesundheitsbezogene Anpreisungen).
Nicht überzeugender Lösungsansatz
Der Entwurf des EVD sieht in diesen Fällen vor, dass
ein inländischer Hersteller auch für den Inlandmarkt
nach den nationalen Vorschriften eines EU-Staates
produzieren kann, sofern er den Nachweis erbringt,
dass er sein Produkt in das entsprechende EU-Land
auch tatsächlich exportiert.
Diese Lösung vermag
nicht zu befriedigen. Sie bedeutet konkret, dass nur
exportierende Grossfirmen die Inländerdiskriminierung
vermeiden könnten, während die ausschliesslich auf dem Inlandmarkt tätigen KMU diskriminiert
bleiben. Wenig realistisch ist, von einem kleineren
Unternehmen zu verlangen, dass es zur Vermeidung
der Inländerdiskriminierung zuerst einen Export
aufbauen muss!
Immer noch Ausnahmen - wenn auch weniger!
Zu begrüssen ist die Absichtserklärung des Bundesrates,
das schweizerische Produkterecht vermehrt
jenem der EU anzugleichen und Abweichungen nur
"bei Vorliegen wesentlicher öffentlicher Interessen"
vorzusehen.
Die mit dem Entwurf vorgelegten Listen gehen in die
richtige Richtung, weisen aber weiterhin einige
Mängel auf. Dass ein "wesentliches öffentliches Interesse"
an der Beibehaltung der Deklarationspflicht
für Eier aus Batteriehaltung gemäss LDV besteht, ist
kaum einzusehen.
Die vorgeschlagene Streichung
der Sonderbestimmungen über die Deklaration des
Produktionslandes und der Herkunft der Rohstoffe
(LKV Art. 15 und 16) steht bereits unter Beschuss der
Konsumentenorganisationen, die sich besonders
stark für das Cassis-de-Dijon-Prinzip eingesetzt haben.
Auch die strengen schweizerischen Bestimmungen
über die Zulassung und Deklaration von GVOErzeugnissen
dürften bei einer einseitigen Regelung
so rasch nicht abgeschafft werden. (Quelle: fial)
(gb)
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