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6.9.2009: nachrichten
6.9.2009
Schweizer Tierschutz kritisiert McDonald’s

STS fordert McDonald’s zu mehr Tierschutz und Rohstoff-Beschaffung aus der Schweiz auf. Das gesamte Geflügelfleisch und die Eier importiert der Fastfoodriese.



Das Tierwohl scheint beim Fastfoodunternehmen McDonald’s kaum eine Rolle zu spielen. So stammt zwar das Rindfleisch für die Burger aus Schweizer Betrieben, doch der exklusive Zusammenarbeitsvertrag mit den bisherigen Lieferanten, den IP-Bauern, der einen guten Tierhaltungsstandard mit regelmässigem Weidegang und Auslauf sowie eine naturnahe Bewirtschaftung garantiert hatte, soll gekündigt werden.

Extrem stossend ist für den STS, dass bei McDonald’s Schweiz Pouletfleisch und Eier samt und sonders aus dem Ausland stammen. Dabei gäbe es hierzulande genügend tierfreundliche Bauern, die gerne mehr produzieren würden. Denn ausländische Mast- und Legehühner werden zumeist in Massentierhaltungen mit zehntausenden von Tieren je Stall auf engem Raum gehalten, was in der Schweiz mit Recht verboten ist.

Insbesondere die Pouletmast nimmt im Ausland kaum Rücksicht auf das Tierwohl, die Haltungsstandards unterschreiten diejenigen der Schweiz meist gewaltig. So werden Masthühner oft unter künstlichem Dauerlicht gehalten, damit sie mehr fressen und schneller wachsen, es fehlen erhöhte Sitz- und Ruheorte und pro Quadratmeter Stallfläche dürfen fast 50% mehr Tiere gepfercht werden, als die eidg. Tierschutzgesetzgebung erlaubt.

McDonald’s in der Verantwortung

Für den Schweizer Tierschutz STS ist es untragbar, dass ein so grosser Marktplayer dem Tierwohl eine untergeordnete Priorität einräumt und bei Geflügelfleisch und Eiern ausländischen Massentierhaltungen den Vorzug gibt, statt auf einheimische Produkte von tierfreundlichen Schweizer Bauern zu setzen. Gerade ein Branchenriese wie McDonald’s Schweiz übe mit seinem enormen Fleischverbrauch im positiven wie im negativen Sinn grossen Einfluss auf das Tierwohl aus und müsse unbedingt mehr Verantwortung übernehmen, findet der STS.

Der Verband fordert deshalb McDonald’s auf, bei der Beschaffung von Rindfleisch auch in Zukunft auf besonders tierfreundliche Herkunft zu setzen und kein Fleisch von konventionell gehaltenen Kühen zu verwenden, die statt auf der Weide praktisch den grössten Teil ihres Lebens angekettet im Stall leben müssen. Ebenso solle der Konzern bei der Beschaffung von Milchprodukten, Eiern und Fleisch konsequent auf tierfreundliche Haltung und Schweizer Herkünfte (Swissness) setzen.

Gastronomie hinkt hinten nach

Der Detailhandel, allen voran die beiden Grossverteiler Migros und COOP, setzt zunehmend auf tierfreundliche Produkte von Schweizer Bauern. Denn immer mehr Konsumenten legen beim Einkauf Wert auf tierfreundliche Schweizer Produkte und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen. Der Umsatz von Labelfleisch und Freilandeiern liegt mittlerweile denn auch bei stolzen CHF 2 Milliarden!

Doch die Schweizer Gastronomie verschläft diesen Trend. Sie setzt stattdessen mehrheitlich auf Billigfleisch-Importe aus Tierhaltungen, die in der Schweiz verboten sind. Dies hat eine Umfrage des STS im Herbst 2008 zur Verwendung von tierfreundlichen Produkten in Restaurants ergeben. So scheint für erschreckend viele Wirte das Tierwohl überhaupt kein Thema zu sein. Dabei zeigte sich kein Unterschied, ob es sich um eine einfache Dorfbeiz oder ein teures Gourmet-Restaurant handelt. Der STS wird deshalb vermehrt Aufklärungsarbeit in der Gastronomie betreiben.



HINTERGRUNDINFORMATIONEN

1. Vergleich der Tierhaltung Schweiz-Ausland

Masthühner

Tierschutzgesetzgebung Schweiz: Diese schreibt für Masthühner Einstreu, Tageslicht, eine achtstündige Nachtruhe, erhöhte Sitz- und Ruhegelegenheiten vor und lässt eine maximale Besatzdichte von 30 kg Hühner je qm Stallfläche zu, was bei einem MasthuhnEndgewicht von rund 1,8 kg knapp 17 Tieren je qm entspricht. Die Tierschutzgesetzgebung garantiert Masthühnern zwar verhaltensgerechte Strukturen, lässt aber eine hohe Besatzdichte zu.

BTS-Masthühnerhaltung: Mittlerweile ist diese Haltungsform zum Schweizer Standard geworden. 88 % der Masthühner sind beim BTS-Programm gemeldet. In den vergangenen zehn Jahren wurden die gesetzlich vorgeschriebenen Bodenhaltungsställe zunehmend ergänzt mit einem überdachten Aussenklimabereich (Veranda), welchen die Tiere tagsüber nutzen können. Sie erhalten so mehr Platz und Bewegungsfreiheit, frische Luft, natürliches Klima und direktes Sonnenlicht. Durch das erhöhte Platzangebot sinkt die Besatzdichte auf rund 24 kg je qm, entsprechend etwa 13 Tieren in der Endmast.

RAUS-Masthühnerhaltung: Diese anspruchsvolle Haltungsform (Freilandhaltung) fordert nicht nur einen überdachten Aussenklimabereich und täglichen Weidegang bei gutem Wetter, sondern lässt nur relativ langsam wachsende Masthühnerlinien zu, die statt in 40 Tagen wie bei konventioneller Mast, erst mit 56 Tagen schlachtreif sind. Bislang sind 7 % der Schweizer Masthühner beim RAUS-Programm gemeldet. Diese Haltungsform entspricht den Bedürfnissen von Masthühnern am besten.

EU-Masthühnerhaltung: Die EU-Tierschutz-Richtlinie zur Masthühnerhaltung fordert weder Tageslicht noch erhöhte Sitz- und Ruheplätze und lässt Besatzdichten von bis zu 42 kg je qm Stallfläche zu, entsprechend 23 Tieren bei einem Masthuhn Endgewicht von 1,8 kg. Im Vergleich zum Schweizer BTS-Haltungsstandard sind das 10 Tiere mehr je qm Stallfläche! Eine künstliche Dauerbeleuchtung ohne oder mit nur sehr kurzen natürlichen Dunkelphasen, damit die Tiere möglichst viel fressen sollen, ist in vielen EU-Ställen üblich, in der Schweiz aber verboten. Im Gegensatz zur Schweiz, wo maximal 18'000 Tiere je Betrieb gemästet werden dürfen (Durchschnitt rund 5'000 Hühner/Betrieb), finden sich in der EU Hähnchenmäster mit Hunderttausenden von Tieren (Massentierhaltung).

Legehennen

Tierschutzgesetzgebung Schweiz: Die Käfigbatteriehaltung ist seit 1991 verboten und die Bodenhaltung mit Tageslicht, geschützten Nestern zum Eierlegen, erhöhten Flächen zum Ruhen und Einstreu zum Staubbaden und Picken/Scharren sind Pflicht. Die Tierschutzgesetzgebung garantiert Legehennen das Ausleben der wichtigsten Verhaltensbedürfnisse.

BTS-Legehennenhaltung: In den vergangenen zehn Jahren wurde die gesetzlich vorgeschriebenen Bodenhaltungsställe zunehmend ergänzt mit einem überdachten Aussenklimabereich (Veranda), welchen die Tiere tagsüber nutzen können. Sie erhalten so mehr Platz und Bewegungsfreiheit, frische Luft, natürliches Klima und direktes Sonnenlicht. Mittlerweile sind bereits 82 % der Schweizer Legehennen beim BTS-Programm gemeldet. Eier aus solchen Betrieben werden als „Bodenhaltungseier“ verkauft, d.h. Schweizer Bodenhaltungseier stammen i.d.R. aus Betrieben, die den Legehennen wesentlich mehr Komfort bieten als ausländische Eier aus „Bodenhaltung“.

RAUS-Legehennenhaltung: Heute sind 67 % der Schweizer Legehühner beim RAUS-Programm gemeldet. Die Bodenhaltung macht nur mehr einen Drittel aus, Tendenz sinkend. In der Freilandhaltung steht den Hühnern tagsüber der Aussenklimabereich (Veranda) sowie eine Weide von 2,5 bis 5 qm je Tier zur Verfügung. Diese Haltungsform entspricht den Bedürfnissen von Legehennen am besten.

EU-Legehennenhaltung: Ein grosser Unterschied zur Schweiz besteht in der Grösse der Betriebe. In der Schweiz dürfen je Betrieb maximal 12'000 Legehennen plus Aufzucht gehalten werden, der Durchschnittsbetrieb hält rund 5'000 Hühner. In der EU sind Ställe mit 30-50'000 und mehr Tieren (Massentierhaltung) zulässig.

Milchkühe

Tierschutzgesetzgebung Schweiz: An 265 Tagen im Jahr dürfen Kühe ständig im Stall angebunden gehalten werden. Nur während 90 Tagen im Jahr müssen sich Kühe jeweils für einige Stunden ausserhalb des Stalles bewegen können (60 Mal in der Vegetationsperiode April-Oktober und 30 Mal im Winter). Ebenso zulässig ist der Kuhtrainer. Dadurch wird ihr angeborenes Sozial-, Körperpflege- und Bewegungsverhalten praktisch verhindert. Die Tierschutzgesetzgebung garantiert somit keine artgerechte, tierfreundliche Milchviehhaltung. Der Kuhtrainer ist nur bei Neubauten verboten.

BTS-Milchviehhaltung: Die Kühe leben in einer Herde in Freilaufställen, werden also nie angebunden. Erst 30 % der Schweizer Kühe sind beim BTS-Programm gemeldet, weil in der Schweiz noch bis vor fünfzehn Jahren der Anbindestall die traditionelle, von Beratern empfohlene und vom Staat geförderte Haltungsform darstellte. Mittlerweile besteht bei Neu-/Umbauten aus Tierschutz- und ökonomischen Gründen ein klarer Trend zum Freilaufstall. Eine Kombination von BTS- und RAUS-Haltung entspricht den Kuhbedürfnissen am besten.

RAUS-Milchviehhaltung: Die Anbindehaltung ist zwar zulässig, aber die Kühe haben während der Vegetationsperiode fast jeden Tag Weidegang und können auch im Winter jeden zweiten Tag ins Freie. 78 % aller Schweizer Milchkühe sind beim RAUS-Programm gemeldet. (z.B. Bio-Suisse und IP-Suisse).

EU-Kuhhaltung: Es gibt bislang keine verbindliche EU-Tierschutz-Richtlinie zur Haltung von Kühen. Somit finden sich alle Haltungsformen, d.h. von fast ausschliesslicher Weidehaltung, wie etwa in Irland, bis hin zu permanenter Anbindehaltung ohne Auslauf.

2. Inland und Importe

Anzahl Masthühnerplätze CH: 5 Millionen, was rund 35 Millionen Tiere (Schlachtun- gen)/Jahr ergibt. Damit werden 46 % des Verbrauchs gedeckt.

Pouletsimporte: 40 Mio. Tonnen (Brasilien, D, F, Ungarn, Polen)

Pouletskonsum/Kopf: 9,6 kg im Jahr, davon 5,2 kg Importe

Anzahl Legehennen: 2,2 Millionen

CH-Eierproduktion: 650 Mio. Stück, davon 430 Mio. Freilandeier; deckt 45 % des Inlandbedarfes ab (70 % beim Schaleneier verbrauch)

Eierimporte: 800 Mio. Stück, davon ca. 80 Mio Käfigbatterieeier; (65 % der Importeier als Eiprodukte/Verarbeitungseier) Herkünfte: V.a. NL, D, F, Bulgarien, USA

Eierkonsum/Kopf: 188 Stück im Jahr (inkl. Eier in Fertiggerichten, Saucen Saucen etc.), davon 103 Stück Importe

Anzahl CH-Kühe total: 730'000

Davon Milchkühe: 630'000, die 3'900'000 Tonnen Milch lieferten Mutterkühe: 100'000 (ausschliesslich Fleischproduktion: Natura- beef)

Kuh-Schlachtungen/Jahr: 150'000; deckt 100 % des Inlandbedarfes ab. Davon aus RAUS-Haltung 117’000

Fazit:

Der durchschnittliche Selbstversorgungsgrad der Schweiz bei Lebensmitteln beträgt 60 %. Die Erzeugung von einheimischen Eiern und Poulets ist stark unterdurchschnittlich, d.h. hier bestünde ein erhebliches Produktionspotential für CH-Bauern, wenn insbesondere das Gastgewerbe, bei Eiern auch Bäckereien und Verarbeitungsindustrie, stärker auf Swissness und Klasse statt Masse setzen würden. Rund 50% des Fleisches wird ausser Haus (Gastrokanal) konsumiert.

3. Gastgewerbe: Wenig fürs Tierwohl sensibilisiert

Im Unterschied zum Detailhandel, wo insbesondere die beiden Riesen Migros und COOP bei Fleisch und Eiern stark auf Schweizer Produkte aus tierfreundlicher Haltung setzen (Label „Terra-Suisse“ bei Migros; Label „COOP Naturafarm“), kneift bisher die Gastrobranche weitgehend.

Während die Umsatzzahlen der Grossverteiler in diesem Sektor steigen – Konsumentinnen und Konsumenten gaben 2007 für Labelfleisch und Freilandeier aus Schweizer Herkünften fast zwei Milliarden Franken aus, was gegen 50 % des entsprechenden Detailhandelsumsatzes entspricht – nehmen viele Restaurants bei der Beschaffung von Fleisch und Eiern keine oder zuwenig Rücksicht auf das Tierwohl.

Wer mit Ansprüchen ans Tierwohl ins Restaurant geht, erlebt als Gast oft eine Enttäuschung: Auf der Menükarte fehlt meistens jeglicher Hinweis auf ein Label, das tiergerechte Produktion garantieren würde. Stattdessen landet auf dem Teller nicht selten billiges Importfleisch aus Massentierhaltungen, das von der Produktion her nicht einmal die gesetzlichen Mindeststandards in der Schweiz erfüllt und hinter dem tierquälerische Ferntransporte der Schlachttiere stehen können.

Nach Schätzung des STS dürfte nur rund die Hälfte der Restaurants wenigstens ein Menü mit Labelfleisch anbieten. Ein aufs Tierwohl achtender Gast muss sich denn auch sehr anstrengen, ein Restaurant zu finden, das ernsthaft und konsequent auf tierfreundliche Produkte setzt.

Eine STS-Gastroumfrage vom Herbst 2008 deutete darauf hin, dass viele Wirte kaum Kenntnis von Tierwohl-Label haben. So gaben manche als Label die Marken „Suisse Garantie“ oder „QM-Schweizerfleisch“ an, welche lediglich Herkunftsmarken sind und punkto Tierhaltung keine tierfreundliche Haltung, sondern lediglich die Einhaltung der gesetzlichen Tierschutz Mindestvorschriften beinhalteten.

Den höchsten Labelfleisch-Menüanteil wiesen Restaurants der Nordwestschweiz mit 62,1 Prozent auf, während er in der Romandie nur bei 35,3 Prozent lag. Bemerkenswert an der Umfrage war die Erkenntnis, dass offenbar keine erkennbaren Unterschiede zwischen Dorfbeiz und Gourmettempel bestehen, wenn es um tierfreundliche Produkte geht. Im Gegenteil: In den teuren Lokalen finden sich oft nebst anonymem (Import-) Fleisch auch typische Tierqualprodukte wie Foie Gras oder Froschschenkel.

Rund 50 % des in der Schweiz gegessenen Fleisches wird auswärts, also in Restaurants konsumiert.

Mögliche Gründe für die tierschützerisch unbefriedigende Beschaffungspolitik bei Fleisch und Eiern im Gastgewerbe sind nach Meinung des STS:

Preis steht im Vordergrund: Masse statt Klasse. Dies obwohl die Rohprodukte beim Menüpreis auf der Karte nur einen geringen Teil ausmachen und der etwas höhere Preis für tierfreundliche Produkte sich entsprechend wenig auswirken resp. durch ein spezielles Ausloben von den Gästen akzeptiert würde.

Fehlendes Wissen über besondere Qualität von Produkten aus tierfreundlicher Haltung. Dies obwohl zwischen Haltung/Fütterung der Tiere und der physischen Produktqualität nachweisbar Zusammenhänge bestehen, ganz abgesehen von der ethischen Qualität.

Qualität wird stärker mit dem Kochen als mit den eingekauften Rohprodukten verbunden.

Teilweise schwierige Beschaffung von tierfreundlichen Produkten durch den einzel nen Wirt/Koch resp. Zeitmangel, sich darum kümmern zu können, z. B. durch den Einkauf beim Bauern oder ausgewählten Metzgern mit tierfreundlichem Angebot. Die grossen Tierschutz-Label haben sich bislang auf den Detailhandel konzentriert.

Tierschutz- und Sensibilisierungsaktionen fokussierten bislang auf den Detailhandel sowie die Konsumenten und deren Einkaufsverhalten. Die tierschützerisch fragwürdige Beschaffungspolitik vieler Restaurants war bislang kein (öffentliches) Thema. (STS, 6. September 2009)

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