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21.7.2010: nachrichten
21.7.2010
Intensiv-Anbau könnte Klimagase reduzieren

Die Landwirtschaft trägt durch Klimagase zur Erderwärmung bei. Gemäss einer aktuellen Studie vermindern nicht naturnahe sondern Intensivkulturen Klimagase, etwa mit Skyfarming für Reis.




Wegen hoher Landpreise und Klimagas-Emissionen im konventionellen Pflanzenbau entwickelt die Uni Hohenheim Gewächs-Hochhäuser.


Die Landwirtschaft trägt durch die Produktion von Treibhausgasen zur Erderwärmung bei. Schätzungen gehen von einem Anteil der Landwirtschaft von 10% - 15 % des gesamten durch den Menschen verursachten Ausstosses von Treibhausgasen aus. Dabei fallen vor allem Abbauprodukte von Dünger sowie bei der Verdauung entstehende tierische "Abgase" ins Gewicht.

Die Vermutung liegt nahe, dass eine weniger intensive, naturnähere Landwirtschaft die Treibhausgas-Produktion eindämmen könnte. Aber stimmt diese Annahme? Jennifer Burney und ihre Mitarbeiter von der Stanford University zeigen in einer aktuellen Untersuchung, dass dies nicht der Fall ist.

Sie gingen dabei von einem Szenario aus, bei dem landwirtschaftliche Technologie und Anbaumethoden auf dem Stand von 1961 verharrten, während sich alle anderen Faktoren (Wirtschaft, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Lebensstandard) genau wie in der Realität weiterentwickelten. Der Verzicht auf eine Intensivierung der Landwirtschaft und auf die damit einhergehende Erhöhung der Produktivität hätte bis 2005 eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche um 1761 Mio. ha erfordert, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dies ist grösser als der Fläche Russlands.

Selbst bei einem Szenario, in dem der Lebensstandard der Weltbevölkerung auf dem Stand von 1961 eingefroren blieb, hätte die landwirtschaftlich genutzte Fläche um 1111 Mio. ha zunehmen müssen. Tatsächlich gelang es in der wirklichen Welt, im gleichen Zeitraum durch verbesserte Anbaumethoden und Saatgut, sowie verstärkten Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, die Flächenproduktivität ungefähr zu verdoppeln; die Anbaufläche weitete sich nur um 247 Mio. ha aus.

Bei der Urbarmachung neuer landwirtschaftlicher Flächen werden gewaltige Mengen von Treibhausgasen freigesetzt, z. B. durch die Abholzung und das Verbrennen von Wäldern. Wird dieser Faktor mit einbezogen, hätte der Ausstoss von Treibhausgasen ohne Intensivierung der Landwirtschaft je nach Szenario zwischen 317 Mia. Tonnen und 590 Mia. Tonnen CO2- Äquivaleten über dem tatsächlichen Wert 1961-2005 gelegen. Dies entspricht einem Anteil von 18% - 34% der gesamten, zwischen 1850 und 2005 durch den Menschen verursachten Treibhausgas-Belastung. Ohne die Intensivierung der Landwirtschaft würde die Erderwärmung wohl noch wesentlich stärker zunehmen.

Ein weiteres interessantes Resultat ergibt sich, wenn die globalen Kosten von Forschung und Entwicklung für die landwirtschaftliche Ertragssteigerung ins Verhältnis gesetzt werden zu den dadurch ermöglichten Einsparungen bei der Treibhausgasproduktion.

Die Autoren der Studie kommen auf einen Betrag von US$ 4,00 - 7,50 pro eingesparte Tonne CO2. Dies ist wesentlich günstiger als andere vorgeschlagene Massnahmen zur CO2- Einsparung; dabei ist das gesamte Sparpotential an Treibhausgasen durch Verbesserungen der landwirtschaftlichen Praxis vergleichsweise gross. In die landwirtschaftliche Forschung investierte Mittel sind daher gut angelegt.

Eine intensivere und produktivere Landwirtschaft kann natürlich andere, zum Teil auch unerwünschte Umweltauswirkungen haben, die in der vorliegenden Studie nicht angesprochen wurden, die sich auf den Ausstoss von Treibhausgasen konzentriert. Andererseits sollten auch die enormen Auswirkungen des hier klar dargelegten erhöhten Flächenbedarfs einer weniger intensiven Landwirtschaft nicht vergessen werden, zum Beispiel auf den Verlust von natürlichen Lebensräumen und die Artenvielfalt.

Quelle: Internutrition 1.7.2010 (Gentechlobby-Pressestelle). Originalliteratur: Jennifer A. Burney et al. 2010, "Greenhouse gas mitigation by agricultural intensification", Proc.Natl. Acad. Sci. USA 107:12052-12057; "High-yield agriculture slows pace of global warming, say FSE researchers", Stanford University Program on Food Security and the Environment media release, 14.6.2010.

Reisanbau auf zwanzig Etagen

Hohenheim (pte/13.07.2010/11:40) - Reis wird in Zukunft nicht mehr nur auf überfluteten Feldern wachsen, sondern auch in bis zu 50 Meter hohen Gewächshäusern. Diese Vision des "Skyfarming" verfolgen Agrarforscher der Universität Hohenheim (http://www.uni-hohenheim.de). Vorige Woche luden sie Experten aller relevanten Fachrichtungen ein, um Chancen einer Verwirklichung und nötige Schritte bis dorthin zu diskutieren. "Niemand äusserte grundsätzliche Bedenken gegen das Vorhaben oder bezeichnete es als völlige Illusion", erklärt der Agrarökologe Jörn Germer, einer der Veranstalter.

Ein Hintergrund der Idee sind steigende Landpreise. "Insbesondere in Afrika werden grosse landwirtschaftliche Flächen aggressiv aufgekauft. Die Böden versalzen und die Bevölkerung wächst", so Germer. Zudem belastet die Landwirtschaft Umwelt und Klima in hohem Masse. So entstehen etwa bei der Reisproduktion enorme Mengen des aggressiven Treibhausgases Methan, da die Überflutung der Felder anaerobe Bedingungen schafft und Gärungsprozesse auslöst. Weltweit braucht Reis derzeit jährlich 700 Mio. Tonnen Frischwasser auf einer Anbaufläche von 157 Mio. Hektar.

Diese Probleme nimmt Skyfarming mit Gewächshochhäusern in Angriff. Für Reis sieht es ein Transportband vor, in dessen kleinen Öffnungen keimfreie Reissämlinge wachsen. Unterhalb des Bandes spriessen die Wurzeln in einem Dunkelraum und werden dort im Sekundentakt mit optimaler Nährlösung besprüht. In 120 Tagen wandert die Pflanze mit dem Band durch alle Etagen und kann dann geerntet werden. Ein geschlossener Kreislauf soll Wasser- oder Nährstoffverluste minimieren, und selbst Krankheiten und Schädlingen glaubt man ohne Pestizide vermeiden zu können. Reis braucht zum Wachsen 1,50 Meter Lichtraum und einen Meter Wurzelraum. Bei 20 Etagen, die die Forscher anpeilen, wäre das eine geschätzte Gesamthöhe von 50 Meter.

Neu ist die Idee nicht, doch widmeten sich ihr bisher bloss Architekten und Städteplaner, deren Prototypen wegen einseitiger Ausrichtung scheiterten. "Man konzentrierte sich etwa auf Edelprodukte, vernachlässigte Bedürfnisse der Pflanzen oder baute mehrere Sorten gleichzeitig im geschlossenen System an", berichtet Germer. Sorgfältig geplant, könnten Grundnahrungsmittel wie Reis, Früchte oder Algen jedoch in Gewächs-Hochhäusern jedoch durchaus die bis zu 100-fache Ertragsmenge von derselben Fläche heute liefern.

Es kann funktionieren, wenn wichtige Fragen gelöst werden, so das Resümee der Experten bei der Veranstaltung. Dazu gehört die Lichtproblematik. "Nährstoffe und Wasser sind bei mehrstöckigem Anbau relativ problemlos transportierbar, die Lichtversorgung und -nutzung braucht jedoch neue technische Lösungen wie etwa LED", erklärt Germer. Weiters seien durchaus auch negative ökologische Wirkungen zu erwarten, weshalb das Skyfarming den gesamten Zyklus der Pflanzen und Ressourcen zu berücksichtigen habe.

Schärfer formulieren müssen die Forscher das Ziel der Vision. "Ziel ist entweder, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und damit die Welt besser zu ernähren, oder der Wegfall von Transportkosten durch Produktion in Stadtnähe. Auch die lebenswertere Gestaltung von Städten kann angestrebt werden. Jedes Ziel braucht aber andere Strategien", so der Hohenheimer Ökologe. Die Vision sei mit anderen wichtigen Erfindungen vergleichbar. "Menschen vor 500 Jahren hätten sich ebenfalls an den Kopf gegriffen, sagte man ihnen, dass wir heute im Flugzeug den Atlantik überqueren. Visionäre gaben trotz oftmaligem Scheitern nicht auf und machten es zur Realität." (Mitteilung Universität Hohenheim)

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