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1.12.2010: nachrichten
1.12.2010
Neue Studien zeigen generellen Betacarotin-Mangel

Experten unterstreichen die Unerlässlichkeit einer höheren Beta-Carotin-Aufnahme als sichere Vitamin-A-Quelle. Ergo: mehr Gemüse, Eigelb, Milchprodukte oder Leber auf den Teller.


Vitamin A (Retinol) kommt nur in tierischen Produkten vor. Der körper kann aber Provitamin A (Carotinoide, vor allem in farbigen Früchten und Gemüsen) zu Vitamin A umwandeln.

Teile der europäischen, US-amerikanischen und asiatischen Bevölkerung nehmen nur unzureichende Mengen des in tierischen Nahrungsmitteln vorkommenden Vitamins A zu sich. Vor diesem Hintergrund spielt die Vitamin-A-Vorstufe Beta-Carotin eine wichtige Rolle bei der generellen Versorgung mit Vitamin A, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Konsenserklärung internationaler Carotinoid-Experten hervorgeht.

Die Lücke könnte durch eine angemessene Aufnahme von Beta-Carotin in natürlich vorkommender Form, in angereicherten Lebensmitteln und/oder in Nahrungsergänzungsmitteln geschlossen werden. Die Ergebnisse jüngster nationaler Ernährungserhebungen zeigen jedoch, dass die Beta-Carotin-Aufnahme mit der Nahrung in weiten Teilen der Bevölkerung ebenfalls unzureichend ist. Ausserdem könnte es sein, dass viele Menschen aufgrund genetischer Veranlagung nur vermindert fähig sind, ausreichende Mengen an Vitamin A aus Beta-Carotin zu bilden.

Dementsprechend fordern Experten eine Gewährleistung der empfohlenen Beta-Carotin Aufnahme und bei nicht Erreichen derzeit geltenden Zufuhrempfehlungen für Vitamin A eine Erhöhung der Beta-Carotin Zufuhr. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass mindestens 95 Prozent der Bevölkerung eine angemessene Menge an Gesamt-Vitamin-A einnehmen.

Bei der Konferenz kamen führende europäische, US-amerikanische und asiatische Experten aus Medizin und Ernährungswissenschaft zusammen, um den aktuellen Wissensstand zur physiologischen Funktion von Beta-Carotin, die Versorgungslage sowie Zufuhrempfehlungen zu erläutern. Die Experten erzielten eine Einigung, die als Konsenserklärung kürzlich im 'Journal of Nutrition' veröffentlicht wurde.

Vitamin A und Beta-Carotin: oft bedenklich wenig

Vitamin A ist unentbehrlich für Wachstum und Entwicklung, für das Immunsystem, das Sehen und weitere Funktionen in unserem Körper. In bestimmten Lebenssituationen - beispielsweise während der Schwangerschaft und Stillzeit - spielt Vitamin A eine besonders wichtige Rolle und es wird eine Erhöhung der Vitamin-A-Zufuhr (Retinol) empfohlen, um die gesunde Entwicklung des Kindes zu unterstützen. In mehreren Ländern durchgeführte Studien lassen den Schluss zu, dass die Einnahmegewohnheiten in Europa, den USA und Asien sehr unterschiedlich sind.

Nationale Erhebungsdaten zeigen, dass die Aufnahmemenge von vorgebildetem Vitamin A (Retinol) - das als solches nur in tierischen Produkten vorkommt (vor allem in Leber) - oftmals bedenklich gering ist und nicht den Empfehlungen entspricht. Zu den anfälligsten Gruppen für einen Vitamin-A-Mangel zählen vor allem Schwangere, stillende Mütter, Neugeborene, Kinder mit häufigen Infektionen, junge Frauen, Senioren und Menschen, die keine tierischen Nahrungsmittel zu sich nehmen.

Nationale Verzehrstudien lassen darauf schliessen, dass Beta-Carotin - als Vitamin-A-Vorstufe - erheblich dazu beitragen kann, die unzureichende Vitamin-A-Versorgung in weiten Teilen der Bevölkerung auszugleichen. Studien aus Europa, den USA und Asien zeigen aber auch, dass ein grosser Teil der Bevölkerung weniger als die notwendige Beta-Carotin-Menge zu sich nimmt, um die niedrige Vitamin-A-Zufuhr aus Nahrungsquellen für vorgebildetes Vitamin A auszugleichen.

Neue Belege weisen darauf hin, dass suboptimale Vitamin-A- und Beta-Carotin-Werte - sogar weit höhere Werte als solche, die klinische Mangelerscheinungen hervorrufen - Risikofaktoren für chronische Krankheiten darstellen.

Vitamin-A-Unterversorgung aufgrund genetischer Faktoren

Die Bioverfügbarkeit von Beta-Carotin hängt von zahlreichen Faktoren ab. Sie wird nicht nur durch die Nahrung selbst beeinflusst (z. B. durch die Lebensmittelmatrix, Lebensmittelverarbeitung, Dosierung, den Fettgehalt im Essen und die Ballaststoffe), sondern sie ist auch von individuellen, den Konsumenten betreffenden Aspekten abhängig (z. B. vom Vitamin-A-Status, von der Darmintegrität und von genetischer Veranlagung).

Neuere Forschungen an weiblichen Probanden haben ergeben, dass fast 50 Prozent der Bevölkerung eine genetische Variation aufweisen, die ihre Fähigkeit vermindert, ausreichende Mengen an Vitamin A aus Beta-Carotin zu bilden. Studien zufolge sind jüngere Frauen, die diese genetische Variation tragen, besonders gefährdet: Sie neigen dazu, nicht genügend Vitamin-A-reiche Nahrung zu sich zu nehmen, und sind somit in starkem Masse auf die Beta-Carotin-Form des Nährstoffs angewiesen.

Zufuhrempfehlungen für Beta-Carotin revidieren

Aus einer Reihe von Studien geht klar hervor, dass Beta-Carotin unentbehrlich ist, um die empfohlenen Zufuhrmengen für Vitamin A zu erreichen. Die aktuellen Empfehlungen für Beta-Carotin liegen im Bereich von 2 bis 4 mg pro Tag. Diese Mengen könnten sich - bei mangelhaftem Vitamin-A-Status aufgrund einer geringen Aufnahme von vorgebildetem Vitamin A - als zu niedrig erweisen, um den Vitamin-A-Status zu korrigieren.

In ihrer Konsenserklärung kommen die Experten zu folgendem Schluss: Lässt man die individuellen Unterschiede bei der Fähigkeit zur Umwandlung von Beta-Carotin in Vitamin A ausser Acht und geht davon aus, dass sich die Zufuhrmengen von vorgebildetem Retinol nicht ändern, sollte abgesichert werden, dass die derzeitigen Zufuhrempfehlungen von Beta-Carotin erreicht werden.

Dabei sollten Personen mit unzureichender Zufuhr von vorgebildetem Vitamin A ihre Beta-Carotin-Zufuhr auf 7 mg pro Tag erhöhen. Hierbei wird ein realistischer und inzwischen von Wissenschaftlern allgemein akzeptierter Umrechnungsfaktor von 1:12 (für die Bildung von einem Milligramm Vitamin A ist die Aufnahme von 12 Milligramm Beta-Carotin notwendig) zugrunde gelegt. So soll gewährleistet werden, dass mindestens 95 Prozent der Bevölkerung die empfohlene Zufuhr an Gesamt-Vitamin-A erreichen.

Menschen, bei denen der Umrechnungsfaktor aufgrund einer genetischen Variabilität im Beta-Carotin-Stoffwechsel beeinträchtigt ist, könnten sogar eine weitere Erhöhung der täglichen Zufuhrmenge benötigen. Die Untersuchungen hierzu laufen derzeit.

Natürliches oder synthetisches Beta-Carotin?

Laut Experten gibt es in der Wirkungsweise keinen Unterschied zwischen natürlich vorkommendem und chemisch hergestelltem Beta-Carotin, wohl aber in der Bioverfügbarkeit in unterschiedlichen Nahrungsquellen. Für die meisten Nahrungsergänzungsmittel und angereicherten Lebensmittel wird die beim Menschen vorherrschende Molekülform 'all-trans-Beta-Carotin' verwendet; diese wird gegenüber anderen Formen bevorzugt absorbiert.

Da die Allgemeinbevölkerung nicht genügend Beta-Carotin aus Obst und Gemüse aufnimmt, können mit Beta-Carotin angereicherte oder gefärbte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel einen wichtigen Beitrag zur täglichen Versorgung mit Vitamin A leisten.

So auch Tilman Grune, Institut für Ernährungswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland: "Die in Deutschland empfohlene Tageszufuhr von 2 bis 4 mg Beta-Carotin wird in der Allgemeinbevölkerung nicht erreicht. Das heisst, die Menge an Beta-Carotin, die derzeit durchschnittlich eingenommen wird, kann die Lücke, die durch eine geringe Vitamin-A-Aufnahme aus der Nahrung entsteht, nicht füllen. Um dieses Problem zu beheben, müssten also grössere Mengen an Beta-Carotin und Vitamin A konsumiert werden. Der durchschnittliche Verzehr von Obst und Gemüse - und auch von Leber - ist hierfür zur Zeit allerdings nicht ausreichend."

Literatur: Tilman Grune, Georg Lietz, Andreu Palou, A. Catherine Ross, Wilhelm Stahl, Guangweng Tang, David Thurnham, Shin-an Yin, and Hans K. Biesalski. _-Carotene Is an Important Vitamin A Source for Humans. J Nutr 140:2268S-2285S, 2010 doi: 10.3945/_jn.109.119024 (Hohenheim Consensus Conference July 2009). (Text: Friedrich-Schiller-Universität Jena)

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