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26.5.2011: nachrichten
26.5.2011
Gewerbe kontert Lebensmittelgesetz-Revision

Bundesrat verabschiedet Botschaft und Gesetzesentwurf zur Revision Lebensmittelgesetz. Mehrere Gewerbeverbände befürchten einen mittelalterlichen Pranger und Bevormundung der Konsumenten.




Ein öffentliches Hygienezertifikat wie es heute im Kanton Zug besteht.


Der Bundesrat hat die Botschaft und den Entwurf des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) verabschiedet. Ziel ist, den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten weiter zu verbessern und Handelshemmnisse abzubauen.

Mit der vorliegenden Gesetzesrevision werden die Grundlagen geschaffen, um in einer nächsten Etappe das Lebensmittelverordnungsrecht mit jenem der EU harmonisieren zu können, um so die Teilnahme der Schweiz an den Schnellwarnsystemen der EU in den Bereichen Lebensmittel- und Produktesicherheit zu ermöglichen. Nun wird das Parlament über den Entwurf des Lebensmittelgesetzes beraten. Die Inkraftsetzung wird frühestens 2013 erwartet.

Für die Konsumentinnen und Konsumenten wären längerfristig insbesondere die geplante Transparenz der Ergebnisse amtlicher Kontrollen von Lebensmittelbetrieben (u.a. der Gastronomie) und das Täuschungsverbot für kosmetische Mittel- und Bedarfsgegenstände (Gegenstände und Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt gelangen) spürbar. Es soll die Möglichkeit bestehen, auf Verlangen Einblick in eine Kurzfassung der amtlichen Kontrollergebnisse zu erhalten.

Dieser Punkt wird den Forderungen von Konsumentenorganisationen und verschiedenen politischen Vorstössen gerecht. Wo und in welcher Form die Inspektionsergebnisse zukünftig transparent gemacht werden, wird in einem nächsten Schritt auf Verordnungsebene geregelt. Kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände dürfen nach Einführung des Täuschungsverbots für solche Produkte nur noch mit Eigenschaften beworben werden, die den Tatsachen entsprechen.

Das Lebensmittelrecht der EU hat in den letzten Jahren für die Schweiz an Bedeutung gewonnen, sei es angesichts der Globalisierung des Handels aber auch aufgrund der Verpflichtungen der Schweiz durch bilaterale Verträge mit der EU im Bereich der tierischen Lebensmittel. In Zukunft soll die Teilnahme an den EU-Schnellwarnsystemen oder die Mitarbeit beim Erstellen von Risikoanalysen eine weitere Verbesserung der Lebensmittelsicherheit in der Schweiz bringen. (Mitteilung BAG 26. Mai 2011)

Kommentar der Gewerbeverbände: Nein zum mittelalterlichen Pranger des Gewerbes und Nein zur Bevormundung der Konsumenten

Das geltende Lebensmittelgesetz regelt drei Bereiche: den Gesundheitsschutz, den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln und den Schutz vor Täuschung. Statt im neuen Lebensmittelgesetz diese Grundsätze zu festigen, will nun das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese verwässern. Damit will es eine Erweiterung des gegenwärtigen Zweckartikels ermöglichen. Dies führt nicht nur zu einer Aufweichung der Kernaufgabe des Lebensmittelgesetzes, sondern ist auch ein Gummiartikel par excellence. So soll aufgrund von Deklarationspflichten künftig eine sachkundige Wahl ermöglicht werden.

Ein sachkundiger Kaufentscheid beinhaltet zum Beispiel offensichtlich auch die Abschätzung des Preis-Leistungsverhältnisses eines Produktes. Damit könnte das BAG auf Basis dieses Zweckartikels einen Zwang zur Einteilung von Lebensmitteln in "Gut" und "Böse" ableiten. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es aber nicht die Aufgabe des Staates, Produkte nach selbstdefinierten Kriterien zu benoten.

Klaus Künzli, Zentralpräsident der GastroSuisse, hält fest: "Mit der Erweiterung des Zweckartikels kaufen wir die Katze im Sack. Niemand weiss, wie die Ausführungsbestimmungen aussehen werden. Mir widerstrebt es im Innersten, wenn unsere Gäste von Staats wegen nicht mehr ernst genommen werden."

Die Bürger sind mündig. Sie wissen, was der grundlegende Unterschied zwischen einer Tafel Schokolade und Kirschen ist. Mit der Aufweichung des bisherigen Zwecks des Lebensmittelgesetzes würde auch der Weg für eine Bevormundung des Konsumenten durch den Staat geebnet. Je nach Alter und Lebenssituation hat der Mensch eigene Bedürfnisse, dies gilt auch für die Ernährung. Schon Paracelsus wusste, dass die Menge das Gift macht. Vermeintlich ungesunde Schokolade ist massvoll genossen nichts Schlechtes und auch scheinbar gesunde Kirschen kann man zuviel essen.

Mittelalterlicher Pranger gehört in die Mottenkiste der Geschichte

Dem Persönlichkeits- und Datenschutz wird in der Gesellschaft ein grosses Gewicht beigemessen. So kann zum Beispiel niemand gegen den Willen des Betroffenen einen Strafregisterauszug beziehen. Nun möchte der Bund diesen Persönlichkeits- und Datenschutz für Gewerbebetriebe im Lebensmittelbereich abschaffen. Die Resultate der Lebensmittelkontrolle sollen veröffentlicht und die betroffenen Betriebe wegen geringsten Beanstandungen an den Pranger gestellt werden.

Ein beachtlicher Teil der Beanstandungen betreffen zudem Banalitäten wie z.B. Zeitungen auf dem Kleiderschrank des Personals oder einen kleinen Riss in einer Kachel, usw. Die geforderte öffentliche Zurschaustellung, selbst kleinster Beanstandungen, ist damit unverhältnismässig und realitätsfremd. Sie bringt auch nichts. Der Zürcher Kantonschemiker Rolf Etter hat in einem Interview festgehalten, dass aus solchen Publikationen keine nennenswerten Vorteile für die Lebensmittelsicherheit erwachsen würden.

Beat Kläy, Direktor des Schweizerischen Bäcker-Konditorenmeister-Verbandes (SBKV), meint: "Ich verstehe nicht, warum das Öffentlichkeitsprinzip nur für Lebensmittelbetriebe gelten soll. Wenn man es wirklich ernst meinen würde, so sollten auch von Amtes wegen Ärzte, Lehrer oder Anwälte über ihre Arbeit in der Öffentlichkeit berichten müssen. "

Bereits heute ist eine öffentliche Warnung der Bevölkerung möglich, wenn die Vollzugsbehörden dies für nötig erachten. Dies ist auch korrekt. Die Abschaffung der Schweigepflicht hat aber damit nichts zu tun. In jedem Falle bleibt die sinnvolle Möglichkeit der öffentlichen Warnung erhalten.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv, das Gastgewerbe und die gewerbliche Lebensmittelwirtschaft appellieren damit an das Parlament, dass bei der Revision des Lebensmittelgesetzes Mass gehalten und auf eine Abschaffung der Schweigepflicht sowie die Aufweichung des Zweckartikels verzichtet werden soll.

Mitteilung von:
Schweizerischer Bäcker-Konditorenmeister-Verband SBKV
GastroSuisse
Schweizer Fleisch-Fachverband SFF
VELEDES
Schweizerischer Obstverband SOV
Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten SMS

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