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22.10.2012: nachrichten
22.10.2012
Haben Vegetarier die längere Lebenserwartung?

Eine neue Studie mit 96000 Teilnehmern ergibt, dass die Vegetarier von ihnen die am längsten lebende, wissenschaftlich untersuchte Bevölkerungsgruppe der Welt darstellen.


Spötter sagen: «Vegetarier leben nicht länger, sie sehen nur älter aus». Spass beiseite: Ob Fleischverzicht gesünder macht, ist wissenschaftlich umstritten. Viel Gemüse ist gesund, aber «aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund, Fleisch aus der Kost zu streichen, da ein angemessener Fleischgenuss keine negativen gesundheitlichen Effekte hat». Mit dieser Aussage schliesst ein über 30 Seiten langer Übersichtsartikel zum Thema „Rotes Fleisch in der Ernährung“, der im Ernährungsbulletin der British Nutrition Foundation publiziert wurde.

Die Adventist Health Study ist eine Serie von Studien der Loma Linda Universität aus Kalifornien. Bereits in den Siebziger und Achtziger Jahren wurde gezeigt, dass Vegetarier länger leben als Nicht-Vegetarier: Frauen hatten eine 4,4 Jahre und Männer eine 7,3 Jahre höhere Lebenserwartung im Vergleich zur kalifornischen Bevölkerung.

Dies wurde jetzt noch deutlich übertroffen. Seit 2002 läuft die unabhängige Adventist Health Study-2, welche vom National Cancer Institute, National Institutes for Health, US-Landwirtschaftministerium und World Cancer Research Fund finanziert wird. Am 7. Oktober 2012 präsentierte der leitende Wissenschaftler und Arzt, Gary E. Fraser, die dramatischen Zwischenergebnisse der Studie auf der Konferenz & Expo für Lebensmittel und Ernährung an der Akademie für Ernährung und Diätetik.

Fazit: Die männlichen Vegetarier der Adventisten werden durchschnittlich 83,3 Jahre alt und die vegetarisch-lebenden Frauen 85,7 Jahre - das sind 9,5 beziehungsweise 6,1 Jahre länger als die restliche kalifornische Bevölkerung, erklärte Fraser. Diese Ergebnisse zeigen noch deutlicher als zuvor, dass gesundheitsbewusste Vegetarier deutlich länger leben und gesund bleiben.

Weitere Ergebnisse der Adventist Health Study 2:

* Veganer (reine Pflanzenköstler) sind im Durchschnitt 13,6 kg leichter als Nicht-Vegetarier.

* Veganer haben einen um fünf Einheiten niedrigeren BMI als Nicht-Vegetarier.

* Vegetarier und Veganer sind weniger insulinresistent als Nicht-Vegetarier.

* Veganer haben am wenigsten Bluthochdruck und das geringste Risiko für Typ-2-Diabetes.

* Im Vergleich mit Pflanzenköstlern haben Nicht-Vegetarier, die Fleisch essen, ein viermal so hohes Risiko, Typ 2-Diabetes mellitus zu entwickeln.

* Die Blutwerte von C-reaktivem Protein (Entzündungsmarker), IGF-1 (Wachstumsfaktor) und Insulin waren bei Vegetariern niedriger.

* Schlanke machen häufiger regelmässig Sport, essen pflanzlich und vermeiden Zigaretten im Vergleich zu übergewichtigen Personen. Dies weist darauf hin, dass zahlreiche Faktoren die Gesundheit der Studienteilnehmer verstärken.

Nicht nur das Weglassen von Fleisch wirkt sich positiv aus. Auch Gemüse, Obst, Nüsse und Hülsenfrüchte, die von Vegetariern häufig verzehrt werden, können per se das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes senken und die Gewichtskontrolle und Gehirnfunktion verbessern, berichtet die Loma Linda Universität. Insgesamt hatten die Vegetarier eine gesündere Lebensweise, die zu diesem einmaligen Ergebnis mitbeiträgt.

In dem Fachbuch "Dr. Jacobs Weg des genussvollen Verzichts" widmet sich das Dr. Jacob's Institut der zentralen Fragestellung: Was sind die effektivsten Massnahmen gegen unsere Zivilisationskrankheiten? In dem Fachbuch "Dr. Jacobs Weg" werden die einzelnen Faktoren des Zusammenhangs zwischen Ernährung und Gesundheit untersucht und aus bisher ungewohnten Blickwinkeln auf der Basis von etwa 500 wissenschaftlichen Studien beleuchtet. Dabei widerlegt der Autor mit wissenschaftlich gesicherten Fakten einige moderne Ernährungsmythen.

Als epidemiologische, lebendige Beispiele dienen hier unter anderem die Ergebnisse der China Study, die bereits veröffentlichten Ergebnisse der Adventist Health Study sowie die Bewohner von Okinawa, die in einer langjährigen Studie genau untersucht wurden und bisher als die am längsten lebenden Erdenbürger galten. Vom ersten Platz der "durchschnittlichen" Lebenserwartung wurden sie zwar nun verdrängt, doch Okinawa bietet immer noch ein besonderes Phänomen: Auf Okinawa leben anteilig die meisten über 100-Jährigen der Welt.

Die vitalen "Golden Agers" ernähren sich traditionell und überwiegend pflanzlich. Sobald sie sich jedoch auf die westliche Ernährung einlassen, sind sie den Zivilisationskrankheiten genauso ausgeliefert wie wir. Dieser Umkehrprozess mit all seinen Folgen ist bereits im vollen Gange und verdrängt die Männer auf Okinawa in Sachen Lebenserwartung vom ersten Platz der Welt auf den letzten Japans.

EX-US-Präsident Bill Clinton: "Eine vegane Ernährung half mir, 11 Kilo abzunehmen, und hat mein Leben gerettet." Nach einem Herzinfarkt, vier Beipässen und zwei Stents stieg er auf fettarme, rein pflanzliche Vollwertkost um.

Die westliche Ernährung hält ein insulinogenes Highlight nach dem anderen bereit. Mahlzeiten, die tierisches Protein und Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index kombinieren, wie zum Beispiel Steak mit Kartoffeln, führen zu einer besonders hohen Insulinausschüttung und zu einem schnellen Blutzuckerabfall.

So steigt die Sucht nach den anabolen, sympathikomimetischen, serotonergen Insulinwirkungen stetig an. Ein Teufelskreis, der abdominale Fettleibigkeit, Fettleber, Insulinresistenz und das metabolische Syndrom im Schlepptau hat und die Tür für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs öffnet.

Text: Dr. Jacob`s Institut für komplementärmedizinische Forschung

Kommentar der foodaktuell-Redaktion:

Korrelationen müssen nicht zwingend einen kausalen Zusammenhang haben, sie können auch einem gemeinsamen Trend zugrunde liegen. Dazu ein berühmtes Beispiel, das viele Statistik-Lehrbücher ziert: Wenn man die Zahl der Geburten mit der Zahl der Storchennester zwischen Schwarzwald und Elsass während der letzten hundert Jahre vergleicht, findet man eine starke Parallelität: beide nahmen stetig ab. Wer daraus eine Kausalität ableitet, glaubt an den Storch. Die Erklärung ist anderswo zu suchen: Die parallel sinkenden Zahlen haben eine gemeinsame Ursache in der zunehmenden Industrialisierung.

Auf Studien über die Ursachen unterschiedlicher Lebenserwartung übertragen, kann das heissen, dass Vegetarier zwar länger leben aber nicht oder nicht nur, weil sie sich vegetarisch ernähren sondern auch aus andern Gründen. Oft sind Vegetarier generell gesundheitsbewusster, rauchen nicht, nehmen keine Drogen und treiben mehr Sport. Auch dies sind Faktoren, welche die Lebenserwartung erhöhen, wie der Bericht des Jacobs-Insituts einräumt. Bei solchen multifaktoriellen Zusammenhängen kann man kaum herausfinden, welcher Faktor wieviel zu einem Trend beiträgt. Vor allem nicht, da man mit Menschen ja keine Fütterungsversuche machen kann.

Ausserdem beweist die höhere Lebenserwartung von Vegetariern noch nicht, dass eine kleine Menge Fleisch dieselbe reduziert hätte. Die Folgerung, Fleisch sei ungesund, wäre also ein krasses Vorurteil. Zoologisch betrachtet, ist der Mensch ein Allesfresser. Am gesündesten ernährt man sich ausgewogen. (GB)

Weiterlesen: Kein Vorteil bei Fleischverzicht

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