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9.10.2013: nachrichten
9.10.2013
Im Bündnerland gebackene Nusstorten sind besser

Der Kassensturz hat Bündner Nusstorten getestet und grosse Qualitätsunterschiede festgestellt. Das beste ist ein Bioprodukt




Die beste Nusstorte im Test stammt von Meinrad Meier, Bäckermeister in Müstair


«Kassensturz» hat zehn der meistverkauften Nusstorten testen lassen. Sieben Produkte stammen aus dem Detailhandel, drei aus einheimischer Produktion. Die hochkarätige Jury bestand aus fünf geschulten Bündner Gaumen:

Ludwig Caderas, Ausbildungsleiter beim Schweizerischen Konditormeisterverband
Reto Schmid, Präsident Konditormeisterverband Graubünden und kantonaler Swiss Bakery Champion
Jolanda Stgier, Schweizermeisterin Confiserie
Franz Ziegler, Bäcker- und Konditormeister an der Berufsschule Aarau und ausgezeichneter Weltkonditor
Reto Mathis, Spitzenkoch und Besitzer der Matthis-Food-Gourmetrestaurants auf der Corviglia, 2500 Meter über Meer

Die Profis degustierten sämtliche Nusstorten und bewerteten die Kriterien Geruch und Aroma, Geschmack, Textur und Konsistenz, Nachgeschmack und Aussehen. Die schlechteste war von einem Grossverteiler und erhielt Note 2,5. Dieser schrieb «Kassensturz», man wolle die Rezeptur aufgrund des Testresultates neu überarbeiten.

Nur wenig besser schnitt das Produkt eines andern Grossverteilers: Zu trocken, zu wenig Butter- und Caramellaroma. Bemängelt wurde auch der ranzige Nachgeschmack. Die Torte erhielt daher nur die Note 2,8. Die Firma schrieb «Kassensturz», man könne das schlechte Resultat nicht nachvollziehen. Eigene Tests hätten keine Mängel ergeben.

Passabel ist das Aroma der Füllung der Nusstorte Fine Food von Coop. Der Teig vermag aber nicht zu überzeugen: Note 4. Beim Produkt Delicatessa von Globus, der teuersten Nusstorte im Test (Fr. 4.62/100 g), fehlt das Karamellaroma, insgesamt schmeckt die Torte bitter. Die Juroren vergaben die Note 4,2.

Die Nusstorte nach Bündner Art von Aldi ist mit 1.40 Franken pro 100 Gramm eine der günstigsten im Test und schafft es auf Note 4,3. Fast drei Mal teurer, aber mit der Note 4,4 nur wenig besser: die Münstertaler Nusstorte, gekauft bei Globus.

Nicht vollends zu überzeugen vermag auch die Pultorte: Die Jury stört sich am Puderzucker auf der Oberfläche und wünscht sich mehr Füllung. Note 4,4. Note 4,6 erhält die Nusstorte der Pastizzeria Cantieni, dem grössten Tortenhersteller im Kanton Graubünden. Das Produkt von Merz, die grösste Konditorei aus Chur, erhält Note 4,7. Am besten schmeckte der Jury die Bio-Nusstorte «Schellenursli» vom Meyer-Beck in St. Maria, zu kaufen bei Spar: Note 4,8.

Wer erfand die Bündner Nusstorte?

Ricola war es nicht. Was sich derzeit im Kanton Graubünden abspielt, ist ein veritabler Tortenkrimi um historische Wahrheit und Ehre: Als Haupttäter konnte «Kassensturz» Fadri Pult ausmachen. Sein Grossvater, Fausto Pult, gilt im Kanton seit Jahren als der Erfinder der legendären Bündner- und Engadiner Nusstorte.

«Mein Grossvater gründete 1926 in Samedan eine Konditorei, und vermarktete dort als erster die Bündner Nusstorte in grösserem Stil», erzählt Fadri Pult, der das Geschäft inzwischen von seinem Vater übernommen hat. Dieser hatte in den 50er-Jahren eine Genferin geheiratet, weshalb die Firma Pultorte heute die Bündner Spezialität in Genf und in Samedan produziert, natürlich mit Verweis auf die Mutter aller Nusstorten! Bild: Pultorte.

Mit dieser Geschichtsauslegung überhaupt nicht einverstanden ist Dolf Kaiser: Der 84-jährige Bündner Historiker hat über die kantonale Zuckerbäckertradition geforscht, und darüber auch ein Buch geschrieben.

Er ist überzeugt: Fadri Pult lügt: «Die Geschichte der Bündner Zuckerbäcker ist eine Geschichte der Migration. Auch meine Urgrosseltern hatten im vorletzten Jahrhundert das Bündnerland verlassen und in Toulouse eine Konditorei geführt», erklärt der Historiker. Fausto Pult sei zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei den Grosseltern von Dolf Kaiser in die Lehre gegangen und habe dort die Rezeptur für die Bündner Nusstorte kennengelernt.

«Es stimmt, mein Grossvater Fausto war ein paar Monate in der Bäckerei in Toulouse angestellt», bestätigt Fadri Pult, betont aber im gleichen Atemzug: «Von Rezepteklau kann nicht die Rede sein. Fausto hatte das Rezept von seiner Mutter erhalten. Das ist in der Familienchronik so bestätigt.»

Ein Dritte beansprucht die Erfinder-Ehre

Doch nicht nur die Familien Pult und Kaiser streiten sich über das Ur-Rezept der Bündner Nusstorte. In den Tortenkrimi mischt sich jetzt auch Emil Ribi aus Chur: «Meine Grosseltern hatten zu Beginn des letzten Jahrhunderts an der Reichsgasse 21 in Chur eine Bäckerei/Konditorei eröffnet und schon damals Bündner Nusstorten als Spezialität des Hauses in die ganze Schweiz verkauft», erklärt Emil Ribi gegenüber «Kassensturz». «Das war also schon ein Vierteljahrhundert vor der Eröffnung der Konditorei von Fausto Pult in Samedan», unterstreicht Ribi.

Fadri Pult gibt sich gelassen: «Ich sage ja nicht, dass mein Grossvater die Bündner Nusstorte erfunden hat. Was aber sicher stimmt: Er hat sie als Erster im Engadin in grösserem Stil vermarktet». Es wolle nicht ausschliessen, dass andere Familien an anderen Orten dieser Welt schon zuvor die Torte verkauft hätten.

Aufklärung im Tortenkrimi verspricht jetzt der Verein Kulinarisches Erbe Schweiz: Der Verein engagiert einen unabhängigen Spezialisten, der den wahren Ursprung der Bündner Nusstorte völkerkundlich aufarbeiten soll. Bereits historisch belegt scheint aber folgende Tatsache: Die Bündner Nusstorte ist kein ursprünglich bündnerisches Rezept: «Aus dem einfachen Grund, dass es im Kanton Graubünden einfach zu wenig Nussbäume gibt», erklärt Historiker Dolf Kaiser und legt die Vermutung nahe, das Rezept stamme entweder aus Italien oder aus Frankreich. (Volltext: www.srf.ch > Kassensturz vom 8.10.2013)

KOMMENTAR

Von Gaudenz Zimmermann, 3658 Merligen, 08.10.2013:

Mit Schreiben vom 2.10.2013 hat die Schweizerische Lauterkeitskommission in ihrem Urteil festgehalten, dass die Firma Pult nicht berechtigt ist: 1) Sich Ursprungshaus der Nusstorte zu nennen 2) Angaben zu machen, die sie als Erfinderin des Rezeptes erscheinen lassen. Das Urteil kann bei der "IG korrekte Geschichte der Engadiner Nusstorte": gau.zimmer@bluewin.ch angefordert werden.

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