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16.10.2013: nachrichten
16.10.2013
«Saldo» kritisiert Stopfleber

Schweizer Grossverteiler verkaufen immer mehr Foie gras von gestopften Enten und Gänsen. Und Froschschenkel seien ein unnötiges Luxusprodukt.




Gebratene Stopfleber


Der Import von Fettlebern von Enten und Gänsen nimmt zu. In den Jahren 2010 und 2011 gelangten jeweils rund 287 Tonnen frische, gekühlte oder gefrorene Fettlebern in die Schweiz. Herkunft: vor allem Frankreich, Ungarn und Bulgarien. 2002 waren es noch 208 Tonnen.

Der Grossteil der importierten Fettlebern stammt von gestopften Tieren. Das bedeutet: Die Produzenten führen mehrmals täglich Metallrohre, Metallschläuche oder Gummischläuche in den Rachen der Enten und Gänse. Dann pumpen sie Futter in die Mägen der Tiere – meist Maisbrei oder Schweinefett. Diese Zwangsernährung wird so oft wiederholt, bis die Leber der Tiere einen Fettgehalt von 30 bis 50 Prozent aufweist. Die Enten und Gänse kämpfen mit Verdauungsproblemen, Atembeschwerden, Schmerzen und körperlichem wie mentalem Stress.

In der Schweiz gilt eine solche Mast als Tierquälerei und ist deshalb laut Tierschutzverordnung verboten. Das verhindert aber nicht, dass Produkte von derart gemästeten Tieren importiert und verkauft werden. saldo fand laut Deklaration Fettlebern in den Regalen von Migros, Manor, Globus und dem Zürcher Kaufhaus Jelmoli – roh oder in Form von Terrinen, Pasteten und Brotaufstrichen. Die Produkte sind sowohl abgepackt als auch im Offenverkauf erhältlich.

Gummi- statt Metallschlauch

Allein bei Manor, Globus und Jelmoli fand saldo Fettlebern von rund zehn Herstellern mit Sitz in Frankreich und Deutschland. saldo kontaktierte alle Betriebe. Nur einer gab über seine Produkte Auskunft: Der französische Betrieb Les Délices de Saint Orens erklärte, die Enten während vierzehn Wochen mit eigener Ernte zu füttern und anschliessend zwei Wochen lang zu mästen – in der Regel mit ­einem Metallrohr. Man würde die Enten extra nachts schlachten, «um sie nicht zu stressen». Produkte dieses Mästers sind etwa bei Manor im Verkauf.

Globus verkauft Produkte von drei Mastbetrieben. Laut Sprecher Jürg Welti mästen zwei der Betriebe ihre Tiere mit Gummischläuchen. Ein Produzent verwende «nach wie vor Metallschläuche». Wer das ist, verrät Welti nicht. Globus habe entschieden, die Produkte aus dem Betrieb weiter zu führen, allerdings mit der Auflage, auf Gummischläuche umzustellen.

Migros kauft bei zwei französischen Mastbetrieben ein. Diese müssten laut Migros einen Pflichtenkatalog einhalten, «der das maximale Tierwohl» sicherstelle und «gemäss Lieferanten» einer der «anspruchsvollsten der Welt» sei. Migros besteht auf einem Kautschukrohr zur Fütterung, «um das Verletzungsrisiko für die Enten auf ein Minimum zu reduzieren». Das Stopfen dauere übrigens lediglich zwischen elf und dreizehn Tagen.

Überfüttern statt stopfen: Keine wirkliche Alternative

Coop, Manor, Jelmoli, Spar, Globus und Denner verkaufen als Alternative auch Lebern von Enten und Gänsen, die angeblich nicht von gestopften Tieren stammen. Das heisst laut Schweizer Tierschutz, dass die Produzenten die Tiere so lange überfüttern, bis deren Lebern anschwellen. Meist leben die Enten und Gänse während des Mästens eingepfercht auf engem Raum. Denn je mehr sie sich bewegen, desto langsamer nehmen sie zu.

Coop beteuert, nur Entenleber von nicht gestopften Tieren zu verkaufen. Ein Produzent ist Le Patron mit Sitz in Böckten BL. Dieser versichert gegenüber saldo, «ausschliesslich normale Schlachtleber von Gänsen und Enten» zu verwenden. Nur die Pastete nach Strassburger Art enthalte gestopfte Gänseleber. Der zweite Produzent ist Feyel mit Sitz im elsässischen Strassburg. Feyel beantwortete keine Fragen von saldo. Laut dem Schweizer Generalimporteur Hugo Dubno in Hendschiken AG stammt der Grossteil der Feyel-Produkte aus Stopfleberproduktion.

«Wie 15 Kilogramm Spaghetti in nur 10 Sekunden»

Auch Manor gibt an, Leber von nicht gestopften Tieren zu verkaufen. Der Grossverteiler weist darauf hin, dass Stopfleber in der Regel als Foie gras deklariert sei. Produkte von nicht gestopften Tieren hiessen Foie fin, Mousse de foie oder Mousse de canard. Einen Schritt weiter geht Jelmoli im Offenverkauf: Hier finden Kunden auf den Produkteschildchen die Hinweise «gestopft» und «nicht gestopft».

Der Schweizer Tierschutz rät klar von Stopfleber ab. Zoologin Sara Wehrli: «Ein einzelner Stopfprozess ist, wie wenn ein Mensch 15 Kilogramm Spaghetti in nur 10 Sekunden zu sich nehmen müsste.» Doch die Expertin hält auch nichts von Fettlebern, die von ungestopften Tieren stammen.

Tipp: Wer rohe Enten- oder Gänseleber kaufen will, soll auf die Farbe achten. Ist sie dunkelrot, stammt sie von gesund ernährten Tieren. Hat die Leber eine gelbliche bis weisse Farbe, handelt es sich um eine Fettleber.

Froschschenkel: «Unnötiges Luxusprodukt»

Jährlich werden laut dem Bundesrat rund 450 000 lebende Frösche in die Schweizer importiert. Ihre Schenkel landen als Delikatesse auf dem Teller, der Rest in der Kehrichtverbrennungs- oder Bio-Gas-Anlage. Das Schweizer Tierschutzgesetz kennt keine Vorschriften für das Schlachten von Fröschen. Vorgeschrieben ist nur, dass die Produzenten «alles Notwendige unternehmen müssen, um Schmerzen, Leiden und Angst auf ein Minimum zu reduzieren».

Jetzt will das Bundesamt für Veterinärwesen die entsprechende Verordnung ergänzen: Schweizer Produzenten sollen die Tiere ohne Betäubung schlachten – indem sie die Frösche unterkühlen und dann mit einer Schere den Kopf abschneiden. Dieser muss sofort vernichtet werden. Gemäss Bundesamt ist das «die beste Methode». Andernfalls würden Froschschenkel von Tieren importiert, denen in den Herkunftsländern «die Beine bei lebendigem Leib ausgerissen werden – ohne vorher den Kopf abzutrennen».

Für Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz ist der Entscheid des Bundesamtes ein «Tierschutzskandal»: «Statt den Tieren zu helfen, erleichtern unsere Behörden die Geldmacherei mit einem völlig unnötigen Luxusprodukt, das aus Tierschutzgründen längst verboten gehört.»

Nebst lebenden Fröschen gelangen jährlich 107 bis 172 Tonnen frische, gekühlte oder gefrorene Froschschenkel vorwiegend aus Indonesien in die Schweiz. Die Grossverteiler wollen vorläufig nicht auf Froschschenkel verzichten. Bei Coop, Denner, Spar, Aldi, Lidl, Globus und Jelmoli fand saldo keine Froschschenkel. (Auszug aus dem Bericht im saldo 16/2013 vom 9. Oktober 2013. Volltext: www.saldo.ch)

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