Food aktuell
Backwaren & Confiserie: Tipps & Wissen
Backwaren & Confiserie
Experten kommentieren Transfett-Problematik



Backwaren-Fette: Gefordert ist nicht nur die Fettindustrie, die heute transfettsäuren-arme Fette anbietet, sondern auch und vor allem die Produktentwickler der Backwarenbranche, welche ihre Rezepte sanieren sollten. Bild: Lowtrans-Margarine von Margo.

Ende April veranstaltete die Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittel- und Umweltchemie SGLUC eine Arbeitstagung, die mit hundert Teilnehmern auf grosses Interesse stiess. foodaktuell hält die wichtigsten Positionen, Erklärungen und Zielsetzungen der hochkarätigen Referenten fest und kommentiert das Fazit.

Eine von der ETH Zürich initiierte und vom BAG finanziell unterstützte Studie wies ansehnliche trans-Fettsäuregehalte in vielen Lebensmitteln nach. Weil diese zu gesundheitlichen Bedenken Anlass geben, schalteten sich die Medien ein mit zum Teil harscher Kritik an den Produzenten von trans-fettsäurehaltigen Produkten. Die SGLUC gab daher am 27.4.2007 sowohl den Behörden wie auch der Industrie und der Forschung Gelegenheit zur Stellungnahme und Aussprache. Hier die wichtigsten Aussagen:

Paolo Colombani, Oberassistent für Humanernährung am Departement für Agrar- und Lebensmittelwissenschaft der ETH Zürich:
Transfette sind riskanter für die Gesundheit als gesättigte Fette. Eine durchschnittliche tägliche Aufnahme von rund vier bis fünf Gramm industriellen Transfettsäuren wird mit einer 25%igen Erhöhung des Risikos für Herzkrankheiten assoziiert. Transfettsäuren verändern vermutlich die Fluidität der Zellmembranen, beeinflussen die inflammatorischen Mediatoren und hemmen die Enzyme im normalen Fettstoffwechsel.

Michael Beer, Leiter der Abteilung Lebensmittelwissenschaft beim BAG:
Seit 1983 sind die Transfettsäuren in Margarine um 75 Prozent gesunken.
Das BAG studiert derzeit die Risikobewertung von Transfettsäuren.
Industrielle Transfette sind vermeidbar – Alternativen sind Palmfett (das allerdings reich an den ebenfalls unerwünschten gesättigten Fettsäuren ist) oder das Öl der neuen Rapssorten.
Das BAG wird im Frühsommer einen Vorschlag für eine Rechtsetzung machen. Zur Frage stehen ein Höchstwert oder die Deklarationspflicht. Der Höchstwert, den auch die Konsumentenschützer fordern, wäre ein Vorteil für den Export. Die Deklarationspflicht würde zwar den Wettbewerb stimulieren, wäre aber teuer in der Umsetzung und unwirksam im Offenverkauf.

Constantin Bertoli, Fettexperte von Nestlé:
Oft gehärtet und umgeestert wird das laurische Palmkernöl, um die Schmelzeigenschaften von Confiseriefetten zu verbessern.
Nicht nur beim Härten sondern auch beim Dämpfen bei hohen Temperaturen und langer Zeit entstehen Transfettsäuren.
Nestlé hat sich intern einen Grenzwert von 3% Transfettsäuren im Fettanteil auferlegt und will ihn bis 2008 vollständig umsetzen.



Frank Möllering (Bild), F+E-Leiter Nutriswiss:
Die wichtigsten Gründe für die Fetthärtung sind die Verbesserung der Oxidationsstabilität sowie Struktur und Funktionalität (gutes Schmelzverhalten). Die bei der Härtung entstehenden Trans-Fettsäuren (TFA) haben, ähnlich wie laurische Fette, gute Schmelzeigenschaften. Dank der gestreckten Anordnung der Moleküle wie bei gesättigten Fettsäuren haben TFA gute Kristallisationseigenschaften. Da sie immer noch ungesättigt sind, ist der Schmelzpunkt niedriger als bei einer gesättigten Fettsäure - ein sensorischer Vorteil.

Eine gute Alternative zu gehärteten Fetten für Blätterteigmargarine ist Fraktionieren von ungehärtetem Palmöl. Dabei erreicht man bei gleicher Funktionalität einen TFA-Gehalt unter 1% und auch der Anteil an gesättigten Fettsäuren wird nicht erhöht. Am schwierigsten ist der Ersatz von gehärteten, nichtlaurischen Füllmassefetten für die Confiserie wegen der Schmelz- und Kristallisationseigenschaften sowie Fettreif-Stabilität.

Der neue HOLL-Raps ist gut für die Oxidationsstabilität und ist eine Alternative für gehärtete Fette bei Frittieranwendungen, aber die HOLL-Erntemengen sind heute noch zu gering.
Bei hohen Temperaturen können sich bei Ölen, die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind, ebenfalls Transfettsäuren bilden (Faustregel: pro Stunde bildet sich 1% Transfettsäuren beim Hochtemperatur-Dämpfen bei 240 bis 250 Grad). Durch geeignete Raffinationsbedingungen kann die Trans-Bildung vermieden oder minimiert werden.

Koni Grob, Fett-Experte des Zürcher Kantonslabors KLZH
Bei Temperaturen unter 210 Grad bilden sich keine Transfettsäuren aber schädlich ist das Hochtemperatur-Dämpfen.
Nicht nur Trans-Monoene sondern auch Trans-diene und –Triene könnten gesundheitlich negative Bedeutung haben.

Hannes B. Stähelin, früher Präsident der Eidg. Ernährungskommission EEK und Professor für Geriatrie
Transfette sind kein aktues Problem mehr in Europa seit die Gehalte in den Margarinen stark gesunken sind – wohl aber in den USA. Der grössere Risikofaktor für Herzkrankheiten ist eine unausgeglichene Energiebilanz. Aber Transfette sind zu vermeiden, weil noch nicht erforschte Langzeitschäden nicht ausgeschlossen sind. Um die Beweislage zu klären, wäre ein nationales Forschungsprogramm sinnvoll.


Einige der Experten in der Diskussionsrunde, die NZZ-Journalist Beni Tommer moderierte. V.l.n.r: Michael Beer, Kurt Seiler, Paolo Colombani, Koni Grob.

Kurt Seiler, Kantonschemiker AI, AR, SH, GL
Ein Höchstwert ist sinnvoll, um gegen schwarze Schafe vorzugehen. Die Freiwilligkeit der Hersteller reicht nicht.
Eine Deklarationspflicht ist nicht sinnvoll, weil die meisten Konsumenten sie nicht verstehen, aber eine freiwillige Positivdeklaration wäre sinnvoll (transfettarm).

Reto Battaglia, Vorstandsmitglied der SGLUC und früher Leiter der Swiss Quality Testing Services SQTS:
Beim Fritieren bilden sich einige Prozent Transfettsäuren, aber die polaren Anteile, die sich dabei ebenfalls bilden, sind gesundheitlich gravierender.

Position der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien fial.

Die Industrie kann Transfette durch verschiedene Massnahmen reduzieren aber es ist nicht sinnvoll, dafür den Anteil an gesättigten Fette zu erhöhen. Transfettsäuren sind unerwüscht, sie können aber nicht gleichgestellt werden mit Inhaltsstoffen von toxikologischer Bedeutung. Deshalb ist es nicht angezeigt, Höchstwerte im Sinne der Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe (FIV) festzulegen.



Fial-Geschäftsleiter Beat Hodler war nicht als Referent eingeladen, wurde aber als Teilnehmer um seine Meinungsäusserung gebeten. Auf Anfrage von foodaktuell ergänzte er diese mit der Position der fial.


Die Wunschlösung der fial wäre ein Vorgehen im Einklang mit der EU im Hinblick auf einen allfälligen Höchstwert (im Sinne eines "Signal-" oder "Toleranzwertes") und auf eine zusätzlichen Deklarationspflicht, da andernfalls eine nur für die Inlandhersteller durchsetzbare Lösung bestünde. Erste Priorität haben aber die Massnahmen zur Senkung der Transfettgehalte im Rahmen der Selbstverantwortung , was bereits geschieht.

Die fial würde einen Toleranzwert von 2 oder 3 % akzeptieren, sofern die EU einen gleichen Wert festlegt. Um gegen schwarze Schafe vorzugehen, reicht ein Toleranzwert. Auch eine Deklarationspflicht ab 2 bis 3 % wäre akzeptabel, dies aber im Rahmen der geltenden Nährwert-Deklarationsverordnung (nicht in der Zutatenliste). Für die Deklaration «transfettarm» steht der Höchstwert von 0.5% zur Diskussion.

Kommentar der foodaktuell-Redaktion

Industrielle Transfette sind zwar nur bei dauerhaftem und massivem Überkonsum ein gesundheitliches Risiko (was allerdings auch für Kochsalz zutrifft). Aber allein schon die Tatsache, dass es künstlich veränderte Fette sind, sollte die fettverarbeitenden Betriebe veranlassen, Alternativen zu verwenden - in erster Linie bei Produkten mit hohem Kopfkonsum wie Backwaren. Bei Nischenprodukten wie Confiserieartikel ist das Problem geringer, denn wenn nur noch solche Transfette enthalten, ist die Gesamtzufuhr so gering, dass die Bedeutung für die Volksgesundheit marginal wird.

Gefordert ist nicht nur die Fettindustrie, welche ihre Hausaufgaben gemacht hat und schon seit einigen Jahren Lowtrans-Alternativen anbietet, sondern auch und vor allem die Produktentwickler der verarbeitenden Betriebe, welche ihre Rezepte anpassen müssen. Ebenso die Productmanager, welche die Rezept-Sanierungen und die leicht höheren Rohstoffkosten akzeptieren sollten (und dafür «transfettarm» ausloben dürfen).


Kuchenteig in der Backform von der Migros: laut Deklaration mit «Pflanzenmargarine aus Rapsöl und Palmfett». Hersteller: Grand Mère, Ecublens.



Auch der Detailhandel reagiert: Beispiel Migros

Die Migros-Eigenindustrie arbeitet an der Umstellung ihrer Sortimente auf einen Transfettsäuregehalt unter 2% berechnet auf die gesamte Fettmenge. Dieser Prozess soll Ende 2007 abgeschlossen werden. Die Jowa hat bereits das ganze Teigsortiment entsprechend angepasst; alle Teige weisen neu einen Transfettwert von sogar unter einem Prozent aus. Dazu zählen:

- Blockteige wie Blätterteige, Kuchenteige, Mürbeteige
- Ausgewallte Teige wie Blätterteige, Kuchenteige, Mürbeteige und Pizzateige
- Pizzakugeln
- Neuheiten wie Cake-Masse, Cookie-Teig, Brownie-Teig

Zum Saisonstart hat das Migros-Unternehmen Midor die ganze Glace- Produktion umgestellt. Neu enthalten alle Glacés weniger als zwei Prozent Transfettsäure. Dies gilt auch bereits für das ganze Backwaren-Sortiment der Midor.

Bis Ende 2008 sollen auch die Drittlieferanten die Anforderung des Transfettwerts von unter zwei Prozent erfüllen. Ausnahmen wird es bei einigen wenigen Produkten geben, für die es noch keine technologische Lösung gibt. An rahm- und butterhaltigen Produkten, die natürlicherweise Transfettsäuren enthalten, werden keine Veränderungen vorgenommen. (Medienmitteilung MGB)

Weiterlesen: Butter oder Lowtrans-Fettstoffe?

Copyright www.foodaktuell.ch