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Backwaren & Confiserie: Tipps & Wissen
Backwaren & Confiserie
Natürliche Farbstoffe: warum und wie umstellen




Mit teilweise färbenden Zutaten, ohne künstliche Farbstoffe: Geléefrüchte von F.Hunziker & Co, Migroslieferant für Zuckerwaren. Deklariert sind: färbende Lebensmittel und Extrakte: Paprika, Färberdistel, schwarze Johannisbeeren, Äpfel und Rettich. Farbstoffe Curcumin, Kupferchlorophyllin und Pflanzenkohle.

Am 20.9.2010 erschien im Konsummagazin «Gesundheitstipp» ein Bericht über Farbstoffe. Hier ein Auszug: Die Grossverteiler reagieren auf den Druck der Konsumenten und ersetzen freiwillig die ungesunden Farbstoffe durch natürliche. Die Migros erklärt: «Das Bedürfnis der Kunden nach natürlich gefärbten Produkten ist deutlich gestiegen.» Deshalb will sie bis 2012 schrittweise die künstlichen Farbstoffe aus allen Produkten der Eigenmarken verbannen. «Die Hersteller der Fremdmarken verzichten schon heute mehrheitlich auf künstliche Farbstoffe». Vor zwei Jahren argumentierte das Unternehmen noch ganz anders: die Zusatzstoffe gälten für die Migros als sicher, solange die Behörden sie nicht verbieten.

Coop will bis in zwei Jahren ebenfalls alle Eigenmarken ohne künstliche Farbstoffe verkaufen und sagt: «Wir können den Herstellern der Markenartikel nicht vorschreiben, wie sie die Produkte gestalten, solange sie sich an die gesetzlichen Vorgaben halten.» Coop glaubt jedoch, dass auch die Markenartikel-Hersteller auf Farbstoffe verzichten werden – weil die EU nun einen Warnhinweis auf der Verpackung vorschreibt. Laut Angaben von Coop enthalten inzwischen alle Kindersüssigkeiten wie Haribo-Produkte oder Saure Zungen nur noch natürliche Farbstoffe.

Denner, Spar und Lidl sagen sie hätten die künstlichen Farben bei allen Eigenmarken bereits eliminiert. Aldi will bis Ende Jahr die Rezepturen sämtlicher Produkte umstellen – auch bei den Markenartikeln. «Ausnahmen gibt es nur noch bei den Spirituosen», sagt der Aldi-Sprecher. «Unsere Lieferanten arbeiten aber auch hier an Alternativen.»

Der Gesundheitstipp zitiert die Kinderärztin Silke Schmitt aus Küsnacht ZH. Sie findet natürliche Farbstoffe nur schon aus erzieherischen Gründen besser: «Künstliche Farben leuchten viel stärker. Deshalb lenken sie das Interesse der Kinder weg von gesunden und natürlichen Produkten, hin zu den künstlich veränderten Lebensmitteln.» (siehe: http://www.gesundheitstipp.ch/themen/beitrag/1050067/)

Unterschiede EU - Schweiz

Dass die Grossverteiler so reagieren, ist auch bedingt durch eine neue EU-Verordnung, die zwar die umstrittenen Azofarbstoffe nicht verbietet aber einen Warnhinweis verlangt: Gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 vom 16. Dezember 2008 gilt seit dem 20.07.2010 eine besondere Hinweispflicht für bestimmte Azofarbstoffe, die in der Lebensmittelindustrie breite Verwendung finden. Lebensmittel mit folgenden Farbstoffen müssen neben der E-Nummer vorsorglich den Aufdruck "kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen" tragen: E 102 Tartrazin, E 104 Chinolingelb, E 110 Gelborange S (Gelborange RGL), E 122 Azorubin(Carmoisin), E 124 Conchenillerot A (Ponceau 4 R, Victoriascharlach 4 R), E 129 Allurarot AC.

Das BAG hat für die Schweiz noch keine neuen Richtlinien bezüglich Einsatz von Farbstoffen erlassen, da die europäische Lebensmittelbehörde - im Gegensatz zu britischen Forschern - keinen Zusammenhang zwischen künstlichen Farbstoffen und der Hyperaktivität von Kindern feststellen konnte. Der Bundesrat nahm dazu Stellung am 5.12.2008:

Den Bundesbehörden ist die Studie von McCann et al. (2007) bekannt, welche die Farbstoffe Tartrazin (E102), Chinolingelb (E104), Sunsetgelb FCF (E110), Ponceau 4R (E124), Allurarot AC (E129), Carmoisin (E122) mit der Hyperaktivität bei Kindern in Verbindung gebracht hat. Auf europäischer Ebene ist die Studie nach einer wissenschaftlichen Analyse durch die europäische Lebensmittelbehörde Efsa infrage gestellt worden. Obwohl keine wissenschaftlichen Beweise eines Zusammenhangs zwischen diesen Substanzen und Hyperaktivität vorgelegt werden konnte, hat sich das EU-Parlament im Juli 2008 für eine verbesserte Kennzeichnung von Lebensmittelfarbstoffen ausgesprochen.

Dem Bundesrat ist es ein Anliegen, die Konsumentinnen und Konsumenten vor Farbstoffen zu schützen, welche die Gesundheit gefährden können. Da jedoch der wissenschaftliche Beweis einer Gesundheitsgefährdung bis heute nicht erbracht ist, erachtet der Bundesrat ein Verbot oder einen Warnhinweis analog der Zigarettenpackung im jetzigen Zeitpunkt als nicht sachgerecht. Wenn Konsumentinnen und Konsumenten auf Produkte mit diesen Farbstoffen verzichten möchten, können sie sich anhand der obligatorischen Zutatendeklaration orientieren, ob ein solcher Stoff in einem Produkt enthalten ist.

Hersteller ändern die Rezepte freiwillig

Auch wenn das BAG keinen Handlungsbedarf sieht, reicht die EU-Warnhinweispflicht und die Marketingentscheidungen der Grossverteiler, um einen Trend auszulösen bzw den seit einigen Jahren bestehenden zu verstärken.

Bei Trawosa, wo sowohl natürliche wie auch künstliche Farbstoffe im Angebot stehen, konstatiert man eine steigende Nachfrage nach natürlichen Farbstoffen wie auch nach färbenden Zutaten. «Wenn möglich wechseln die Hersteller direkt auf färbende Lebensmittel ohne E-Nummer, dies auch bei Süsswaren», sagt Hans Graf, Business Development Manager von Trawosa. Und er betont: «Natürliche Farbstoffe wurden in den letzten Jahren besser und bei vielen Anwendungen gleichwertig, aber sie sind immer noch anspruchsvoller, etwas weniger brilliant, benötigen mehr Knowhow und manchmal Kompromisse».

Auch der dänische Farbstoff-Spezialist Hansen betont in seiner Werbung, es gebe gute natürliche Alternativen: «In der gesamten Lebensmittelindustrie halten die natürlichen Farbstoffe Einzug. War noch vor einigen Jahren zu beobachten, dass natürliche Farbstoffe dumpfe, matte Farben erzeugten, so haben sich heute die Eigenschaften dieser Farbstoffe geändert. Auf Grund neuer und verbesserter Produktionsverfahren bilden sie brilliante und leuchtende Farben, deren Licht-, Säure- und Hitzestabilität exzellent sind».

Trotzdem: Es gibt nicht für jeden künstlichen Farbstoff eine gleichwertige natürliche Alternative und schon gar nicht eine einfache, generell verwendbare. Vielmehr muss für jede Produktart eine eigene Lösung entwickelt werden. Und auch die besten Alternativen haben Folgen bei Sensorik und Stabilität der Produkte. So etwa werden wohl viele Süsswaren und Konditoreiprodukte nicht mehr so brilliant aussehen, wenn sie natürlich gefärbt sind. Und um das Ausbleichen zu verzögern, werden wohl lang haltbare Süsswaren in lichtundurchlässige Folien verpackt werden müssen – ohne Sichtfenster. Dafür lässt sich der Verzicht auf künstliche Farbstoffe marketingmässig ausloben.

Aber wer sucht der findet: viele Halbfabrikate- und Endprodukte-Hersteller bemühen sich seit Jahren um einen Wechsel von künstlichen Farbstoffen auf natürliche oder sogar auf Clean Label, wie bei mehreren FBK-Ausstellern schon seit 2005 festzustellen war. Oder zumindest vermeiden sie die umstrittenen Azofarbstoffe aus Marktinggründen. Dazu zwei Beispiele:

Seit diesem Jahr enthalten die Marmeladen und Gelees von Alipro nur natürliche Farbextrakte und Farbstoffe. «Seit Anfang 2009 haben wir deren Einsatz getestet, gelagert und laufend optimiert», sagt Alipro-Marketingleiter Markus Lüssi. «Heute haben wir für alle Produkte sehr gute Lösungen bereit. Auch die gefärbten Marzipane konnten auf natürliche Farbstoffe umgestellt werden. Somit haben wir heute nur noch bei den flüssigen Farben und Aromen, die wir auch verkaufen, noch AZO-Farbstoffe im Einsatz, aber diese werden demnächst ebenfalls umgestellt».

Fallbeispiel: blaue Smarties

Seit Ende 2006 enthält das Zuckercoating der Smarties-Chocolinsen keine künstlichen Farbstoffe mehr. Das Hauptproblem bestand beim blauen Farbstoff: Drei Jahre Entwicklungsarbeit waren nötig, um einen natürlichen Ersatz zu finden. Schon im Sommer 2005 hatte Nestlé Rowntree versprochen, alle künstlichen Farbstoffe aus seinen Süsswaren zu eliminieren. Dies bedeutete das Aus für die blaue Sorte - und einen Umsatzzuwachs von 9% für Rowntree-Produkte. Wie Nachrichtendienst Food Navigator mitteilte, gab es jedoch auch eine Menge enttäuschter Kunden, die die blauen Schokolinsen schmerzlich vermissten.


links: Viele bunte Smarties von Nestlé mit färbenden Zutaten. Deklariert sind: Färberdistel, Rettich, schwarze Karotte, Hibiskus, Rotkohl, Spirulinakonzentrat.
Rechts: Ebenfalls bunte m&m’s von Mars mit teils natürlichen und teils künstlichen Farbstoffen aber ohne Azo-Farbstoffe. Deklariert sind: E100, E120, E133, E160e, E171.


In Deutschland, wo im Werk Hamburg jährlich 16 Milliarden Smarties hergestellt werden, fand der Verzicht auf künstliche Farbstoffe im Sommer 2007 statt. Die Rettung für die blauen Linsen brachten nun Süsswasseralgen (Spirulina), die bislang zur Nahrungsergänzung genutzt wurden. Mit Hilfe zweier Arten dieser blau-grünen Cyanobaktieren war es möglich geworden, blaue Smarties ohne den künstlichen Farbstoff E133 herzustellen, der im übrigen als unbedenklich gilt.

Rückblick: Die Forderung der Konsumentenschutz-Organisationen

Für die SKS, FRC und ACSI ist es nicht einsichtig, weshalb die Schweizer Lebensmittel-Gesetzgebung der EU-Gesetzgebung anpasst, in einem solchen Bereich jedoch eine Ausnahme gemacht wird. Gemäss dem Vorsorgeprinzip ist es nur folgerichtig, dass der Warnhinweis auch für die Schweiz gilt. Die drei Organisationen haben sich deshalb an das Bundesamt für Gesundheit gewandt und verlangt, dass die Gesetzgebung auch in diesem Teilbereich den EU-Vorschriften angepasst werden soll.

Tartrazin war in der Schweiz während 15 Jahren verboten, im Jahr 2002 wurde dieser Azofarbstoff für bestimmte Anwendungen wieder zugelassen - im Zuge einer Anpassung an die EU und dem Abbau von Handelshemmnissen. Einen Nutzen haben die Konsumentinnen und Konsumenten von der Verwendung der Azofarbstoffe keinen. Sie dienen lediglich dazu, die Süssigkeiten, Süssgetränke und Backwaren für Kinder bunter und damit ansprechender zu gestalten.

Wie verbreitet Azofarbstoffe noch immer sind, zeigt der Markttest der drei Konsumentenschutz-Organisationen. In verschiedenen Schweizer Detailhandelsgeschäften (Coop, Migros, Denner, Aldi, Kioske) wurden 55 Produkte gekauft, welche sich von der Aufmachung her meist besonders an Kinder und Jugendliche richten: Sie sind sehr bunt, benutzen für die Verpackung besonders grelle Farben, werben mit Comicsfiguren oder sprechen sonst durch Verpackung und Aufmachung Kinder besonders an.

Die 55 gekauften Produkte, welche anhand dieser Kriterien eingekauft wurden, zeigen, dass der Anteil an Süssigkeiten mit Azofarbstoffen hoch ist. 19 Produkte oder knapp 35 Prozent enthalten Azofarbstoffe oder Chinolingelb. 10 Produkte enthielten zwei oder drei Azofarbstoffe, eines sogar vier. Ein Warnhinweis war auf keinem Produkt zu finden. Positiver Aspekt: Kein Produkt, welches gesundheitsbezogene Anpreisungen wie „Ohne künstliche Konservierungsstoffe“, „Ohne Zucker“ oder „Mit natürlichen Aromen“ aufgedruckt hat, enthält Azofarbstoffe oder Chinolingelb. (Text: SKS)

Warum färben?

Lebensmittel wie Süsswaren werden gefärbt, um die sonst meist farblosen Produkte attraktiver zu gestalten und jedem eine individuelle Note zu geben. Zusätzlich unterstützen die Farben das geschmacksgebende Aroma. Ein nach Erdbeer schmeckendes Bonbon oder Eis sollte rot sein, damit der Verbraucher leichter das Aroma erkennt. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Färbung ist die Produktuniformität. Der Verbraucher verbindet bekannte Produkte mit bestimmten Farbtönen. Ändert sich die Farbe, erkennt der Kunde sein Produkt zum Teil nicht mehr als sein favorisiertes. (Text: Hansen)



Bonbonmasse färben



Wissenswertes über Farbstoffe

Farbstoffe lassen sich in drei verschiedene Klassen einteilen: natürliche Farbstoffe, die aus in der Natur vorkommenden Pigmenten gewonnen werden (z.B. Anthocyanine, Chlorophyll, Karmin); naturidentische Farbstoffe, deren Struktur den natürlichen Pigmenten gleicht, aber durch Synthese gewonnen werden (z.B. Beta Carotin, Riboflavin); synthetische Farbstoffe, deren Molekülstruktur nicht in der Natur vorkommt (z.B. Tartrazin, Patentblau).

Von den natürlichen Farbstoffen werden vor allem die beliebten gelben, roten, grünen und violetten Töne aus Turmeric, Karmin, Chlorophyll und Anthocyanin verwendet. Aber auch Karamell und Carbo vegetabilis werden eingesetzt. In Ländern, in denen der Farbstoff Annatto zugelassen ist, ist seine typisch orange-gelbe Färbung gut für verschiedene Produkte und Anwendungen geeignet. Es können auch Farbmischungen aus gelben und roten Tönen verwendet werden.

Bezugsquellen-Tipps:

Einige Lieferanten, Hersteller und Berater von natürlichen Farbstoffe (mit E-Nummer) und färbenden Zutaten (ohne E-Nummer)

TRAWOSA AG www.trawosa.ch
Exklusivvertretung von Sensient Food Colors Europe www.sensient.com/

Chr. Hansen http://www.chr-hansen.com/

Rudolf WILD GmbH & Co. KG www.wild.de

ADITIVA CONCEPTS AG www.aditiva-concepts.ch

Alipro www.alipro.ch

Künstliche Farbstoffe:

Pistor AG www.pistor.ch
Vertretung von Hollinger William vorm. A. Hollinger in Basel

E-Nummern, Name und Status der wichtigsten Farbstoffe


E 100 Kurkumin Natürlicher Farbstoff
E 101 Lactoflavin/Riboflavin Natürlicher Farbstoff (Vitamin B2)
E 102 Tartrazin Synthetischer Farbstoff
E 104 Chinolingelb B Synthetischer Farbstoff
E 110 Gelborange Synthetischer Farbstoff
E 120 Cochenille (Carminsäure) Natürlicher Farbstoff
E 122 Azorubin Synthetischer Farbstoff
E 123 Amaranth Synthetischer Farbstoff
E 124 Ponceau 4R Synthetischer Farbstoff
E 127 Erythrosin Synthetischer Farbstoff
E 128 Rot 2 G Synthetischer Farbstoff
E 129 Allurarot AC Synthetischer Farbstoff
E 131 Patentblau Synthetischer Farbstoff
E 132 Indigotin (Indigocarmin) Synthetischer Farbstoff
E 133 Brillantblau FCF Synthetischer Farbstoff
E 140 Chlorophylle Natürlicher Farbstoff
E 141 Kupferkomplexe der Chlorophylle Natürlicher Farbstoff
E 142 Brillantsäuregrün Synthetischer Farbstoff
E 150 Caramel (Zuckercouleur) Natürlicher Farbstoff
E 151 Brillantschwarz Bn Synthetischer Farbstoff
E 153 Carbo Medicinalis (Pflanzenkohle) Natürlicher Farbstoff
E 154 Braun FK Synthetischer Farbstoff
E 155 Braun HT Synthetischer Farbstoff
E 160 Carotinoide Natürlicher Farbstoff
E 161 Xantophylle Natürlicher Farbstoff
E 162 Betanin (Randenrot) Natürlicher Farbstoff
E 163 Anthocyane Natürlicher Farbstoff
E 170 - Calciumcarbonat
E 171 - Titandioxid
E 172 - Eisenoxide
E 173 - Aluminium
E 174 - Silber
E 175 - Gold
E 180 - Litholrubin BK
(ein synthetisch hergestellter Farbstoff gilt als künstlich)

Weiterlesen: Trend zu natürlichen Farbstoffen

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