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Diabetikerdesserts in der Kritik

Ernährungsexperten betonen heute, es gebe nicht gesunde oder ungesunde Produkte sondern die Gesundheit hängt vor allem von der Menge und Zusammensetzung der Kost ab nebst dem Grad der körperlichen Bewegung. Dies gilt auch für Diabetiker. Zuckerreduzierte Produkte für Diabetiker sind daher Auslaufmodelle.




Zuckerreduzierte Produkte mit Empfehlungen für Diabetiker sind nicht mehr zeitgemäss.


Diätetische Lebensmittel sind für eine besondere Ernährung bestimmt. Vorschriften dazu sind in der Verordnung über Speziallebensmittel geregelt. Seit 2009 wird auf europäischer Ebene über eine Änderung der gesetzlichen Grundlage für Diätprodukte diskutiert, so auch für Diabetikerprodukte, eine Untergruppe davon. Letztes Jahr berichtete das Konsummagazin Gesundheits-Tipp, dass Deutschland den Hinweis «Für Diabetiker verwendbar» generell verboten habe und dieses Verbot auch in der Schweiz geplant sei.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR im Januar 2010. Es kam zum Schluss, dass es keine besonderen Ernährungsanforderungen für Diabetiker gebe, da die zahlreichen Studienergebnisse zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Positive Effekte würden auch von Nahrungsfasern (Ballaststoffen) ausgelöst. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommt zum selben Schluss.

Die EU wurde in der Folge aktiv: Auch aufgrund der Problematik von Produkten im Abgrenzungsbereich zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln und unterschiedlicher Interpretationen durch die Mitgliedstaaten erachtete die europäische Kommission eine Änderung der gesetzlichen Grundlage für diätetische Lebensmittel als notwendig.

Rund um die Diskussionen in der EU und aufgrund der BfR-Mitteilung stimmte der deutsche Bundesrat einer Änderung der Verordnung über diätetische Lebensmittel zu. Die am 24. September 2010 verabschiedete Änderung sieht die Streichung sämtlicher Spezialregelungen für "Diabetiker-Lebensmittel" vor. Nach dem 9. Oktober 2012 dürfen in Deutschland keine Lebensmittel mehr mit Hinweisen und Auslobungen auf Diabetes mellitus in Verkehr gesetzt werden. Bei den Schweizer Branchenverbänden Chocosuisse und Biscosuisse rechnet man damit, dass die EU Diabetikerdeklarationen ebenfalls abschafft und in der Folge die Schweiz nachzieht.

Sind Lightprodukte besser?

Nicht verboten werden die energiereduzierten Lightprodukte. Im Merkblatt „Ernährung und Diabetes mellitus Typ 2“ der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE wird darauf hingewiesen: «Light-Produkte – sofern massvoll konsumiert – können für Diabetiker sinnvoll sein». Ein geeignetes Rezept wäre demzufolge ein energiereduziertes, idealerweise sowohl ein zucker- wie auch fettreduziertes. Aber die SGE formuliert vorsichtigerweise «sie können sinnvoll sein» und lässt damit offen, ob sie es wirklich immer sind. «Diabetiker können grundsätzlich alle Lebensmittel konsumieren, wenn sie die darin enthaltenen Kohlenhydrate in die Diät einrechnen», sagt Steffi Schlüchter, Leiterin Nutrinfo der SGE.


Diabetiker dürfen gezuckerte Produkte massvoll konsumieren.


Da im Prinzip alle Produkte erlaubt sind, würde eine Empfehlung zum strikten Konsum von zuckerreduzierten Produkten dem Grundsatz der BfR-Botschaft an die Diabetiker widersprechen: «Du sollst dich gesamthaft gesünder ernähren und nicht zuckerreduzierte Produkte bevorzugen, deren Nutzen nicht erwiesen ist». Nicht zuletzt muss man bedenken, dass Produktempfehlungen an Diabetiker kontraproduktiv wirken können, da diese oft glauben, sie würden sich umso besser ernähren, je mehr Diabetiker- oder Lightprodukte sie essen. Und sie verzehren dann davon grössere Mengen mit dem Resultat, dass sie mehr Kalorien aufnehmen als mit normalen Produkten.

Gezuckertes auch für Diabetiker

Im Kantonsspital Winterthur KSW vertritt man die Meinung, dass Süssstoffe teilweise zwar unnötig aber nicht kontraproduktiv seien. Sinnvoll sei ihr Einsatz bei Light-Produkten im Segment von Milchprodukten, Konfitüre, Kompott und besonders bei Light-Getränken. Grundsätzlich seien alle Süssstoffe und Zuckeraustauschstoffe für Diabetiker geeignet. Im KSW wird für die Zubereitung von ungezuckerten Kompotten, Cremen und Fruchtjogurts Assugrin verwendet.

«Bei Stevia sind wir noch abwartend», sagt Küchenchef Ruedi Manser. «Dies da es in Pulverform geschmacklich gewöhnungsbedürftig sein kann». Das KSW rechnet bei Diabetikern normal gezuckerte Desserts in der Tageskost ein, aber diese müssen zurückhaltend konsumiert werden (Richtwert: bis max. 10% der Tagesenergiezufuhr, vorzugsweise in einer Hauptmahlzeit integriert). «Bei den normalen Diabetikerdesserts servieren wir nur halbe Portionen», so Manser.


Diabetiker müssen auch im Spital nicht ganz auf Süsses verzichten. Bild: Bandservice im Berner Inselspital.


Auch gegenüber Zuckeraustauschstoffen vertritt man am KSW eine differenzierte Haltung: Diese werden grösstenteils langsamer verstoffwechselt als Zucker, d.h. sie haben einen geringeren oder verzögerten Einfluss auf den Blutzucker. Allerdings können viele Zuckeraustauschstoffe bei nennenswerten Mengen abführend wirken und Blähungen auslösen Sie besitzen ausserdem einen nicht zu vernachlässigenden Energiewert. Und bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Hyperlipidämien ist laut KSW-Ernährungsberatung Fructose nicht zu empfehlen.

Wissenswertes über Diabetes Typ 2

Zuckerkrankheit bzw Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung, die durch eine Erhöhung des Zuckergehaltes im Blut charakterisiert ist. Beim Diabetes mellitus Typ 1 wird zu wenig oder gar kein Insulin produziert. Beim Typ 2 (früher „Altersdiabetes“ genannt) wirkt das produzierte Insulin nicht mehr genügend (Insulinresistenz). Dieser Typ ist mit rund 90% der häufigste, weshalb sich die nachfolgenden Ausführungen darauf beziehen.

In der Schweiz erkranken rund 5% der Bevölkerung oder schätzungsweise 219'000 Personen im Laufe ihres Lebens an Diabetes Typ 2 (Stand: Jahr 2000). Behandlungsgrundlage bei Diabetes mellitus Typ 2 ist eine ausgewogene Ernährung und ausreichende körperliche Bewegung. Dabei sollten Folgendes beachtet werden:

Bei übergewichtigen Diabetikern kann eine Gewichtsreduktion von wenigen Kilogramm bereits eine Senkung des Blutzuckergehaltes zur Folge haben und die Wirksamkeit des Insulins erhöhen.

Für Diabetiker ist es wichtig, die «richtigen» Kohlenhydrate auszuwählen und auf die Zufuhrmengen zu achten. Vollkornprodukte lassen den Blutzuckerspiegel beispielsweise langsamer ansteigen als raffinierte Produkte. Vollkornbrot, Vollkorngetreide und Hülsen-früchte sind somit den raffinierten Produkten wie z.B. Weissbrot vorzuziehen.

Schon kleine Fett-Einsparungen bewirken eine verminderte Energiezufuhr und damit langfristig eine Gewichtsreduktion, die die Wirkung des Insulins verbessert und zu einem normalen Blutzuckerspiegel beiträgt.

Zuckerhaltige Nahrungsmittel können massvoll konsumiert werden, sofern sie anstelle von anderen kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln im Rahmen einer Mahlzeit konsumiert werden.

Regelmässige körperliche Aktivität senkt den Blutzuckerspiegel, verbessert die Wirksamkeit des körpereigenen Insulins und hilft, bestehendes Übergewicht zu reduzieren.

(Auszug aus dem Merkblatt „Ernährung und Diabetes mellitus Typ 2“ der SGE, www.sge-ssn.ch)

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