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5.2.2007: nachrichten
5.2.2007
Was bedeuten Prionenfunde in der Milch?

«Wie riskant ist Milch?», fragt eine Firma, die BSE-Tests anbietet, nachdem sie Prionen in Milch gefunden hat. Sie rät nun zu BSE-Lebendtests bei Milchkühen. Macht dies Sinn?




Keine BSE-Kuh. Tiermehl-Fütterung von Wiederkäuern ist seit 2001 wegen BSE-Risiken in der Schweiz verboten.


Erstmals ist es einem Schweizer Unternehmen gelungen Prionen-Proteine in der Milch von Menschen, Kühen, Schafen und Ziegen nachzuweisen. «Damit stellt sich erneut die Frage nach dem BSE-Risiko von Milchkonsum. Milchtests zum Nachweis von krankheitserregenden Prionen befinden sich in Entwicklung», fragte Alicon AG heute in einer Medienmitteilung. Das Biotechnologieunternehmen entwickelt selbst solche Tests.

Und Alicon weiter: Prionen sind bekannt als Erreger von neurologischen Erkrankungen wie Rinderwahn (BSE) und der Creutzfeldt-Jakob Krankheit beim Menschen. Die Erreger zerstören das zentrale Nervensystem bei Mensch und Tier. Es ist erwiesen, dass Prionen auch in Körperflüssigkeiten wie Blut vorkommen und durch diese übertragen werden können.

Die Risikoeinschätzung einer Infektion durch Bluttransfusion oder den Konsum von Milch war bisher schwierig, da die Konzentration von Prionen in Körperflüssigkeiten nur sehr gering ist und es gibt keine sensitiven Nachweismethoden für Prionen. Ausserdem kann die Inkubationszeit für eine Ansteckung beim Menschen 10 Jahre und mehr betragen.

Mittels der neuen Technologie von Alicon wurden Prionen-Proteine in homogenisierter und pasteurisierter Milch aus dem Supermarkt vorgefunden, wie in der internationalen Fachzeitschrift Public Library of Science (PLoS ONE)(1) kürzlich berichtet wurde.

Bei den nachgewiesenen Prionen-Proteinen handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um die normale, nicht gesundheitsschädigende Variante. Allerdings könnte das Auffinden der normalen Variante bedeuten, dass die Milch von bereits mit BSE infizierten Kühen auch die krankmachende Variante des Prionen-Proteins (also die Prionen) enthält.

Dazu Alicon-Forschungsleiter Dr. Ralph Zahn: "Es gibt bislang keine wissenschaftliche Grundlage für die Annahme, dass nur 'gesunde' Prionen-Proteine in die Milch gelangen und 'kranke' nicht." Neben Blut und Urin ist also Milch eine weitere Körperflüssigkeit, in der krankheitserregende Prionen vorkommen könnten. Wie kürzlich ein amerikanisches Team von Wissenschaftlern gezeigt hat, kommen infektiöse Prionen sogar im Speichel vor.

Weitere Forschungen mit infizierten Tieren

Diese Befunde decken sich mit einer kürzlich durchgeführten Studie des Schweizer Prionenforschers Adriano Aguzzi, einer internationalen Kapazität auf diesem Gebiet. Aguzzis Forscherteam von der Universität Zürich konnte zeigen, dass entzündetes Eutergewebe von an Scrapie (der Prionenerkrankung beim Schaf) erkrankten Schafen tatsächlich infektiöse Prionen enthält.

Das Alicon-Team wird seine Forschungsarbeiten nun mit der Milch von infizierten Tieren fortsetzen. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten werden zeigen, ob Milch ein potentieller Überträger von BSE ist.

Eine mögliche Antwort auf eine solche Bedrohung ist die Einführung eines BSE-Lebendtests und eine gleichzeitige Sondierung von Milchkühen mit BSE im Frühstadium. Alicon stellt die notwendigen Werkzeuge dafür zur Verfügung. Augenblicklich arbeitet das Team an der Fertigstellung eines Schnelltests zum Nachweis von Prionen in der Milch und in Milchprodukten.

Alicon AG über sich selbst

Das Biotechnologieunternehmen Alicon AG ist ein erfolgreicher Spin-off (Abspaltung) der ETH Zürich. Alicon AG wurde 2004 gegründet und spezialisiert sich auf innovative Technologien zum Nachweis und zur Filtration von Prionen. Im diagnostischen Sektor konzentriert sich Alicon auf die Entwicklung und Vermarktung des ersten BSE-Lebendtests. Dadurch soll die Biosicherheit von Fleisch- und Milchprodukten erhöht werden. In der Filtrationstechnik entwickelt Alicon Produkte zur Entfernung von Prionen aus Körperflüssigkeiten wie Blutplasma und Urin. Dadurch wird die Biosicherheit von Arzneimitteln erhöht.

(1) Quelle: Franscini N, Gedaily AE, Matthey U, Franitza S, Sy M, et al. (2006) Prion Protein in Milk. PLoS ONE 1(1): e71. doi:10.1371/journal.pone.0000071

Was meint man beim Bundesamt für Veterinärwesen BVET?

BVET-Pressesprecher Marcel Falk sagte auf Anfrage von foodaktuell, dass Kleinstmengen von nicht infektiösen Prionen in der Milch keinen Rückschluss auf ein allfälliges BSE-Risiko darstellen: «Die Nachweismethoden werden immer empfindlicher, daher findet man nun auch Prionen in der Milch. Solche gibt es in vielen Gewerben, aber Milch – wie auch Fleisch – sind keine Risikogewebe. Nur positive Befunde bei so genannten Infektionsstudien sind ein Indiz für ein BSE-Risiko». Das BVET hält daher die von Alicon empfohlene Sondierung von Milchkühen im Frühstadium nicht für sinnvoll.

Auch Markus Moser von Prionics AG, die ebenfalls BSE-Schnelltests entwickelte, sagte: "Die gesunde Variante der Prionen kommt praktisch im gesamten Körper vor, daher ist es wenig erstaunlich, dass sie sich auch in der Milch finden. Fraglich ist nun, ob auch die krank machende Version, die etwa für BSE oder Creutzfeld-Jakob verantwortlich gemacht wird, in der Milch nachweisbar ist». Moser ist sicher, dass sich die Erreger in der Milch - wenn überhaupt - nur in kleiner Zahl finden lassen. Die Gefahr einer Ansteckung über Milch ist für den Wissenschafter "relativ klein". (Quelle: LID)

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