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Backwaren & Confiserie: Report
Backwaren & Confiserie
«Gesunde» Süsswaren weiterhin im Trend

Süsswaren sind und bleiben beliebte Genussprodukte, aber die vielfältigen «harten und weichen» Zusatznutzen stehen weiterhin im Zentrum der Marketingkonzepte, vor allem Gesund-Positionierungen.




Sowohl Hersteller wie auch Konsumtenten sind sich bewusst, dass Süsswaren nicht zu den «gesunden» Produkten gehören, die von Ernährungsexperten empfohlen werden. Diese sprechen sich generell gegen zucker- und fettreiche Produkte mit «leeren Kalorien» aus. Aber die Lust auf Süsses ist angeboren, und Gezuckertes stimuliert die Produktion des Glückshormons Serotonin. Dennoch haben die Konsumtenten beim Süsswarenkonsum ein schlechtes Gewissen, vor allem heute im Zug des starken Gesundheitstrends, der sich sogar auf die Umsätze von McDonald’s negativ auswirkt, beziehungsweise positiv auf dessen alternative Healthfood-Angebote.

Keine Predigt kann kleine Sünden ausrotten, vor allem nicht, wenn der Sündigkeitsgrad wie bei Süsswaren gering und umstritten ist, aber der Wohlfühleffekt sofort eintritt. Süsswaren sind und bleiben beliebte Genussprodukte. Was sich jedoch ändert, sind die Zusatznutzen und Marketingkonzepte. Der seit langem bestehende Megatrend, Süsswaren mit funktionellen Zutaten gesünder zu machen, ist weiterhin ungebrochen, wie ein Augenschein an mehreren Fach- und Publikumsmessen im 2015 ergab.

Von Vitaminen zu Antioxidantien

Für die Gesund-Positionierung gibt es viele Möglichkeiten. Die älteste ist der Zusatz von Vitaminen und deren Auslobung, etwa bei Bonbons. Oder nun bei Gummiprodukten, wie sie die Migros-Tochter Hunziker an der ISM präsentierte. Neuerdings entdeckt man nun gesunde Inhaltsstoffe bei einigen traditionellen Zutaten. Oder man verwendet Zutaten mit Gesund-Image anstelle von solchen mit Ungesund-Image. Beispiele für gesunde Inhaltsstoffe sind die Antioxidantien des Kakaos, worüber es mehrere Publikationen gibt. Eine neueren Datums stammt vom Universitätsspital Zürich.

Die deutsche Schokoladefirma Stollwerck lancierte kürzlich eine Bitterschokolade namens «Antioxidant» und bewirbt sie als Produkt zur Steigerung des Wohlbefindens. Sie sei besonders reich an wertvollen Antioxidantien. Zwei Stücke davon (20 Gramm) würden doppelt so viele Antioxidantien wie ein Glas Rotwein (1 Deziliter) enthalten. Es überrascht, dass Stollwerck den Wein als Referenz hinstellt, der wegen des Alkohols seinerseits bei Ernährungsexperten umstritten ist. Auch die belgische Schokoladebranche wirbt mit dem Argument der Antioxidantien, da dunkle Schokoladen mit hohem Kakaoanteil typisch sind für Belgien.

Harte Gesundheitsaussagen sind nur in wenigen Fällen erlaubt, «Soft Claims» sind jedoch zulässig, erfordern keinen Forschungsaufwand und verleihen den Produkt nicht ein Medizin-Image. Ist es wirklich sinnvoll, wenn eine Schokoladedeklaration informiert, dass «der hohe Flavanolgehalt helfen kann, die endothelabhängige Vasodilatation aufrechtzuerhalten, die zu einem normalen Blutfluss beiträgt»? Im 2012 erhielt Barry Callebaut die Bewilligung für diese Aussage seiner mit einem Anreicherungsverfahren hergestellten Acticoa und hatte sechs Studien vorgelegt zum Effekt der Kakao-Flavonole beim Menschen.

Ein Beispiel für ein Trendprodukt, das seinen Erfolg dem Gesundimage einer Zutat mitverdankt, ist Frozen Joghurt (Bild). Vor allem da bei der ansonsten normalen Softeis-Herstellung hier Rahm durch Joghurt ersetzt wird, entsteht ein Produkt mit geringerem Fettgehalt und weicherer Konsistenz. Halbfabrikate dazu offerierte an der FBK die Firma Kobel AG.

Weitere Beispiele sind Produkte mit Grüntee oder Kräuterbonbons wie jene von Ricola, welche dank des Gesundheitswertes der Kräuter eine hohe Wertschätzung erhalten. Nicht zu vernachlässigen ist das indirekte Gesundimage der Stevioside, meistens einfach Stevia genannt, dem einzigen natürlichen Intensivsüssstoff, der Zucker kalorienfrei und zahnschonend ersetzen kann. Elf Stevia-gesüsste Produkte sind in der ISM-Neuheiten-Datenbank 2015 verzeichnet, bei den Schweizer Herstellern ist Villars genannt.

Abwesenheit als Argument

Ebenfalls ins Kapitel der Gesundheit geht der Trend, Zusatzstoffe und allergene Zutaten wegzulassen und damit zu werben. In Süsswaren betrifft dies vor allem künstliche Farbstoffe sowie Milchzucker und Gluten, die eine wachsende Konsumentengruppe als unverträglich befindet. Seit Kurzem sprechen die Marketingstrategen auch die noch kleine Gruppe der Veganer an, wenn Produkte frei sind von tierischen Zutaten wie Milch- und Ei-Bestandteilen. Ein Beispiel ist die neue Zuckermodelliermasse «Massa Ticino™ Sugarpaste».

Hersteller CARMA® / Barry Callebaut beschreibt sie als «Produkt mit kräftigen Farben aus natürlichen Quellen ohne Verwendung jeglicher AZO-Farbstoffe. Ferner geeignet für Veganer sowie laktose-, cholesterin- und glutenfrei». «Vegan und laktosefrei» entwickelt sich insbesondere bei den Schokoladenwaren zu einem Trend. So werden Milchschokoladen hierfür mit Reis- oder Hirsemilch aber auch auf Basis von Buchweizen und Goldhirse hergestellt.



Nicht wenige Konsumenten betrachten vegane Produkte als gesund, ebenso wie Bioprodukten notabene. Die ökologischen Kaufmotive kommen erst an zweiter Stelle.


Und als erster grosser Süsswaren-Hersteller setzt Nestlé USA künftig keine künstlichen Farbstoffe und Aromen mehr in seinen Schokolade-Produkten ein und informiert, dass bis Ende 2015 250 Produkte und 10 Marken frei von künstlichen Zutaten seien. Darunter sind bekannte Produkte wie Butterfinger, Baby Ruth und Crunch. Der Geschmack sei unverändert. Die Produkte würden als "No Artificial Flavors or Colors" ausgelobt. Nestlé stützte sich auf Studien, die zeigen, dass die US-Konsumenten künstliche Zusatzstoffe vermehrt ablehnen. Rezepte aus rein natürlichen Zutaten ohne Zusatzstoffe mit E-Nummern verbessern das Produktimage, und meistens gelingt eine solche Rezeptierung in sensorisch guter Qualität, allerdings nicht immer kostenneutral.

Auch die Dauerbackwarenbranche konstatiert den Gesundheitstrend und vermeidet beispielsweise die unerwünschten Transfettsäuren in gehärteten Fetten. Und gemäss einem Bericht der NZZ Ende 2014 bemerken Firmen wie Hug oder Kambly, dass sich die Präferenzen der Kundschaft wandeln: Während das Biskuit-Segment relativ stabil bleibe, weite sich der Absatz von brotähnlichem Vollkorngebäck zwischen 5 und 10 Prozent jährlich aus. Und süsses Feingebäck verliere Terrain an Produkte wie Cracker, Zwieback und Knäckebrot. Erklärt wird der Trend mit dem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein, etwa hinsichtlich der Fett- und Zuckergehalte.

Harte und weiche Functional Foods

Gesundprodukte gehören oft in die Kategorie von Functional Food, einem seit Jahren starken Megatrend.

Nebst den harten gibt es auch hier weiche, quasi emotionale Produktarten, zu welchen die meisten Anti-Aging-Produkte, Beautyfoods und Aphrodisiaka gehören. Sie enthalten Zutaten, die entsprechende Wirkungen versprechen, ohne dass diese direkt mess- und beweisbar sein müssen.

Ein schlechtes Gewissen auf einer andern Ebene haben die Konsumten bei Produkten mit sozial und umwelt-schädlichen Zutaten. Nachhaltig erzeugte Rohstoffe in Süsswaren und Snacks mit einem Fairtrade-Label gewinnen zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei Kakao und Palmöl. Mehrere Firmen verwenden heute nachhaltiges Palmöl oder ersetzen diese Fettsorte durch eine andere. Der Süsswaren-Halbfabrikatehersteller Patiswiss wirbt beispielsweise mit palmölfreien Rezepten.

Auch Bioprodukte finden im Süsswarenregal ihren Platz, längst nicht mehr in Nischen sondern als Produktgruppe mit eigenem Profil. Die frühere Meinung der Marketingstrategen, Biokonsumenten würden sich kaum für Süsswaren interessieren und umgekehrt, ist offenbar widerlegt. Im 2008 präsentierten sich erstmals 54 Hersteller auf einer eigenen Plattform an der Internationalen Süsswarenmesse ISM in Köln. Im 2015 waren es rund 170 Anbieter und in allen Segmenten zu finden. Bei den Schweizer Herstellern hat hier Chocolats Halba die Nase vorn. Und der Produktionsbetrieb von Coop beschafft «seit 2014 die Kakaobohnen nur noch direkt bei Fairtrade-zertifizierten Kooperativen», wie Coop kürzlich informierte.

Direkte und emotionale Veredlungen

Nebst diesen Zusatzfunktionen gibt es auch Neuheiten, bei denen die Hauptfunktionen der Süsswaren verbessert werden. Eine solche Veredlung bietet beispielsweise Fruchtmarzipan, d.h. Marzipan mit Fruchtbestandteilen (normalerweise Dörrfruchtpüree) wie derzeit ebenfalls von Patiswiss lanciert. Gemäss Angaben der Firma wird es auf der Basis von normalem Marzipan mit Zugabe von natürlichen Aromen, Fruchtpulver sowie Fruchtzesten hergestellt. Die Frucht stiftet dem säurearmen Marzipan eine erfrischende Aroma- und Säurenote.

Eine klassische Veredlung ist Überziehen oder Füllen von Biscuits mit Schokolade. Heute wird dabei oft eine Markenschokolade ausgelobt: Cailler lanciert neuerdings traditionelle Schweizer Guetzli mit Cailler-Schokoladecoating. Bereits erhältlich sind Willisauer Ringli, Militärbiscuit, Bretzeli und Nuss-Stängeli, weitere folgen.

Dass Schokolade Biscuits aufwerten kann, ist unbestritten – je mehr Schokolade desto besser. Ob diese sich ihrerseits mit edlen Füllungen oder Einlagen wie Nüssen und kandierten Früchten aufwerten lässt, ist jedoch Geschmackssache. Generell gilt: je edler die Schokolade desto rarer sind die verfügbaren noch edlere Einlagen. Eine Spitzenschokolade hat einen Soloauftritt verdient.

Veredlungen können ebenfalls eher emotional sein, wie folgende zwei Beispiele zeigen: Der Couverture-Hersteller Felchlin lanciert eine Heumilch-Couverture mit Milch aus dem Entlebuch und dem Label der UNESCO Biosphäre. Und die Backwarenbranche setzt weiterhin auf Dinkel als Gourmetgetreide «mit nussigem Geschmack».

Ein starker Trend besteht seit Langem hin zu Convenienceprodukten, seien es Halbfabrikate für die Süsswarenbranche oder die Gastronomie oder den Endkonsumenten. Ein Beispiel sind fertig fritierte und tiefgekühlte Spritzkuchen für «thaw and serve» des Bäckerei-Halbfabrikateherstellers Margo, notabene mit transfett-freiem Fritierfett hergestellt.

Innovationen und Imitationen

Echte Innovationen von grosser Erfindungshöhe sind jedoch selten, was für die gesamte Lebensmittelbranche gilt. Vor zwei Jahren lancierte Patiswiss die «blonde» Schokolade Dulcey, eine weisse Schokolade des französischen Couvertüreherstellers Valrhona mit caramelsiertem Milchpulver, einem daher dezenten Caramelaroma und einer attraktiven hellbeigen Farbe. Dadurch entstand trotz den Restriktionen des Reinheitsgebots eine neue Sorte neben der weissen, Milch- und dunklen Schokolade.

Der Clou: vor allem bei weisser Schokolade kommen Aroma und Farbe des caramelisierten Milchpulvers zum Tragen. Sie ist sonst eher bleich und fad. Diese von Patiswiss in der Schweiz vertriebene Neuheit wurde schnell imitiert. Chocolat Frey und Camille Bloch bieten heute analoge Produkte an, und bei CARMA® / Barry Callebaut steht neu die ähnliche «Gold Quintin 31%» Couvertüre im Angebot.

Und zu guter Letzt darf man reine Marketinginnovationen nicht unterschätzen, welche in ihren Erfolgschancen den technischen keineswegs nachstehen. Dazu gehören etwa neue Sorten, gezielt als «Limited Edition» deklariert. Vor allem bei Glacés und Pralinés macht dies Sinn, wo die Sortenvielfalt sonst uferlos wird. Läderach lancierte für die Gastronomie solche «Kollektionen» mit dem Hinweis «nur solange Vorrat», was den Produkten den Status einer Rarität verleiht.

Auch Cailler lanciert mit der Branche Caramel Salé eine limitierte Edition des Klassikers mit salzigen Caramelsplittern. Im Lauf des Jahres werden zwei weitere limitierte Editionen folgen gemäss einer Mitteilung. Gesalzenes Caramel, gesalzene Mandeln und dgl. in Süsswaren sind notabene modische Trends, dies auch bei andern Herstellern. (GB)

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