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Backwaren & Confiserie: Report
Backwaren & Confiserie
Neue Stevia-Generation ohne Bitterkeit

Cola Life hat Stevia zu weltweiter Bekanntheit verholfen. Auch Pepsico und viele weitere Getränke- und Süsswarenhersteller verwenden Stevioside. Weltweit gibt es mehrere tausend Produkte mit diesem trendigen Süssstoff, und moderne Synthesemethoden verursachen keinen bitteren Beigeschmack mehr. Aber auch die Natürlich-Werbeaussagen sind dann nicht mehr zulässig.


Der derzeitige Hauptfokus der weltweiten Süssungsmittel-Entwicklung mit dem Ziel «natürlich und ohne Kalorien» liegt vor allem bei Süssstoffen aus Stevia (Bild). Seit 2011 sind in der EU raffinierte Steviaprodukte mit einem Steviosidgehalt von mindestens 95%, als Lebensmittelzusatzstoff (E 960) zugelassen. In der Schweiz ist Stevia seit 2008 mit einem Steviosidgehalt von mindestens 95% als E 960 zugelassen mit Bewilligungspflicht. Steviablätter dürfen zu einem kleinen Prozentsatz in Teemischungen verkauft werden.

Die Vorteile von Stevia überzeugen: Der Stoff enthält keine verwertbare Zuckerarten. Mit Stevia wird der Blutzuckerspiegel daher nicht erhöht und dadurch geschieht keine Fettbildung im Körper durch Insulinausschüttung. Der Süssstoff verursacht keine Karies. Und Stevia besitzt gemäss «Stevia Schweiz» auch eine leicht geschmacksverstärkende Eigenschaft. Dies gilt notabene auch für Zucker.

Mehrere Hersteller versuchen, das sensorische Handicap des Stevia-Süssstoffs zu beheben, den bitteren und eukalyptusartien Nebengeschmack. Steviolglykoside werden aus Steviablättern extrahiert und in verschiedenen Reinheitsgraden angeboten oder sie werden synthetisiert. Sie variieren daher im Geschmack. Einen neuen Ansatz wählte die Biotech-Firma Evolva in Reinach: gentechnisch veränderte Hefezellen bilden sieben geschmacksbestimmende Stevia-Molekülarten ohne Bitternote und ohne Qualitätsschwankungen.

Biosynthese ohne Bitternote

Im Oktober 2015 präsentierte der US-Agrokonzern Cargill, offizieller Partner von Coca-Cola, sein neues kalorienfreies Süssmittel «Eversweet», was gemäss NZZ die Aktien von Evolva beflügelte. Der neue Cargill-Süssstoff basiert auf Stevia von Evolva, hergestellt durch industrielle Fermentation aus Hefe. Im Gegensatz zum Süssstoff aus der Stevia-Pflanze weist der industriell gefertigte Stoff keine Bitterkeit auf. Dies sind der Grund, warum das neue «grüne» Cola Life nur einen Stevia-Anteil von 35% der Gesamtsüsse aufweist, den Rest stiftet Zucker.



Das neue Stevia-gesüsste Lakritz-Bonbon von Ricola. Deklarierte Zutaten: Isomalt, Auszug (2,1%) aus Süssholz, Sorbit, Kräuterauszug (0,5%) aus Spitzwegerich, Eibisch, Pfefferminze, Thymian, Salbei, Frauenmantel, Schafgarbe, Bibernelle, Malve, Holunderblüten, Schlüsselblume, Ehrenpreis und Andorn, gehärtetes pflanzliches Fett, Ammoniumchlorid, Farbstoff (einfaches Zuckerkulör), Süssungsmittel (Steviolglycoside), Emulgator (Sojalecithin), natürliches Sternanisaroma, Menthol, natürliches Minzenaroma.


Das biosynthetische Verfahren liefert einen Süssstoff mit stabilerer Qualität ohne Bitterstoffe und könnte den Stevia-Markt weiterentwickeln. «Eversweet» von Cargill soll in den USA im 2016 auf den Markt kommen. Allerdings: man wird die Deklaration «natural» nicht verwenden dürfen - ein Nachteil für den Coca-Cola-Konzern, welcher mit dem neuen, grünen «Cola Life» ein Natur- und Gesund-Image vermitteln möchte.

Synthetisch oder raffiniert ist nicht «natürlich»

Den synthetisierten Stevia-Süssstoff als natürlich oder pflanzlich anzupreisen, ist hierzulande auch nicht zulässig. Coca-Cola Schweiz wirbt auf der Firmenwebsite mit «Steviolglycoside – Der Süsstoff natürlichen Ursprungs». Doch der Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner, in dessen Zuständigkeit die Schweizer Niederlassung von Coca-Cola gehört, widerspricht: «Mit der Formulierung ‹Süsse pflanzlichen Ursprungs› sind wir nicht einverstanden.» Auch der Thurgauer Kantonschemiker Christoph Spinner beanstandete im 2012 fast die Hälfte aller Proben wegen der Kennzeichnung oder der Anpreisung, es handle sich um natürliche Süsse.

In einem Informationsschreiben legte das BAG 2010 fest, wie Stevia als Süssstoff angepriesen werden darf: Alles, was den Stevia-Süssstoff als natürlich oder gesund erscheinen lässt, ist nicht zulässig. Auch die Bezeichnung «mit Stevia-Extrakt» oder «enthält Extrakt aus der Stevia-Pflanze» nicht.

Denn, so das BAG (heute BVL): «Die Steviol- Glykoside werden unter drastischen physikalischen/chemischen Bedingungen gewonnen, wobei gemäss Literatur auch stoffliche Veränderungen auftreten können. Die Steviol-Glykoside kommen nicht natürlich im Lebensmitteln vor, sondern werden ‹künstlich› hinzugefügt.» Gemäss Brunner werden Kontrollen von Steviaprodukten künftig stärker in den Fokus rücken: «Der Markteintritt von Coca-Cola war ein guter Moment, um die Auslobungspraxis vertieft unterdie Lupe zu nehmen.»

Dennoch wird dem Süssstoff grosses Potenzial beigemessen. Die Beratungsfirma Industry Arc schätzt gemäss einem Bericht im «Bund» den Umsatz von Stevia und von mit Stevia gesüssten Produkten weltweit auf 8 bis 11 Milliarden Dollar im 2015 und geht davon aus, dass Stevia künftig 30 Prozent des Süssstoffmarktes beanspruchen könnte. Zu den dominierenden Firmen gehören Pure Circle, Coca-Cola, Cargill und Pepsi, die sich eine Schlacht um Patente liefern.

Trotz dieser Perspektiven ist das Angebot an in der Schweiz produzierten Produkten mit Stevia noch klein. Es umfasst Backwaren, Getränke, Schokolade und Bonbons. Ricola wirbt für das neue Lakritz-Bonbon mit «natürlich süss» und erklärt auf der Firmenwebsite: Die Neuheit Ricola Lakritz besticht durch einen herrlich milden Lakritz-Geschmack. Die zuckerfreie Bonbonsorte wird erstmalig mit der natürlichen Süsse von Stevia angeboten - gewonnen aus den Blättern der Stevia-Pflanze». (GB)

Rechtliche Situation

Schweiz
In der Schweiz ist Stevia seit 2008 mit einem Steviosidgehalt von mindestens 95%, als Lebensmittelzusatzstoff (E 960) bewilligungspflichtig zugelassen. Steviablätter dürfen nur zu einem kleinen Prozentsatz in Teemischungen angeboten werden.

EU
Seit 2011 sind in der EU raffinierte Steviaprodukte, mit einem Steviosidgehalt von mindestens 95%, als Lebensmittelzusatzstof (E 960) zugelassen.

Frankreich
Eine Ausnahme machte in der EU Frankreich, die bereits seit 2008 Stevia temporär zugelassen hat. In Frankreich wird jedoch eine Selektion der Süssmoleküle von 97% Rebaudiosid A vorgeschrieben.

Russland
In Russland sind Steviol Glykoside als Lebensmittelzusatzstoff und Süsstoff nicht verboten. Jedoch benötigt jedes neue Produkt eine separate Zulassung

Südamerika, Afrika und Asien
Paraguay, Brasilien, Argentinien u.a. Länder Südamerikas haben keine Beschränkung im Einsatz von Stevia als Lebensmittel bzw. Süssstoff.

Asien
China, Japan, Korea, Indien, Indonesien, Malaysien, Taiwan u.a. haben keine Beschränkung im Einsatz als Lebensmittel bzw. Süssstoff

USA, Australien & Neuseeland
Haben seit 2008 Steviol Glycoside als Süssstoff im Handel.
(Quelle: www.stevia-schweiz.ch)

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