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7.9.2007: nachrichten
7.9.2007
Blauzungenkrankheit nähert sich der Schweiz

Die Rinder- und Schafkrankheit Bluetongue breitet sich in Deutschland rasant aus. Das Bundesamt für Veterinärwesen rechnet mit einem Ausbruch auch in der Schweiz.




Keine blaue Zunge hat dieses Schaf am Beef-Weidfest dieser Tage in Meilen. Für den Menschen ist die Blauzungenkrankheit ungefährlich. Auch Fleisch und Milch von infizierten Rindern und Kühen können ohne Risiko konsumiert werden.


„Die Krankheit kann jeden Tag ausbrechen”, sagt Cathy Maret, Sprecherin des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET). Es ist nur eine Frage der Zeit, bis in der Schweiz die ersten Tiere von der Blauzungenkrankheit (englisch Bluetongue) betroffen sein werden. „Im letzten Jahr gab es in Nordeuropa schon viele Ausbrüche”, sagt Maret. „Doch dieses Jahr sind es wesentlich mehr, und der Virus ist virulenter geworden, denn es sind mehr Tiere davon betroffen.”

Die Krankheit kommt der Schweiz immer näher. Während Jahren breitete sie sich vom Mittelmeer her nach Norden aus, im letzten Jahr tauchte sie plötzlich in Westdeutschland auf. Inzwischen sind die ersten Fälle nur noch 200 Kilometer von der Schweiz entfernt. Wind aus dem Norden, wie er bei der jetzigen Wetterlage herrscht, kann die infizierten Mücken rasch über weite Distanzen nach Süden verfrachten.

Die Branche sensibilisieren

Das BVET hat deshalb in den letzten Tagen an die Tierärzte und an die betroffenen Verbände eine Informations-DVD verschickt, in der die Branche für die neue Krankheit und ihre Symptome sensibilisiert werden soll. „Zielpublikum sind primär die Tierhaltenden und eine weitere Verbreitung der DVD ist ausdrücklich erwünscht”, schreibt das BVET dazu. Die Bauern und Tierärzte sollen erkennen lernen, welche Symptome allenfalls auf eine Blauzungenkrankheit hinweisen könnten.

Für den Menschen ungefährlich

Die Blauzungenkrankheit ist eine Infektionskrankheit, die bei Rindern und Schafen zu hohem Fieber, Bewegungsstörungen, zu Schaum vor dem Mund und in manchen Fällen zu einer blauen Zunge führt. Bei den Schafen führt die Krankheit häufig zum Tod, die Symptome sind bei Schafen auch deutlicher erkennbar als bei Rindern und Kühen. Beim Virustyp, der in Nordeuropa grassiert, zeigen auch die Rinder die Symptome recht deutlich, was für die frühe Erkennung der Krankheit ein Vorteil ist. Für den Menschen ist die Krankheit ungefährlich, auch Fleisch und Milch von infizierten Rindern und Kühen können problemlos gegessen werden.

Übertragen wird die Krankheit durch eine spezielle Art von Mücken, die ursprünglich in Afrika und Asien heimisch war, sich inzwischen aber auch in Europa ausgebreitet hat. Das wahrscheinlichste Szenario ist deshalb dass infizierte Mücken aus Bayern mit dem Wind in die Schweiz gelangen und hier Unheil anrichten. Theoretisch könnte es auch sein, dass ein infiziertes Tier importiert wird. „Das sollte allerdings nicht passieren, alle importierten Tiere müssen auf Bluetongue getestet werden”, betont Maret.

Ausrotten ist nur am Anfang möglich

Sollte ein Fall auftreten, werde man versuchen, die Krankheit auszurotten, sagt Maret. Das heisst: Alle Tiere auf dem betroffenen Betrieb testen und die infizierten Tiere töten. Im Gegensatz zur Maul- und Klauenseuche müssen nicht alle Tiere auf einem Betrieb getötet werden, weil sich die Tiere nicht direkt anstecken. Aber: „Es ist wichtig, dass man früh reagiert, nur so haben wir eine Chance, die Krankheit ausrotten zu können.”

Sobald es mehrere Ausbrüche gebe, sei dies nicht mehr möglich: Das sei dann ein Zeichen dafür, dass die Mückenpopulation infiziert sei, dann mache auch das Töten von Tieren keinen Sinn mehr. „Dann geht es nur noch darum, den Tierverkehr einzuschränken.”

Gegen Mücken hilft nichts

Bei einem Ausbruch soll rund um den betroffenen Betrieb herum eine Schutzzone mit einem Radius von 20 Kilometern sowie eine Überwachungszone mit einem Radius von 100 Kilometern eingerichtet werden. Für die Schutzzone ist in der Tierseuchenverordnung definiert, dass Massnahmen zur Bekämpfung der Mücken ergriffen werden.

Davon ist man beim BVET allerdings wieder abgekommen, wie Maret sagt. „In der EU wurden auf den betroffenen Betrieben Tiere und Gebäude mit Insektenschutzmitteln behandelt, aber das hat überhaupt nichts genützt.” Auch die Verwendung von Netzen sei nicht praktikabel. „Ein Stall lässt sich nicht so einfach schützen wie beispielsweise ein Schlafzimmer.”

Die Überwachungszone ist in der Verodnung als Sperrgebiet definiert: Tiere dürfen nur mit Genehmigung des Kantonstierarztes nach ausserhalb transportiert werden. In Deutschland hat die Überwachungszone einen Umkreis von 150 Kilometern. Es ist deshalb gut möglich, dass die nördliche Schweiz schon bald betroffen ist, ohne dass in der Schweiz selber ein Fall aufgetreten ist.

Der Bund hat seit 2004 ein Überwachungsprogramm für die Blauzungenkrankheit. In diesem Sommer wurde es noch ausgeweitet. Auf insgesamt 200 Rinderbetrieben und 50 Schafbetrieben werden die Tiere getestet. Ebenso überwacht wird die Verbreitung der Mücke, anhand von Insektenfallen, die über das Land verteilt sind.

Tierversuche mit Schafen

Neben der Info-DVD führt das BVET einen Weiterbildungskurs für die 50 Schafhalter im Überwachungsprogramm durch. Auch an Informationsveranstaltungen soll auf die Krankheit aufmerksam gemacht werden. Für Informationen aus erster Hand sorgt ferner das Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe (IVI) im bernischen Mittelhäusern. Dort werden in Tierversuchen Schafe mit dem Virus infiziert, beobachtet, gefilmt und fotografiert. Die so gewonnenen Informationen sollen ebenfalls verbreitet werden.

Die Krankheit wütet in Deutschland

Die Blauzungenkrankheit grassiert derzeit besonders in Westdeutschland. Praktisch laufend werden neue Fälle gemeldet. Derzeit liegen ganz Nordrhein- Westfalen und ganz Hessen in der 20- Kilometer-Schutzzone, ganz Rheinland- Pfalz und grosse Teile von Niedersachsen. Neuerdings wurden auch Fälle in Bayern, in Hamburg und Schleswig-Holstein entdeckt. Betroffen sind auch die Grenzregionen von Belgien, Luxemburg, Niederlande und Frankreich.

Text: LID, Roland Wyss-Aerni
Bild: foodaktuell

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