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29.9.2007: nachrichten
29.9.2007
ETH nimmt Abschied von Prof. Felix Escher

Felix Escher, Professor für Lebensmitteltechnologie verlässt nach 16 Jahren Forschungs- und Unterrichtstätigkeit das Lebensmittelinstitut der ETH. Ein Rückblick.




Mit der Verleihung der «Goldenen Eule» haben die Studenten Felix Escher 2005 als besten Dozenten des Departements Agrar- und Lebensmittelwissenschaften ausgezeichnet.


In der Ausgabe der «Lebensmitteltechnologie 9/07: Felix Escher blickt auf seine Tätigkeit am Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften der ETH zurück (ILW). Interview von Claudia Schommer.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Felix Escher: Die Bahn war bei meinem Antritt der Professur bereits vorgezeichnet: Zum einen war dies eine weitere Vertiefung der damaligen lebensmittel-orientierten Ausbildung. Zum anderen war es das Verlassen der deskriptiven Pfade zugunsten der Quantifizierung. Das Ziel war, die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Technologien und Prozesse herauszuschälen und diese mit physiko-chemischen, klar quantitativen Gesetzmässigkeiten zu beschreiben.

Das sollte den Studierenden das Handwerkszeug geben für den Transfer von einem fundiert beschriebenen Beispiel auf die in der Praxis zu lösende technologische Aufgabe. Ein weiteres Ziel in der Lehre war es, die Technologie mit der Biologie, die Technik mit dem Lebensmittel zu kombinieren. Hier war wieder der Brückenschlag zwischen Ingenieur- und Naturwissenschaften gefordert.

Was haben Sie sich 1991 für die Forschung vorgenommen?

Felix Escher: Auch da stand für mich die Konkretisierung und Vertiefung von verschiedensten Prozessen im Vordergrund. Vor allem beschäftigten mich hierbei die thermischen Verfahren, angewendet auf pflanzliche Produkte - die Frage der optimalen QuaRohstoffe über Trocknung, Frittieren, Hitzesterilisation und Gefrieren. Dazu kam der Komplex der Lagerstabilität und Verpackung.

Was ich mir ebenfalls zum Ziel setzte, war, die Dimensionen, die über der molekularen, chemischen Ebene liegen, zu erforschen — also all das, was man unter dem Mikroskop sehen kann. Die Wurzeln meiner Faszination an der Strukturforschung liegen übrigens in der Zeit meiner Dissertation, Ende der Sechzigerjahre. Damals hatte ich die für mich sensationelle Gelegenheit, ein Stück eines Sonnensegels, das von der ersten Apollo-Mission vom Mond zur Erde zurückgebracht wurde, im ersten Rasterelektronenmikroskop der ETH zu betrachten. Dies brachte mich auf die Idee, die Oberfläche von trockenen Lebensmitteln wie Spaghetti usw. einmal mit dieser Technik näher zu untersuchen.

Die Strukturforschung hat mich zur Rheologie geführt, aus der sich mein Interesse an der Lebensmittelsensorik entwickelte, dem dritten Forschungsgebiet, das ich damals näher ins Auge fasste. Ich beschäftigte mich mit der Textur von Lebensmitteln, mit sensorischen Eigenschaften, die man rheologisch bestimmen kann, wie z.B. Konsistenz, Klebrigkeit usw.

Konnten Sie Ihre Forschungsziele verwirklichen?

Felix Escher: Forschungsziele lassen sich nie ganz verwirklichen — wenn doch, dann waren sie falsch gewählt. Gute Forschungsansätze zeichnen sich dadurch aus, dass jede Antwort mindestens zwei neue Fragen mit sich bringt. Einiges haben wir aber methodisch und inhaltlich sicher erreicht.

Auf welche Forschungsergebnisse sind Sie besonders stolz?

Felix Escher: Als Stolz möchte ich es keinesfalls verstanden wissen, aber es darf sich sehen lassen, was wir als Gruppe auf dem Gebiet der Stärkeforschung erarbeiten konnten. Diesen wichtigen Inhaltsstoff pflanzlicher Lebensmittel haben wir von der übermolekularen Struktur bis hin zu dem, was im Rohstoff und im Lebensmittel während dessen Verarbeitung und Lagerung mit dem Stärkekorn und den beiden Stärkefraktionen passiert, untersucht. Den Ergebnissen folgte dann die Umsetzung in der technologischen Praxis. Besonders freut mich, dass sich hier mit den neuen Methoden, wie zum Beispiel denjenigen der Nanotechnologie, der Forschung für die Zukunft noch ein weiter Horizont eröffnet.

Ein Highlight auf dem Feld der Sensorik war die Entstehung eines im wahrsten Sinne interdisziplinären Projektes, das uns in die Welt der Sprache hineingeführt hat. Insgesamt hat uns die Forschung auf dem Gebiet der Lebensmittelsensorik dazu befähigt, Fachleute für den heute nicht mehr wegzudenkenden Bereich der sensorischen Qualitätsprüfungen auszubilden.

Zu den Ergebnissen im angewandten Bereich kann ich sagen, dass wir einige thermische Verfahren doch recht weitgehend beschreiben konnten. So ist heute z. B. klar, welche Vorgänge beim Fritieren genau ablaufen und wie man daraus einen neuen Prozess gestalten kann. Im Bereich der Heissluftröstung von ölhaltigen Samen und Nüssen mündeten Grundlagenerkenntnisse in die Entwicklung eines neuen Verfahrens, das heute industriell zum Einsatz gelangt.

Mit Ihnen wird auch die Professur für Lebensmitteltechnologie aus der ETH ausscheiden bzw. in Lebensmittelmaterialwissenschaften umbenannt werden. Kommt da Wehmut bei Ihnen auf?

Felix Escher: Im Gegenteil! Fortschritt ist nur durch Veränderung möglich, starre Strukturen wären das Ende der ETH. Der Impuls zu diesem Wechsel stammt zudem aus unseren eigenen Reihen und ist die logische Umsetzung der aktuellen Forschungssituation. Die Tendenz geht zur wissenschaftlichen Konzentration auf die Strukturanalyse — und das ist Materialwissenschaft. Und wenn es nach dem Willen des ILW geht, werden zudem im neuen Konzept wichtige Teile der Lebensmitteltechnologie nach wie vor Platz haben.

Und wie sehen Sie den Umzug der Sensorik von der ETH zur Forschungsanstalt ACW?

Felix Escher: Als pragmatische Lösung. Es galt, die Lebensmittelsensorik unter den sich abzeichnenden budgetären, räumlichen und personellen Umständen doch irgendwie der ETH für Forschung und Lehre zu erhalten. Die Umsiedlung nach Wädenswil wird dieses Ziel hoffentlich erfüllen und gleichzeitig neue Wege eröffnen.

Womit werden Sie sich nach dem 30.September beschäftigen?

Felix Escher: Dann werde ich das tun, wozu ich mir nie die Zeit nehmen konnte: ein fachliches «Sabbatical» einlegen, in dem ich mich nach eigenem Gutdünken noch einigen Aufgaben stellen werde. Dazu zählen die Aufarbeitung einiger Publikationen, das eine oder andere Mandat in der Zusammenarbeit mit der Industrie, die Mitarbeit im Vorstand der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften und — zusammen mit Herrn Prof. Amadò — die Organisation des internationalen Weurman-Symposiums, das 2008 in der Schweiz durch geführt wird. Und daneben werde ich mich bestimmt mehr und mehr anderen Dingen ausserhalb der bisherigen beruflichen Sphäre widmen.

Text: Auszug aus dem Interview in der LT 9/07, lt-magazin.ch
Bild: foodaktuell

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