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27.1.2008: nachrichten
27.1.2008
Diätexperte spricht Klartext über Adipositas

Heute in der Sonntagszeitung: «Täglich 25 Kalorien zu viel, sind in 10 Jahren 15 Kilo Fett». Diät-Spezialist David Infanger über die Schwierigkeit, sein Idealgewicht zu erreichen.


Heute in der Sonntagszeitung: Diät-Spezialist David Infanger vom Stoffwechselzentrum der Zürcher Klinik Hirslanden empfiehlt statt Radikaldiäten langfristiges Abnehmen durch Optimierung von Essen und Bewegung. Interviewfragen: Sonntagszeitung.



Die Gleichgewichts-Rechnung ist einfach: Wer mehr Energie verbraucht, als er zu sich nimmt, nimmt ab. Wer genau so viel Energie verbraucht, wie er zu sich nimmt, hält sein Gewicht, wer mehr Energie zu sich nimmt, als er verbraucht, nimmt zu.



Ist das Messen des BMI – Gewicht geteilt durch Grösse hoch zwei – nicht überholt?

Der BMI ist eine Möglichkeit, Übergewicht zu quantifizieren. Die Zahl allein sagt jedoch zu wenig aus. Man muss immer auch den Menschen betrachten. Sonst wäre ein Body Builder, der kaum Fettpolster hat, aber einen BMI von 34, als stark übergewichtig einzustufen.

Heute wird auch der Bauchumfang gemessen. Wozu?

Es hilft mir, die Gefährlichkeit der Fettansammlung zu beurteilen. Leute mit grossem Bauchumfang sind anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als jene, die ihre Fettdepots auf der Hüfte tragen. Übergewicht kann zu vielen Krankheiten führen. Unter anderem auch zu Krebs.

In der letzten «Weltwoche» wurde das Gegenteil behauptet. Rund sei gesund, würden neue Studien belegen. Kennen Sie diese Studien?

Nein. Ich kenne aber unzählige, die beweisen, dass Übergewicht krank macht und die Sterblichkeit steigert. Speziell im Hinblick auf Zuckerkrankheiten. Bei Untergewicht steigt die Sterblichkeit allerdings auch.

Laut Ernährungsbericht nimmt Mangelernährung zu. Woran mangelt es uns?

An der Esskontrolle und an der Esskultur. Wir schieben rasch ein Sandwich zwischen die Zähne, die immer gleichen Produkte in die Mikrowelle. Nicht nur Untergewichtige, auch Übergewichtige und vor allem ältere Menschen sind oft mangelernährt.

Sind Vitamine in Tablettenform kein adäquater Ersatz?

Sie sind vor allem ein Riesengeschäft. In den USA werden zur einseitigen Atkins-Diät Zusatzstoffe und Vitaminpräparate propagiert und damit jährlich mehr als 200 Millionen Dollar Umsatz gemacht. Wer gesund ist und sich ausgewogen ernährt, kann auf Zusatzprodukte verzichten.

Muss man ein Leben lang kontrolliert essen und trinken?

Diät, das ist das Missverständnis, ist keine Radikalkur, bei der man in kürzester Zeit sehr viel abnimmt. Diese verlorenen Kilos hat man rasch wieder drauf. Diät heisst: Optimieren der Lebensgewohnheiten, Lifestyle-Modification auf Neudeutsch. Dazu gehören das Ess-, Trink- und Bewegungsverhalten. Ziel ist, alles so ins Leben einzubauen, dass man daran festhalten kann. Nur so kommt es nicht zum Jo-Jo-Effekt.

Also ein Leben ohne Sünden.

Wenn sie täglich 25 Kilokalorien – das sind zwei Rüebli – mehr zu sich nehmen, als sie verbrauchen, dann sind das pro Jahr eineinhalb Kilo Fett, in zehn Jahren 15 Kilo. Wenn Sie jeden Abend Ihr Glas Wein trinken, dann sind das nicht nur 25, sondern siebzig bis hundert Kalorien. Eine Sünde gehört zum Leben. Regelmässig sündigen ist eine Gewohnheit und häufig der Auslöser bei der Entstehung von Übergewicht.

Weshalb fällt uns das Abnehmen so schwer?

Weil unser Körper seit der Steinzeit dafür geschaffen ist, zuzunehmen. Wenn wir abnehmen, fürchtet er zu verhungern und ergreift sofort Gegenmassnahmen. Das Sättigungshormon wird herunterkorrigiert, das Hungerhormon rauf. Der Energieumsatz sinkt. So ist unser Körper, und deshalb funktionieren auch Radikaldiäten nicht. Wir müssen uns langsam umgewöhnen.

Können Sie meinen Stoffwechsel nicht analysieren und mir sagen, was ich essen darf?

Das so genannte Metabolic Typing machen wir im Stoffwechselzentrum nicht. Die Methode ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Sind wir an unserem Übergewicht selber schuld, oder liegt es an den Genen?

Ob man bei den heutigen Lebensbedingungen tatsächlich übergewichtig wird, hängt stark von erblichen Faktoren ab. Es wird geschätzt, dass die Erblichkeit des Körpergewichts 50 bis 70 Prozent beträgt. Um so wichtiger ist es, sich richtig zu ernähren und viel Bewegung in den Alltag einzubauen.



Dr. David Infanger (Bild: Hirslanden)

Text: Auszug aus dem Interview in der SZ.
Bild: Velofahrer: foodaktuell.ch


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