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1.2.2008: nachrichten
1.2.2008
Sofortmassnahmen fürs Dioxinproblem?

Im Schweizer Rind- und Kalbfleisch ist mehr Dioxin, als die EU erlaubt. Laut BAG besteht kein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Aber die Stiftung für Konsumentenschutz nutzt die Chance zur Profilierung.



Ausgerechnet das Fleisch von Tieren, die Auslauf haben und die Gras und Heu fressen, enthält laut Bundesamt für Gesundheit am meisten Dioxine.

In Schweizer Fleisch wurden die Umweltgifte Dioxin und PCB gefunden. In Mengen, die gesundheitlich unbedenklich sind, aber einen neuen EUGrenzwert überschreiten. Besonders hoch sind die Gehalte an den Giftstoffen Dioxin und polychlorierte Biphenyle (PCB) bei Fleisch, das aus extensiver Tierhaltung stammt. Das heisst, Tieren, die viel draussen waren und vor allem Gras und Heu frassen, sind den Stoffen stärker ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) offenbar schon vor ein paar Monaten abgeschlossen hat und am 29. Januar der Öffentlichkeit zugänglich machte.

EU-Grenzwert überschritten

Es gebe „keine Hinweise auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko”, betonte das BAG. Die geltenden Schweizer Grenzwerte würden von den Proben, die gemacht worden seien, nicht überschritten. Das Problem ist aber: Die EU hat im November 2006 einen Höchstwert für die Summe des Dioxin- und de PCBGehaltes festgelegt, weil die beiden Stoffe in der Wirkung ähnlich sind. Und dieser Wert wird von einem Teil der Fleischproben überschritten.

Aufgrund der bilateralen Verträge mit der EU muss die Schweiz noch in diesem Jahr die in der EU geltenden Grenzwerte übernehmen, was die Fleischbranche vor ein Problem stellen wird.

Immerhin: Die Dioxinbelastung in tierischen Produkten liegt deutlich unter den Grenzen, die in der Schweiz und in der EU gelten. Sie sei in den letzten Jahren stetig gesunken, schreibt das BAG. Problematisch ist hingegen die Belastung mit PCB. Unklar ist, wie Dioxin und PCB ins Futter gelangen. Um dies herauszufinden, soll nun unter der Leitung der Forschungsanstalt Agroscope ALP bis Ende Jahr untersucht werden, wo die Giftstoffe herkommen und wie sie vermieden werden können.

Langfristige Lösung gesucht

Der Fleischfachverband begrüsst in einer Medienmitteilung diese Abklärungen. Ziel sei, dass die Schweizer Tierhalter sich so bald als möglich auf die EU-Vorgabe einstellen könnten. Diese Umstellung auf die EU-Vorschriften sei „wohl sinnvoll, aber nicht entscheidend für die Gewährleistung gesunder Nahrungsmittel”.

Die Stiftung für Konsumentenschutz hingegen nutzt die Chance zur Profilierung: Dass es so lange gehe, bis Ergebnisse vorliegen, sei „nicht verständlich”, sagte SKS-Präsidenten Simonetta Sommaruga gegenüber der „Neuen Luzerner Zeitung”. Die Replik gab Michael Beer vom BAG im „Tages-Anzeiger”: „Man kann nicht in wenigen Wochen lösen, was man in 30 Jahren angerichtet hat. Wenn es so einfach wäre, hätten wir es längst getan.” (Quelle: LID / Roland Wyss-Aerni)

Dioxin-Rückstände im Fleisch: Nicht zuwarten mit Handeln!

Die Stiftung für Konsumentenschutz fordert, dass das Bundesamt für Gesundheit und die beteiligten Bundesämter unverzüglich Massnahmen ergreifen, damit die Schadstoffrückstände in Fleisch gesenkt werden können. Die SKS kritisiert, dass der Bericht der Öffentlichkeit seit einem halben Jahr vorenthalten wurde und ist nicht bereit, nochmals ein Jahr lang zu warten, bis daraus Konsequenzen gezogen werden. SKS-Präsidentin Simonetta Sommaruga wird eine entsprechende Anfrage beim Bundesrat einreichen.

Die Stiftung für Konsumentenschutz anerkennt zwar, dass seit 1999 die Rückstände von Stoffen wie Dioxin oder PCB in Schweizer Lebensmitteln gesenkt worden sind. Allerdings zeigt der Bericht, welcher heute der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, dass die Belastungen von Fleisch zum Teil nicht unerheblich sind und die EU-Grenzwerte, welche die Schweiz in diesem Jahr übernehmen will, überschritten werden. Das BAG betont zwar, dass für die Bevölkerung kein Gesundheitsrisiko bestehe. Für die Stiftung für Konsumentenschutz ist es aber nicht nachvollziehbar, dass der vorliegende Bericht während einem halben Jahr von Bundesamt zu Bundesamt geschoben wurde und die Öffentlichkeit nicht rasch und umfassend informiert wurde.

Dieses Vorgehen verunsichert die Konsumentinnen und Konsumenten zu Recht. Weiter ist es nicht verständlich, weshalb die Forschungsstelle Agroscope Liebefeld-Posieux und die beteiligten Bundesämter erst bis Ende Jahr einen Aktionsplan ausarbeiten und umsetzen werden. Das Problem der Dioxin- und PCB-Rückstände ist seit langem bekannt, der Bericht und die Untersuchungsresultate liegen ebenfalls seit geraumer Zeit vor. „Wir wollen nicht so lange zuwarten, bis Massnahmen ergriffen werden“, betont SKS-Stiftungsratspräsidentin Simonetta Sommaruga. Sie wird deshalb beim Bundesrat eine entsprechende Anfrage einreichen und verlangen, dass die Bundesämter rasch handeln und Massnahmen ergreifen. (Medienmitteilung SKS)

Vergangene Sünden

Dioxine entstehen bei der Verbrennung von Abfällen. Sie verteilen sich in sehr kleinen Mengen in der Natur und sind nur schwer abbaubar. Im Fett von Tieren und Menschen sammeln sich Dioxine an und wirken krebsfördernd. Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden von 1930 bis 1985 hergestellt und in der chemischen Industrie verwendet, zum Beispiel als Weichmacher in Dichtungen, Farben oder Lacken. Der Stoff darf seit 1986 weder hergestellt noch verwendet werden. (LID)


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