Food aktuell
31.3.2008: nachrichten
31.3.2008
Wie gravierend sind Pestizide im Wein?

Konventionelle Weine sind gemäss einer Studie deutlich stärker mit Pestiziden belastet als Bio-Weine. EU-Bauern kritisieren den Bericht und gemäss Risiko-Forschern bestehen keine gesundheitlichen Risiken.



Konventionell produzierte Weine sind deutlich stärker mit Pestiziden belastet als Bio-Weine.Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von 40 Rotweinen, die das Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN Europe am Mittwoch, 25. März in Brüssel vorstellte. Untersucht wurden Weine aus Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich, Portugal, Australien, Chile und Südafrika. Dabei fanden die Tester teilweise einen Cocktail von bis zu zehn verschiedenen Pflanzenschutzmitteln. Die geltenden Höchstgrenzen wurden allerdings in keinem Fall überschritten, heisst es in einer Meldung der Nachrichtenagentur SDA.

Während von sechs untersuchten Bio-Weinen fünf keine Rückstände hatten, waren nach Angaben der Tester in allen 34 untersuchten Weinen aus traditioneller Produktion Pestizide nachweisbar. Der Preis spielte dabei keine Rolle: Pflanzengifte fanden sich auch in zwei Flaschen französischen Spitzenweins, die jeweils mehr als 200 Euro kosten.

PAN ist ein Netzwerk von weltweit mehr als 600 Organisationen, vor allem aus dem Umweltbereich. Bestimmte Pestizide stehen im Verdacht, Krebs hervorzurufen und das Erbgut zu verändern. So fanden die Tester in den deutschen und österreichischen Weinen Substanzen, die in den USA als "womöglich" oder "wahrscheinlich" krebserregend eingestuft werden, heisst es weiter. In Weinen aus Frankreich, Italien, Chile oder Südafrika waren dagegen Pestizide nachweisbar, die auch nach EU-Einschätzung Krebs erzeugen können. Die Stoffe überschritten allerdings nicht die erlaubten Grenzwerte.

Das Pestizid-Aktionsnetzwerk fordert alle Weinbauern auf, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich zu drosseln. Nach PAN-Angaben werden auf Europas Weinstöcken 20 Prozent aller Pestizide versprüht - dagegen stehen sie nur für drei Prozent der Ackerfläche.

EU-Bauern üben scharfe Kritik an der Studie

Die Studie könne nicht als repräsentativ für den europäischen Weinsektor angesehen werden, betonten die Verbände in einer Mitteilung. Es sei höchst fraglich, wie repräsentativ eine Stichprobe von 40 Flaschen sein kann, wenn bedenkt werde, dass der Weinsektor der EU im Durchschnitt 184 Millionen Hektoliter pro Jahr produziert. Die gefunden Spuren stammten von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln und seien in einer Konzentration vorhanden, die weit unter dem Grenzwert liege, sagte COPA/COGECA-Generalsekretär Pekka Pesonen gemäss dem Agrarpressedienst AIZ.

Der europäische Weinsektor habe sich seit jeher zu den natürlichen Eigenschaften seiner Produkte bekannt. Europäischer Wein sei ein landwirtschaftliches Produkt und Bestandteil des Kulturerbes in Wein produzierenden Regionen. Aus diesem Grund sei die europäische Weingesetzgebung die weltweit strengste überhaupt – und daran werde sich auch nach der jüngsten Reform der Weinpolitik nichts ändern. Der Bericht schüre unnötig Ängste bei den Konsumenten. Er sei in keiner Weise zu rechtfertigen, völlig unangemessen und verantwortungslos, kritisierte der Generalsekretär. (Quelle LID)

Keine gesundheitlichen Risiken gemäss Risiko-Forschern

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR hat die Untersuchungsergebnisse des PAN im Hinblick auf eine mögliche gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher bewertet. Das Ergebnis: Von keinem der in diesen Weinen nachgewiesenen Pestizide geht unter Berücksichtigung der gemessenen Konzentrationen ein Risiko für Verbraucher aus.

Der von PAN Europe veröffentlichte Bericht enthält neben den Analyseergebnissen Angaben zur Einstufung der nachgewiesenen Pestizide im Hinblick auf ihr krebserregendes (karzinogenes), erbgutschädigendes (mutagenes), die Fortpflanzung beeinträchtigendes (reproduktionstoxisches) oder hormonell (endokrin) wirksames Potenzial. Vor dem Hintergrund dieser stoffinhärenten Eigenschaften fordert PAN eine Verringerung des Einsatzes dieser Pestizide bis hin zum Verzicht, um sie damit aus der Nahrungskette zu entfernen („Hazard Approach“).

Das nationale Pflanzenschutzgesetz und die Richtlinie 91/414/EWG verlangen, dass die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf das Grundwasser hat. Das gilt auch für sonstige, nicht vertretbare Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt sowie auf den Hormonhaushalt von Mensch und Tier.

Der „Hazard Approach“ unter ausschliesslicher Verwendung stoffinhärenter Eigenschaften ist aus wissenschaftlicher Sicht zur Beurteilung der legislativen Anforderungen nicht geeignet. Vielmehr muss auch die zu erwartende Exposition in Betracht gezogen werden („Risk Approach“). Das Risiko ist eine Funktion der Gefährlichkeit des Pestizids und der Exposition des Verbrauchers. Die Exposition errechnet sich aus der Höhe des Rückstands im betrachteten Lebensmittel und der verzehrten Menge.

Die von PAN Europe berichteten Pestizidrückstände in Wein wurden vom BfR hinsichtlich ihrer möglichen Risiken für Verbraucher bewertet. Hierzu wurde der jeweils höchste in einer der Proben bestimmte Rückstand eines Pestizids mit dessen Akuter Referenz Dosis, ARfD, (Substanzmenge, die der Verbraucher innerhalb eines Tages ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann) verglichen. In vielen Fällen war für das Pestizid die Ableitung einer ARfD wegen der geringen akuten Toxizität nicht notwendig.

Für die Berechnung wurde das Modell der European Food Safety Agency (EFSA), das die Verzehrsdaten der EU-Mitgliedstaaten enthält, verwendet. Das EFSA-Modell weist keine spezifischen Konsumdaten für Wein aus, die Verzehrsmengen basieren auf Keltertrauben. Der höchste Verzehr mit 1,8 kg Keltertrauben/Tag ("large portion") wurde für Erwachsene aus dem Vereinigten Königreich mit einem mittleren Körpergewicht von 76 kg Körpergewicht berichtet. Diese Verzehrsmenge wurde verwendet, um die Ausschöpfung der ARfD zu berechnen. (Stellungnahme Nr. 012/2008 des BfR vom 27. März 2008)

Copyright www.foodaktuell.ch