Food aktuell
22.5.2008: nachrichten
22.5.2008
Lebensmittelpreise bleiben dauerhaft hoch

Die EU-Kommission sieht nach Ende der Krise keine Preissenkung voraus. Beim Problem handelt es sich um eine Folge der Globalisierung. Trotz üppiger Ernten bleiben Lebensmittel teuer.




Die Preise für Weizen sind in den vergangenen drei Jahren um satte 181 Prozent gestiegen.


Die EU-Kommission stellt auch nach einem Ende der Lebensmittelkrise keine Angleichung der Preise auf das Niveau zuvor in Aussicht. "Lebensmittelpreise werden kurz- bis mittelfristig wahrscheinlich nicht auf das Niveau vor der Krise zurückfallen", heisst es in einem Strategiepapier der Kommission. Die Analyse zeige, dass die Folgen der weltweiten Nahrungskrise dauerhaft zum zentralen Problem der Regierungen und der Kommission zu werden drohen, berichtet die Financial Times Deutschland.

Von vielen Seiten wurde als Reaktion auf die hohen Preise der Abbau der EU-Agrarsubventionen gefordert. "In der internationalen Debatte wird deutlich, dass die Ratlosigkeit von Politikern und politischen Organisationen dominiert", meint Manfred Schöpe, Experte für Agrarwirtschaft beim Institut für Wirtschaftsforschung im Gespräch mit pressetext.

"Bei dem Problem handelt es sich um ein Ergebnis der Globalisierung. Der Trend geht in langsamen Schritten hin zu einer grösseren Nachfrage und zu einer Angebotsentwicklung, die damit nicht mithalten konnte", erklärt Schöpe. Von diesem Ungleichgewicht sei weiterhin, also auch nach einem Ende der Nahrungsmittelkrise, auszugehen, warnt die EU-Kommission. Die Preisexplosion wirke sich auf verschiedene, damit in Verbindung stehende Aspekte aus. So seien auch das verfügbare Einkommen vieler Menschen, die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und die Debatte über Biosprit-Förderungen betroffen.

Der Experte betont, dass es sich bei dieser Entwicklung um einen langsam fortschreitenden Prozess handelt. Die Preise für Weizen seien in den vergangenen drei Jahren um satte 181 Prozent gestiegen. Bestimmte Düngersorten haben seit 1999 sogar um 350 Prozent zugelegt. Mit einer Deregulierung durch die Politik sei dem Problem jedoch nicht zu begegnen. "Staatliche Eingriffe plötzlich zurückzuschrauben ist kein Allheilmittel und funktioniert auch nicht von heute auf morgen", so Schöpe.

Vorwiegend von NGOs werden besonders jene Lebensmittelproduzenten kritisiert, die angesichts der Hungerkrise und des "historischen Tiefststands" der weltweiten Nahrungsmittelreserven dazu neigen, Überschüsse aus Kostengründen eher zu vernichten als in betroffene Regionen zu liefern. Darüber hinaus trage der Energiehunger der Industrieländer in Hinblick auf die Biosprit-Produktion und deren Förderungen Mitschuld an der Lebensmittelknappheit.

Gentechnisch veränderte Lebensmittel wie die Produkte des umstrittenen Gentech-Saatgut-Konzerns Monsanto würden den Welthunger einer Studie der Universität Kansas zufolge ebenfalls nicht stillen können. Dennoch müssen, wie Anfang Mai von der EU-Kommission beschlossen, nun auch jene Länder mit Importverbot den Gen-Mais MON810 zur Einfuhr zulassen, um keine "wissenschaftlich unbegründeten Handelsschranken aufzubauen". Die Debatte über die Bekämpfung der Lebensmittelkrise wird in erster Instanz von politischen und wirtschaftlichen Interessen überschattet.

Von den Preissteigerungen seien innerhalb der EU besonders die zwölf jüngsten Beitrittsstaaten betroffen. Während die Teuerungen etwa in Bulgarien knapp 22 Prozent betrugen, wären die Preise bei den 15 Altmitgliedern mit fünf bis sieben Prozent noch relativ zurückhaltend angestiegen.

Im Gegensatz zu den grossen Krisengewinnern USA, Russland, Argentinien und Australien, die weltweit die höchsten Agrarexporte verzeichnen, wird die Situation in afrikanischen Ländern jedoch zunehmend dramatisch. Diese waren bereits vor Einsetzen der Krise auf Lebensmittelimporte angewiesen. Damit einher geht eine drastische Verarmung der Bevölkerung. Vonseiten der EU sind nun die Überwachung der Lebensmittelpreisspekulation sowie Hilfsmassnahmen für besonders bedürftige EU-Bürger angedacht. (Quelle: pte)

FAO-Bericht: Teure Lebensmittel trotz üppiger Ernten

Die ärmsten Länder der Welt müssen in diesem Jahr nach Einschätzung der UNO vier Mal so viel Geld für Lebensmittel ausgeben wie im Jahr 2000. Daran dürften auch die in diesem Jahr weltweit erwarteten üppigen Ernten kaum etwas ändern, wie die Nachrichtenagentur SDA meldet. Die stetig steigende Nachfrage, die hohen Kosten und das Wiederauffüllen der leergefegten Vorratslager werde eine spürbare Verbilligung der Lebensmittel verhindern. Die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft bezeichnete die Entwicklung als "besorgniserregend".

Viele Lebensmittelpreise sind zu Jahresanfang explodiert - etwa bei Reis, einem Grundnahrungsmittel für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Die dramatischsten Folgen hat die Preisexplosion in den ärmsten Ländern der Welt, wo die Menschen oft 50 bis 80 Prozent ihres gesamten Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen. Nach Berechnungen der UNO-Organisation müssen die ärmsten Länder, die gleichzeitig Nahrungsmittel einführen müssen, in diesem Jahr 169 Milliarden Dollar und damit 40 Prozent mehr als 2007 für Nahrungsimporte bezahlen.

Zwar werde die Produktion von Reis in diesem Jahr wohl um mehr als zwei Prozent steigen, sagen die FAO-Experten voraus. Dennoch werde nicht genug Reis auf den internationalen Märkten verfügbar sein. Viele Anbauländer hätten den Export erschwert, um die Versorgung der einheimischen Bevölkerung zu sichern. In den ersten vier Monaten des Jahres verteuerte sich Reis um mehr als 70 Prozent.

Ein Anstieg der Anbauflächen und das gute Wetter dürften die Weizenernte in diesem Jahr weltweit sogar um neun Prozent ansteigen lassen, heisst es in dem Bericht weiter. Deshalb hätten sich die internationalen Weizenpreise auch seit Februar bereits halbiert. In der EU werde die Weizenernte sogar um 13 Prozent zulegen - auch weil die EU Bauern nicht mehr dazu zwingt, viele Felder brach liegen zu lassen.

Die FAO beziffert die Zahl der an der Nahrungsmittelkrise leidenden Menschen auf 854 Millionen. Es bestehe die Gefahr, dass die Zahl der Hungrigen um viele Millionen Menschen

Copyright www.foodaktuell.ch