Food aktuell
11.7.2008: nachrichten
11.7.2008
Frühwarnsystem hat beim Gammelkäse versagt

Warum hat das europäische Schnellwarnsystem beim italienischen Gammelkäse-Skandal nicht funktioniert? Den zwei Jahre schwelenden Missstand deckten die Medien auf letzte Woche.




Keine EU-Polizisten, die Gammelkäse entdecken sondern kritische Juroren, die eine Käseprobe in einem Wettbewerb begutachten.


Italienischen Medienberichten zufolge soll eine kriminelle Vereinigung verdorbenen Käse so aufbereitet haben, dass er als Frischware weiterverkauft wurde. Auch ein Betrieb im Allgäu soll beteiligt gewesen sein.

Obwohl die italienische Polizei die Vorfälle bereits vor zwei Jahren entdeckt hat, ist erst im Anschluss an die Medienberichte im Laufe des 4. Juli 2008 eine Informationsmeldung über das europäische Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (Rapid Alert System for Food and Feed, RASFF) beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eingegangen. Das berichtet der Pressesprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Dr. Roland Eichhorn.

Aus diesem Grund ist auch das europäische Frühwarnsystem in die Kritik geraten. Es soll dafür sorgen, dass Informationen zu Sicherheitsrisiken innerhalb der EU schnell weitergeleitet werden. Finden Lebensmittelkontrolleure beispielsweise einen nicht zugelassenen Stoff in Nahrungsmitteln, so wird diese Information schnellstmöglich an die zuständige nationale Überwachungsbehörde geschickt. In Deutschland ist das das BVL, in Italien das "Ministero della Salute" - das Gesundheitsministerium.

Diese nationale Kontaktstelle leitet die Ergebnisse nach Prüfung an die EU-Kommission in Brüssel weiter, welche Risiko und Dringlichkeit der Information bewertet. Anschliessend wird die Meldung an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowie an alle nationalen Kontaktstellen der EU-Mitgliedsstaaten geschickt. In Deutschland informiert das BVL daraufhin die zuständigen Landesämter, zum Beispiel das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Besteht ein Risiko für die menschliche Gesundheit, muss das Landesamt aktiv werden.

Ob und warum dieses Schnellwarnsystem im aktuellen Käse-Skandal nicht funktioniert hat, ist bislang umstritten. So kritisiert Eichhorn die italienischen Behörden: "Das Schnellwarnsystem funktioniert hervorragend. Ein System kann aber nur so gut sein, wie es gepflegt wird." Die italienischen Behörden wiederum geben an, sie hätten die EU-Kommission unverzüglich über die Vorgänge informiert. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, sie hätten weitere Informationen aus Italien angefordert und man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. (Quelle aid, Larissa Kessner)

Wie werden Risiken bei Lebensmitteln erkannt und gebannt?

Entlang der gesamten Lebensmittelkette vom Acker bis zum Teller hat die EU Vorschriften erlassen. Dennoch sind nicht alle Glieder dieser Kette geschlossen und es gibt immer wieder Lücken bei der Umsetzung und den Kontrollen in den einzelnen Mitgliedstaaten.

Beispiele wie BSE, eine Erkrankung bei Rindern mit extremen Veränderungen des Gehirns, machen eines deutlich: Will die EU das hohe Schutzniveau für Verbraucher gewährleisten, das im EU-Vertrag verankert ist, bedarf es im Binnenmarkt strenger Regeln. Dies gilt besonders für Lebensmittel, die sich wie kaum ein anderes Produkt unmittelbar auf die Gesundheit von Menschen auswirken. Was täglich auf den Tisch kommt, soll unbedenklich, gesund, hygienisch und möglichst unverfälscht sein.

Mit einem gemeinsamen Futter- und Lebensmittelrecht versucht die EU deswegen, Lücken in der Nahrungsmittelkette zu schliessen. Grundlage des gemeinsamen Lebensmittelrechts bildet die EG-Basisverordnung zum Lebensmittelrecht (178/2002).

Kommt es zu einer problematischen Situation, greift die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit Sitz im italienischen Parma ein. Zu ihrer wichtigsten Aufgabe gehört das Bewerten von Risiken innerhalb der EU. Die Behörde sammelt regelmässig Daten zur Lebensmittelsicherheit, anhand derer sie Risiken erkennen kann und Politik und Öffentlichkeit im Rahmen des Schnellwarnsystems informiert.

So sollen Gefahren für die Lebensmittelsicherheit frühzeitig gebannt und Nahrungsmittelkrisen von vorne herein ausgeschlossen werden. Ausserdem berät die Behörde für Lebensmittelsicherheit die Europäische Kommission in Brüssel in wissenschaftlichen Fragen.

Wie werden Sicherheitsrisiken kommuniziert?

Offene Grenzen in der EU haben zu einem internationalen Mix an Lebensmitteln in unseren Geschäften geführt. Doch was passiert, wenn an irgendeinem Ort in der EU gesundheitsschädliche Substanzen wie Salmonellen oder Schimmelpilzgifte in Lebensmitteln auftreten? Bekommen das die anderen Länder mit?

Dank des europäischen Schnellwarnsystems für Lebens- und Futtermittel, Rapid Alert System for Food and Feed (RASFF), ist das möglich. In diesem Netzwerk sind EU-weit alle Überwachungsbehörden miteinander verknüpft. Dreh- und Angelpunkt ist die EU-Kommission, bei der die Meldungen aus den Mitgliedsstaaten ein- und wieder ausgehen.

Finden die Lebensmittelkontrolleure beispielsweise in Deutschland nicht zugelassene Stoffe in Nahrungsmitteln, so wird diese Information schnellstmöglichst an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), mit Dienstsitz in Bonn, geschickt. Das BVL ist die deutsche Kontaktstelle im europäischen Schnellwarnsystem und leitet die Ergebnisse nach Prüfung an die EU-Kommission in Brüssel weiter mit folgenden Details:

Was ist das für ein Lebensmittel?
Wo kommt es her?
Wie wurde es verbreitet?
Welche Gefahren für die menschliche Gesundheit gehen davon aus?
Welche Massnahmen sind eingeleitet worden?

Die EU-Kommission stuft diese Informationen je nach Gefährlichkeitsgrad ein als:

Warnmeldung bei Lebens- oder Futtermitteln, die sich bereits auf dem Markt befinden und ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.

Informationsmeldung bei Lebens- oder Futtermitteln, von denen zwar ein gesundheitliches Risiko ausgeht, die sich aber nicht im Verkehr befinden.

Diese Meldungen leitet die Kommission weiter an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowie die nationalen Kontaktstellen der EU-Mitgliedsstaaten - im Falle von Deutschland an das BVL. Das Bundesamt informiert daraufhin die zuständigen Landesämter, zum Beispiel das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg.

Bei den Warnmeldungen, die Deutschland betreffen, werden die Landesämter aktiv und starten gegebenenfalls Rückrufaktionen. Mit Informationsmeldungen will die EU-Kommission hauptsächlich informieren, zum Beispiel wenn ein Lebensmittel an der Aussergrenze der EU wegen nicht zugelassener Inhaltsstoffe abgewiesen wurde. Folgemassnahmen sind selten.

Fisch im Fokus

Die EU-Kommission hat 2004 rund 690 Warnmeldungen herausgegeben. Bei fast jeder vierten Warnmeldung handelte es sich um Fisch, Schalen- und Weichtiere. An zweiter Stelle kamen Fleisch und Fleischprodukte, auf die etwa jede fünfte Warnmeldung zutraf, gefolgt von Kräutern und Gewürzen mit jeder siebten Meldung. Dank des Schnellwarnsystems waren die nationalen Kontaktstellen aber informiert und die Produkte, die nicht zugelassene Stoffe enthielten, wurden bei Bedarf vom Markt genommen. (Quelle was-wir-essen.de)

Copyright www.foodaktuell.ch