Food aktuell
Varia
13.7.2010
Absinth-Ursprungsschutz wird ein langer Kampf

Die Absinth-Produzenten aus dem neuenburgischen Val de Travers möchten den Herkunftsschutz für ihr Produkt. Der Widerstand dagegen hat sich bereits formiert – und ein langer Rechtsstreit ist absehbar.



Absinth, die berühmte Neuenburger Terroir-Spezialität ist grün, alkoholhaltig und hat eine lange Geschichte: Jahrzehntelang war er durch eine Bestimmung in der Bundesverfassung (weltweit ein Unikum) verboten. Seit 2005 darf er legal produziert und konsumiert werden und erfährt er einen ungeahnten Boom.

Geschmacklich hat das Getränk eine ähnlich starke Anisnote wie der französische Pastis, aber diesen Vergleich schätzen die Neuenburger nicht.


Erfunden wurde der Absinth vor über 200 Jahren im Val de Travers. Und dort werden auch heute noch 90 Prozent des Schweizer Absinth produziert. Die 18 regionalen Produzenten, die sich in der Association interprofessionelle de l‘Absinthe zusammengeschlossen haben, wollen ihr Produkt schützen lassen: Sie haben 2008 beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein Gesuch um eine Geografisch geschützte Angabe (GGA, auf französisch Indication géographique protégée IGP) eingereicht.

Konkret sollen damit die Bezeichnungen "Absinthe", "Fée verte" und "La Bleue", wie das Getränk auch genannt wird, vorbehalten sein für Produkte, die im Val de Travers nach den im Pflichtenheft definierten Produktionsmethoden gebrannt werden. Thierry Béguin, Präsident der Association, sagt: "Wir möchten den Schutz für die Bezeichnung und für die regionale Produktionsweise. So wie auch der Champagner in Frankreich geschützt ist und der Tequila in Mexiko."

Opposition aus dem In- und Ausland

Dagegen regt sich Widerstand: Absinth-Produzenten aus Genf und aus dem Wallis haben Einsprachen eingereicht. Und auch aus Frankreich kommt Opposition: Der grosse Absinth-Hersteller Pernod-Ricard aus Pontarlier hat deshalb beim BLW ebenso eine Einsprache eingereicht wie der französische Spirituosenverband. Dessen Sprecherin Marie Bénech hält das Gesuch um die IGP für eine Provokation. "Absinth ist ein Gattungsbegriff, er hat keinen geografischen Bezug." Auch der Vergleich mit dem Champagner sei verfehlt: Dort sei die geografische Bezeichnung Champagne im Namen enthalten.

Für Thierry Béguin hingegen ist klar: "Der Absinth ist historisch stark an das Val de Travers gebunden, er wurde hier erfunden." Man wolle aber nicht kleinlich sein: "Wir könnten uns auch vorstellen, dass eine grenzüberschreitende IGP-Zone definiert wird." Auch Pontarlier könnte noch dazu gehören, allerdings müsse die Produktionsweise kleingewerblich sein, so wie im Pflichtenheft definiert.



Absinth-Hersteller Jacques Perrenoud präsentiert und zelebriert sein Kultgetränk an Regionalprodukte-Messen mit Stolz.


Gemäss Isabelle Pasche vom Bundesamt für Landwirtschaft ist eine grenzüberschreitende IPG-Region von der Verordnung her nicht prinzipiell ausgeschlossen. Dazu müsste allerdings von jenseits der Grenze auch Bestrebungen für eine entsprechende IGP vorhanden sein. Die gibt es: Eine Reihe von Brennereien in der Region Pontarlier haben ein IGP-Gesuch für den Absinth aus Pontarlier gestellt. Im Abseits stehen würde der Schnaps-Gigant Pernod, der zwar den Hauptsitz in Pontarlier hat, seinen Absinth aber inzwischen in Marseille produziert.

Damit nicht genug: In Frankreich ist seit 1998 zwar die Produktion von gebrannten Wassern auf der Basis von Wacholder (auf französisch "absinthe") möglich, aber die Bezeichnung "absinthe" an sich ist nach französischem Gesetz immer noch verboten. Wie kann man für eine Bezeichnung kämpfen, die im eigenen Land illegal ist? Das sei kein Widerspruch, sagt Marie Bénech. Ihr Verband kämpfe auch dafür, dass die Bezeichnung legalisiert werde. Bei der Einsprache gegen das Schweizer Gesuch gehe es darum, zu verhindern, dass die Neuenburger den Begriff "absinthe" für sich reservierten.

Die Verfahren um die Anerkennung von geschützten Ursprungsbezeichnungen (AOC) oder von Geschützen geografischen Angaben (IGP) können sich jahrelang hinziehen. Das hat sich beim Emmentaler und beim Raclette gezeigt, wo es um die gleiche Grundsatzfrage ging: Gattungsbegriff oder geografischer Ursrpung? Thierry Béguin ist "auf einen langen Kampf gefasst", wie er sagt. Auch BLW-Juristin Pasche rechnet mit einem längeren Verfahren, denn die Parteien könnten das Ganze bis vors Bundesgericht weiterziehen.



Absinth dient heute auch zur modischen Aromatisierung und Veredlung von sehr unterschiedlichen Lebensmitteln wie im Bild Mövenpick-Glace. Die Genfer Metzgerei «Boucherie du Palais» stellt Absinth-Terrrine her und die Neuenburger Confiserie Seydoux sowie die Glarner Confiserie Läderach Absinth-Pralinés. Dass Ricola Absinthbonbons kreiert, ist aber nur ein Gerücht (vorerst jedenfalls).



Die bewegte Geschichte der "grünen Fee"

Der Absinth ist ein meist grünes Destillat aus Wermut, Anis, Fenchel und je nach Rezept weiteren Kräutern. Aufgrund seiner Farbe, die der Absinth durch das Chlorophyll von Wermut, Melisse oder Minze erhält, wird er auch "La fée verte" genannt. Er hat einen hohen Alkoholgehalt von zwischen 45 und 85 Volumen-Prozent. Deshalb wird er mit Wasser verdünnt und mit Zucker getrunken.

Die Ursprünge des Absinth sind im Val de Travers belegt. Die erste Absinth-Brennerei wurde 1797 von Daniel Henri Dubied und seinem Schwiegersohn Henri-Louis Pernod gegründet. Letzterer flüchtete 1805 vor der hohen Steuerbelastung über die Grenze und gründete in Pontarlier die Firma Pernod. Zum Modegetränk wurde der Absinth gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Pariser Künstlerszene. Die Maler Vincent van Gogh, Paul Gauguin und Toulouse-Lautrec und die Schriftsteller Charles Baudelaire, Paul Verlaine oder Arthur Rimbaud gehörten zu den berühmten Absinth-Trinkern.

Das preisgünstige, aber hochprozentige Destillat führte aber in der Gesellschaft auch immer mehr zu sozialen Problemen und zu Besorgnis über die Volksgesundheit, die mit vielen Mythen über die Schädlichkeit des Absinth durchsetzt war. Ein spektakulärer Mord 1905 im Kanton Waadt, der nach dem Absinth-Konsum verübt worden war und europaweite Aufmerksamkeit erhielt, gab schliesslich den Ausschlag für ein Verbot in den meisten europäischen Ländern.

Erst in den letzten Jahren wurde der Absinth wieder legalisiert. Das ätherische Öl des Wermuts im Absinth enthält zwar Thujon, ein Nervengift, das in hohen Dosierungen epileptische Krämpfe verursachen kann. Der Thujon-Gehalt war im Absinth aber nie hoch genug, um zu gesundheitlichen Schäden zu führen. Diese entstanden vielmehr durch den hohen Alkoholgehalt respektive –konsum. (Text und erstes Bild: LID / Roland Wyss-Aerni)

Auch Pastis war verboten und später wieder erlaubt

Pastis von Pernod-Ricard ist eine Spirituose aus Anis mit Ursprung in Frankreich und enthält typischerweise 40 bis 45 Volumenprozent Alkohol. Grundzutat war ursprünglich Anis. Heute wird meist der aus China und Vietnam stammende Sternanis verwendet. Weitere Zutaten sind Zucker, Fenchelsamen, Süssholzwurzeln, verschiedene andere Kräuter, Wasser und Alkohol. Pastis gilt als typisch französischer Schnaps.

Tatsächlich handelt es sich um eine relativ junge Entwicklung. Im März 1915 wurden Herstellung, Vertrieb und Konsum des Thujon-haltigen Kräuterlikörs Absinth sowie ähnlichen Spirituosen, beispielsweise den Anislikören, verboten. In der Provence stellten Bauern heimlich als Ersatz für den verbotenen Absinth einen „Pastiche“ (deutsch: Nachahmung) her. Erst 1922 wurde in Frankreich ein Gesetz erlassen, das anerkannte, dass Anisliköre im Unterschied zu Absinth bis auf den Alkohol unschädlich sind und damit wieder erlaubt waren.

Der Alkoholgehalt war in Frankreich ursprünglich auf 30 Vol % beschränkt. 1922 wurde der erlaubte Gehalt auf 40 Vol %, 1938 auf 45 Vol % erhöht. Der Glycyrrhizinsäuregehalt muss mindestens 0,05 Gramm pro Liter betragen und darf 0,5 Gramm pro Liter nicht übersteigen. Pastis darf nicht mehr als 100 Gramm Zucker pro Liter enthalten. Sein Anetholgehalt muss zwischen 1,5 und 2,0 Gramm pro Liter liegen. Man sagt Pastis nach, dass Stunden nach dem Konsum das Alkoholempfinden durch Trinken von Wasser wieder aufgefrischt wird. (Text: Wikipedia)

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