Food aktuell
Varia
11.8.2010
Wie sinnvoll ist Functional Food? Kommentar



Wie sinnvoll ist Functional Food? Kommentar von foodaktuell.ch-Chefredaktor Dr. Guido Böhler


Functional Food ist seit Jahren ein Megatrend, der trotz heute höheren Anforderungen an die Beweisbarkeit der Wirkungen weiterbesteht. Die führenden Firmen wie Nestlé, Danone, Unilever aber auch Emmi, viele Getränke- und Süsswarenhersteller vermeiden umstrittene harte Werbeaussagen und verlegen sich auf weiche wie «harmonisierend», «vitalisierend» (oder anno dazumal mit einem 5-fachen Stabreim: «Milch macht müde Männer munter»).

Und eine früher dogmatisch vertretene Marketingregel, nur Produkte mit ohnehin hohem Gesundimage als Functional Food zu positionieren, ist Schnee von gestern. Sicherlich ist es einfacher, Milchprodukte und Fruchtsäfte mit Vitaminen & Co angereichert als gesund zu bewerben, aber der Gesund-Trend ist heute so stark, dass Produkte mit Ungesund-Image immer mehr an Boden verlieren. Es sei denn, man tut etwas für ihr Image, und wenn es nur ein paar Prozent Vollkornzutaten oder Joghurt im Rezept sind.

Ob diese in symbolischen Mengen die Bedeutung haben, die in der Werbung suggeriert wird, ist eine Frage, die eher Konsumentenschützer stellen als die Konsumenten selbst. Eine andere veraltete Marketingregel ist, Genussprodukte nicht zu Functional Food aufzuwerten, da Wellness und Genuss widersprüchliche Kaufmotive seien. Aber heute erwarten Herr und Frau Schweizer Produkte mit Mehrfachnutzen, wozu immer mehr sogar noch ökologische und Fair Trade-Vorteile kommen. Die stetig steigende Nachfrage nach Bioprodukten ist eine Folge davon.

Sinnvoll für die Volksgesundheit: Brot mit mikrovermahlener Kleie Brot, das wie Ruchbrot schmeckt. Normales Vollkornbrot wäre sensorisch weniger attraktiv. Bild: Brötchen mit Faserino-Kleie von Pistor

Produkte mit traditionellem Gesundimage verdienen ihre Bedeutung nicht immer, andere dagegen wie Gemüse und Vollkornbrot sind wichtiger, werden aber weniger nachgefragt als volksgesundheitlich sinnvoll wäre. Und Fleisch-/Wurstwaren haben immer noch oft ein Ungesund-Image und sind mit vielen Vorurteilen behaftet. Obwohl unsere Grossmütter beispielsweise Hühnerbouillon sogar als Heilmittel betrachteten. Moderne Ernährungsgurus kritisieren bei Fleisch/Wurstwaren die Fett- und Salzgehalte, Konsumentenschützer die Zusatzstoffe und Umweltschützer Tierproduktionen im grossen Stil generell.

Positive Aspekte bei Fleischwaren generell auszuloben wie die Gehalte an hochwertigem Protein, Vitaminen und Mineralstoffen ist allerdings für Marketingstrategen nicht interessant, denn sie wollen primär ihre eigenen Produkte als gesund bewerben. Also entwickeln sie Functional Food und erzielen damit auch noch zusätzliche Effekte: solche Produkte sind schwer imitierbar und erzielen höhere Preise. Beides sind berechtigte Anliegen, wenn man Entwicklungsaufwand treibt.

Aber einer Wellness-Wurst & Co sollte man nicht nur ein gesund gepflegtes Image verleihen sondern auch reelle gesundheitliche Vorteile bieten. So etwa mit dem Austausch eines Teils von Fett durch Protein oder noch besser Nahrungsfasern in Wurstwaren. Der Verzicht auf Zusatzstoffe hat zwar volksgesundheitlich keine Bedeutung, erzwingt aber oft hochwertigere Rezepte und ist ein wirksames Werbeargument. Aber beispielsweise Meersalz, aus Meerwasser gewonnenes reines Kochsalz, wäre als einziger «Mehrwert» eine Schaumschlägerei.



Herstellung eines fettreduzierten Wurstbräts mit Inulin als Teilersatz für Speck


Heute gibt es viele ausgeklügelte funktionelle Zutaten, solche für gesund positionierten Functional Food wie auch Sensorik- oder Kosten-optimierende. Den Sinn der gesundheitsverbessernden Zutaten darf man hinterfragen, aber seinerseits sollte man den Kunden auch nicht Werbemärchen auftischen. Ehrlich währt am längsten - auch «ehrliche Produkte» sind übrigens ein Megagtrend.

Weiterlesen: Megatrend Functional Food

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