Food aktuell
Varia
18.5.2011
Probleme mit CdD, Salz, Fettsteuer, Hygieneampel



Verwässert das Cassis de Dijon-Prinzip die Qualität von Schweizer Fleischprodukten?
Kommentar von Dr. Ruedi Hadorn, Direktor des SFF


Im Hinblick auf die zunehmende Grenzöffnung und in Anbetracht der einheimischen Kostenstruktur ist für den Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) die Sicherstellung der hohen Qualität von Schweizer Fleischprodukten von zentraler Bedeutung. Eine hohe Produktequalität ist aber auch für das erfolgreiche Überleben und das quantitative Wachstum der gewerblichen Fleischfachgeschäfte von grösster Wichtigkeit.

Nach diversen allgemeinen Bemühungen seitens des Bundes hat der SFF daher die Ausarbeitung von konkreten Qualitätsleitsätzen für Fleisch und Fleischprodukte an die Hand genommen. Diese sollen die Branche in ihren Qualitätsbestrebungen konstruktiv unterstützen.

Am 1. Juli 2010 ist bekanntermassen das Cassis-de-Dijon-Prinzip in Kraft getreten. Dieses besagt, dass Produkte, die in einem EU- oder einem EWR-Land gemäss den entsprechenden technischen Vorschriften rechtmässig produziert werden und in Verkehr gelangen, auch in der Schweiz ohne weitere Kontrollen verkauft werden dürfen. Aufgrund der Einseitigkeit des Abkommens gilt diese Regelung leider nicht für Produkte aus der Schweiz, die in der EU in Verkehr gebracht werden!

Im Sinne der Gleichberechtigung – und dies ist gemäss unserer Informationen nur in der Schweiz, nicht aber in den einzelnen EU-Ländern der Fall – können auch Hersteller in der Schweiz, die nur für den inländischen Markt produzieren, ihre Produkte nach den technischen Vorschriften der EU in Verkehr bringen.

Für Lebensmittel, die den technischen Vorschriften der Schweiz nicht entsprechen, besteht insofern eine Ausnahme, als diese weiterhin durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bewilligt werden müssen. Bestehen keine Bedenken bzgl. Sicherheit und Täuschungsschutz, so erteilt das BAG eine Bewilligung in Form einer Allgemeinverfügung, die für alle gleichartigen Lebensmittel gilt. Für die Anerkennung sind jedoch gewisse Ausnahmen vorgesehen, die für Fleisch v.a. die nachfolgenden Punkte betreffen: fehlende Angabe des Produktionslandes, unzureichende Deklaration von Allergenen bzw. GVO, Kaninchenfleisch aus in der Schweiz nicht zugelassenen Haltungsformen.

Seit der Einführung des Cassis de Dijon-Prinzipes wurden im Bereich Fleisch und Fleischprodukte bislang zwei Gesuche behandelt. Ein erstes Gesuch für Schweinsschnitzel aus Deutschland wurde aufgrund der ungenügenden Angabe des Produktionslandes mittlerweile abgelehnt. Ein zweites Gesuch betraf Kochschinken, genau Hinterschinken, der nach österreichischen Vorgaben ein höheres Wasser-Eiweiss-Verhältnis aufweisen darf, und für welchen in der Zwischenzeit eine Allgemeinbewilligung ausgesprochen wurde.



Im Injektor wird Fleisch für Schinken mit Lake gespritzt, wobei es auch Wasser aufnimmt als Kompensation für den nachfolgenden Kochverlust.


Mit diesem Beispiel verbunden wurden diverse Befürchtungen geäussert, dass die hohe Qualität der Schweizer Fleischprodukte nach dem Motto „je mehr Globalisierung, desto schlechter die Qualität“ zusehends „verwässert“ wird. Verschiedene Rückmeldungen aus der Praxis weisen darauf hin, dass vielmehr über den Preisdruck bereits heute Bestrebungen in Richtung eines Qualitätsabbaues bestehen.

Im politischen Bereich stehen momentan zwei weitere Ansatzpunkte zur Diskussion, die sich mit der Qualität von Lebensmittel in Verbindung bringen lassen. So hat das Bundesamt für Landwirtschaft im letzten Jahr eine Qualitätsstrategie mit den drei Elementen Qualitätsführerschaft, Qualitätspartnerschaft und Marktoffensive lanciert und nach einer breiten Anhörung anfangs März 2011 eine Qualitätscharta, die eine freiwillige Verpflichtung möglichst breiter Kreise der Land- und Ernährungswirtschaft auf verschiedene Qualitätsprinzipien bezweckt, veröffentlicht.

Ein anderer Ansatzpunkt betrifft die Swissness-Vorlage, die durch das Institut für Geistiges Eigentum lanciert und derzeit in einer Subkommission des Nationalrates behandelt wird. Dabei treten vor allem um die Frage der Bemessungskriterien für verarbeitete Naturprodukte grosse Diskrepanzen auf. Während aus bäuerlichen und Konsumentenkreisen vor allem Wert auf die Herkunft des Rohmaterials gelegt wird, sind nach unserer Auffassung für die Charakteristika eines Produktes die Verarbeitung und Veredlung ebenso entscheidend.

Die Fleischwirtschaft respektiert wohl das qualitativ gute Schaffen der Schweizer Landwirtschaft, versteht aber umgekehrt nicht, dass die handwerkliche und innovative Schaffenskraft der Fleischfachleute im Veredelungsprozess in Bezug auf die Wertschöpfung praktisch ignoriert werden soll.

Der SFF setzt sich daher nach wie vor für 60% Wertschöpfung als alleiniges und entscheidendes Swissness-Kriterium ein. Für den SFF wäre aber auch eine Angleichung der Swissness-Kriterien an die bestehende Lebensmittelgesetzgebung denkbar. Dies auch deshalb, weil das Ziel der Swissness-Vorlage klar in der Missbrauchsbekämpfung und nicht in einer möglichst komplizierten Regelung liegen muss.

Nachdem die Beschreibung von Fleischprodukten mit den entsprechenden Qualitätsanforderungen im Jahre 2003 aus dem Schweizerischen Lebensmittelbuch gestrichen wurde, ist seitens der Gesetzgebung seit längerem nirgends mehr festgeschrieben, was die Qualität von Schweizer Fleischprodukten eigentlich beinhaltet. In der Lebensmittelgesetzgebung werden zwar diverse traditionelle Fleischerzeugnisse aufgeführt, eine genaue Definition derselben fehlt jedoch. Dies steht im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, wo entsprechende Leitsätze vorhanden sind bzw. das Lebensmittelbuch entsprechende Beschreibungen beinhaltet.

Seitens des Bundes wurde gegenüber dem SFF wiederholt signalisiert, dass die Festlegung von konkreten Qualitätsvorgaben für die einzelnen Produktkategorien Sache der jeweiligen Wirtschaftszweige sei. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung des Qualitätsaspektes in einem zunehmend international werdenden Umfeld, aber auch bei der Positionierung im Inland hat der SFF daher vor kurzem eine interne Arbeitsgruppe mit dem Ziel lanciert, Qualitätsleitsätze für Schweizer Fleischprodukte im Sinne von Empfehlungen auszuarbeiten, die der Branche und nach Möglichkeit auch dem Vollzug als Richtlinien dienen sollen.

Schlussendlich werden die zukünftigen Qualitätsanforderungen durch die Entwicklungen in den einzelnen (Teil-)Märkten und damit durch jeden einzelnen Marktteilnehmer definiert. Dies darf aber nur über wettbewerbsfähige Anreizsysteme und nicht über zu enge Gebote bzw. Verbote geschehen!



Wie lange können die Konsumenten noch selber entscheiden, was auf ihren Teller kommt?

Der seitens der Behörden gerade in letzter Zeit gezeigte Aktivismus um die Auswahl und Ausgestaltung von gesunden Lebensmitteln verfehlt nach Auffassung des Schweizer Fleisch-Fachverbandes klar sein Ziel. Anstelle einer Bevormundung der Konsumentinnen und Konsumenten muss vielmehr eine gesamtheitliche Betrachtungsweise mit ausreichend Bewegung, einer vernünftigen Nahrungsaufnahme sowie einer ausgewogenen Nahrungszusammensetzung treten. In diesem Sinne unterstützt die Fleischwirtschaft diejenigen Bestrebungen, die der Volksgesundheit förderlich sind, dem Prinzip der Verhältnismässigkeit entsprechen und sich mit gesundem Menschenverstand umsetzen lassen.

Im 1. Quartal 2010 hat die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) eine Anhörung durchgeführt, wie sich die interessierten Kreise zu einer Einführung eines „Healthy Choices“-Labels stellen würden (vgl. Medienkonferenz 2010). Aufgrund der massiven Einwände seitens der betroffenen Kreise hat das BAG von einer Lancierung dieses Gesundheitslabels inzwischen glücklicherweise abgesehen. Stattdessen wurde wiederum die SGE beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, welche die Konsumentinnen und Konsumenten bei der Wahl gesunder Lebensmittel unterstützen sollen.

Analog zur Situation in der EU wird auch in der Schweiz die Einführung einer Nährwertdeklaration auf den jeweiligen, bereits übervollen Produkteetiketten erwogen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass nur ein kleiner Teil der Konsumentinnen und Konsumenten derartige Informationen bewusst abruft und auch versteht. Eine Information über die online verfügbaren Nährwertdatenbanken erscheint uns anstelle einer Flut von Angaben auf den Produkteetiketten wesentlich sinnvoller zu sein.

In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache interessant, dass im kommenden Juli im Europäischen Parlament über eine Befreiung handwerklich hergestellter Lebensmittel von einer Pflicht zur Nährwertkennzeichnung abgestimmt werden soll. Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europaparlamentes hat übrigens dem Anliegen vor einigen Tagen bereits zugestimmt.

Des Weiteren wurde die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft (SHL) ebenfalls durch das BAG beauftragt, die Möglichkeiten für eine Reduktion des Salzkonsums der Schweizerinnen und Schweizer eingehend abzuklären. Gemäss unseren Informationen sollte der entsprechende Abschlussbericht in nächster Zeit auf der BAG-Homepage veröffentlicht werden. Ziel der durch das BAG lancierten Salzstrategie und auch international diskutierten Thematik ist es, den Salzkonsum längerfristig von 8-10 g auf 5 g pro Tag abzusenken. Während der Salzgehalt von Frischfleisch zu vernachlässigen ist, tragen Fleischprodukte rund 12 – 16% zum täglichen Salzkonsum bei.

Wie bei anderen Lebensmitteln erfolgt der Zusatz von Kochsalz zu Fleischprodukten aber nicht grundlos; er ist vielmehr aus technologischen, sensorischen und konservierenden Gründen unabdingbar. Gerade für Rohwürste und Rohpökelwaren ist eine Reduktion des Kochsalzgehaltes aus Gründen der Lebensmittelsicherheit problematisch und daher nicht zu empfehlen. Bei Brühwürsten und Kochpökelwaren bedingt eine Kochsalzabsenkung vielfach aufwendige Rezepturanpassungen. Ein Teil des im Kochsalz enthaltenen Natriums (dieses ist eigentlich für die dem Kochsalz nachgesagte Blutdruckerhöhung verantwortlich) lässt sich zwar durch andere Salze ersetzen; dies ist aus sensorischen Gründen (z.B. Bitterkeit) jedoch nur begrenzt möglich.

Die Fleischbranche hat die Salzthematik in weiser Voraussicht schon vor einiger Zeit aufgenommen und je nach Unternehmen bereits einzelne bzw. ganze Linien von salzreduzierten Fleischprodukten in das Sortiment integriert. Auch erscheint in Kürze ein neues Wurstbuch aus der Küche des SFF, dessen Rezepturen ebenfalls von einem reduzierten Kochsalzgehalt ausgehen.

Eine soeben erschienene Fachinformation der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP schätzt zudem, dass bei Fleischprodukten eine schrittweise Salzreduktion im Rahmen von 10 bis 15% möglich ist und z.T. bereits umgesetzt wird, eine weitere Reduktion aus Gründen der Haltbarkeit wie auch der Technologie aber nicht zu empfehlen ist. Demnach muss aus der „Sicht der Fleischprodukte“ das langfristige Ziel der Salzstrategie des BAG’s, den Salzkonsum pro Person auf 5 g pro Tag abzusenken, schon heute als unrealistisch beurteilt werden. Bei der ganzen Salzthematik gilt es zudem zu bedenken, dass eine Kochsalzreduktion in den einzelnen Lebensmitteln nur dann Sinn macht, wenn die individuellen Freiheiten beim Zugeben mittels Salzstreuer zumindest im Griff gehalten werden können.

Auch aufgrund der genannten Beispiele stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Behörden mit ihren Bestrebungen um gesunde Lebensmittel die Gesundheitsthematik der Schweizer Bevölkerung nicht zu stark auf denjenigen Bereich beschränken, der sich am besten kontrollieren lässt. Ohne an die Stelle der betreffenden Fachleute treten zu wollen, ist bei gesunden Personen nach unserer Auffassung der Einbezug von Bewegung und der aufgenommenen Nahrungsmenge wesentlich bedeutender als derjenige der Nahrungszusammensetzung. Auch darf der Genussfaktor, gerade bei Fleisch, nicht ausser acht gelassen werden.

Obwohl die Gesundheitsthematik von allgemeiner gesellschaftspolitischer Natur ist und durch die Fleischbranche selbstverständlich nicht abgedeckt werden kann, ist diese dennoch gewillt, ihren Beitrag zur allgemeinen Volksgesundheit zu leisten. Dieser muss aber verhältnismässig und mit gesundem Menschenverstand umsetzbar sein und vor allem soll, durch welche Massnahmen auch immer, die Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht unnötig und über Gebühr eingeschränkt werden.

In einzelnen EU-Ländern treibt die Regulierung im Lebensmittelbereich derzeit ganz besondere Blüten. So wird in Dänemark per Mitte Jahr eine Fettsteuer eingeführt, indem Lebensmittel mit einem Gehalt ab 2.3% gesättigter Fettsäuren mit 16 dKr (rund Fr. 2.75) pro kg gesättigtem Fett belastet werden. Die Einführung dieser Fettsteuer und insbesondere deren Zeitpunkt erstaunen umso mehr, weil im Januar 2010 eine breit angelegte amerikanische Studie klar aufzeigte, dass die Aufnahme an gesättigtem Fett entgegen der langjährigen Lehrmeinung kein Risiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Krankheiten darstellt.

Ein anderes Beispiel bezieht sich auf Deutschland, wo anstelle der bereits diskutierten sog. „Smileys“ neu die Einführung einer Hygiene-Ampel in Gastrobetrieben und Lebensmittelunternehmen mit dem Ziel einer Einführung ab 2012 diskutiert wird. Dabei sollen die Kontrollergebnisse auf einem Farbbalken aufgetragen werden, wobei grün für „Anforderungen erfüllt“, gelb für „Anforderungen teilweise erfüllt“ sowie rot für „Anforderungen unzureichend erfüllt“ steht. Wir fordern von unseren Behörden, dass sie sich nicht von derartigen mittelalterlichen Prangersystemen blenden lassen, sondern unter Berücksichtigung des Amtsgeheimnisses die produktiven Leistungen der Fleischbranche wie auch des übrigen Lebensmittelsektors mit Vernunft und gesundem Menschenverstand konstruktiv unterstützen.



Text: Referate von Dr. Ruedi Hadorn, Direktor des SFF an der Jahresmedienkonferenz der Schweizer Fleischwirtschaft in Zürich, 28. April 2011)


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