Food aktuell
Varia
6.10.2011
Ausfuhrbeiträge werden neu geregelt



Die Verordnungen zum Schoggigesetz (Exportbeiträge) sollen überarbeitet werden. Der Bund will ein paar Schlupflöcher schliessen und die Produktliste WTO-tauglich gestalten. Das war offenbar 17 Jahre lang nicht der Fall.


Die Verordnungen zum Schoggigesetz wurden letztmals im 2005 angepasst. Nun schlagen das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) erneut ein Update vor. Grösstenteils handelt es sich dabei um kleinere Anpassungen. So sollen z.B. Ausfuhrbeiträge für Eier und Eiprodukte gestrichen werden, weil die lebensmittelverarbeitende Industrie für Exportprodukte praktisch ausschliesslich Import-Eier verwendet. Zucker soll ebenfalls nicht mehr gestützt werden, weil dafür schon seit Jahren keine Ausfuhrbeiträge mehr beantragt wurden.

Anders sieht es bei flüssiger Magermilch aus: Dafür soll es künftig auch keine Beiträge mehr gemäss Schoggigesetz geben, obwohl diese rege benutzt werden. Offenbar steht flüssige Magermilch nicht in der WTO-Verpflichtungsliste LIX, welche die Basis für das Schoggigesetz darstellt. Die LIX wurde in der WTO-Uruguay-Runde verabschiedet – vor 17 Jahren. Seither hat die Schweiz jährlich fünf bis fünfzehn Millionen Franken Ausfuhrbeiträge für Produkte erteilt, die mit flüssiger Magermilch hergestellt wurden.

Höhere Kosten?

Beim Seco geht man davon aus, dass dieses Geld auch künftig noch fliessen wird, wie Peter Huber sagt: "In der Vergangenheit haben die Unternehmen ihre Rezepturen, je nach Marktpreisen oder politischen Rahmenbedingungen, immer wieder angepasst. Wir können uns vorstellen - wissen das aber nicht - dass die Unternehmen ihre Rezepturen auch aufgrund dieser Praxisänderung anpassen werden."

Statt flüssiger Magermilch könnte Magermilchpulver zum Einsatz kommen, welches zuvor in Wasser aufgelöst wurde. Oder die Magermilch wird zuerst eingedickt und nachher wieder verdünnt. Ob es deshalb mehr Ausfuhrbeiträge braucht, hat das Seco nicht berechnet. Tendenziell dürften die Exportbeiträge steigen, weil für Pulver und eingedickte Magermilch höhere Ansätze gelten.


Die Verordnungsänderung trifft auch Emmi, denn Milchmischgetränke wie Caffè Latte gehören zu den Produkten, in denen flüssige Magermilch verwendet wird. Ob Emmi seine Rezepturen anpassen wird, ist noch offen. Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker: "Treibende Faktoren bei unseren Rezepturen sind primär die Qualitätsansprüche von uns und unseren Kunden. Über allfällige Konsequenzen möchten wir zum heutigen Zeitpunkt nicht spekulieren."

Im Ausland billiger

Dank den Ausfuhrbeiträgen durch das Schoggigesetz können Schweizer Waren im Ausland billiger angeboten werden als im Inland. Die Rohstoffkosten werden damit auf das Niveau des Auslands gesenkt. Das birgt natürlich das Risiko, dass Schweizer Waren ins Ausland verkauft und später billiger wieder in die Schweiz re-importiert werden. Weil das grundsätzlich nicht im Sinne des Gesetzes ist, will der Bund mit der Verordnungsänderung diesem Umstand explizit Rechnung tragen und künftig bei der Wiedereinfuhr die Ausfuhrbeiträge rückfordern.

Ein offensichtliches, wenn auch mengen- und betragsmässig wenig bedeutendes Beispiel, ist der Re-Import von Caffè Latte durch Lidl. Lidl beliefert seine Schweizer Filialen von Deutschland aus mit Caffè Latte und unterwandert damit Emmis Preisbildungssystem in der Schweiz. Ob sich daran künftig etwas ändert, ist offen. Lidl: "Zum heutigen Zeitpunkt können wir zu der von Ihnen gestellten Frage noch keine Stellung nehmen."

Allerdings ist der Nachweis von Re-Importen nicht immer so einfach wie in dem oben aufgeführten Beispiel. Heinz Eng von der Oberzolldirektion: "Wenn zum Beispiel Schoggimasse in die EU verkauft wird und dann später daraus hergestellte Schoggihasen oder Pralinen in die Schweiz eingeführt werden, gelten diese Produkte, sofern die Ursprungsregeln eingehalten sind, als EU-Erzeugnisse und können bei der Einfuhr in die Schweiz präferenziell abgefertigt werden. Dabei handelt es sich um ein legitimes Verfahren im Rahmen des Schoggigesetzes."

Die Waren profitieren somit doppelt: Bei der Ausfuhr von Ausfuhrbeiträgen und bei der Einfuhr von niedrigeren Präferenzzöllen. Zahlreiche Handelsketten haben in mehreren Ländern Niederlassungen, wo Waren be- und verarbeitet werden. Die Handelsströme werden deshalb immer undurchsichtiger. Das gilt nicht nur für die Schweiz, wie Eng sagt: "Das Problem haben die EU-Staaten auch."

Bald Bauerngelder in die Bundeskasse?

Mit den Rückerstattungsbeiträgen beim Re-Import würde das Geschäft für die Bundeskasse wenigstens neutral. Nicht jedoch für die Landwirtschaft, wie Stefan Hagenbuch von den Schweizer Milchproduzenten aufzeigt: "Die Abschöpfung bei der Wiedereinfuhr fliesst in die Bundeskasse. Die Ausfuhren wurden jedoch aus dem Landwirtschaftsbudget finanziert oder sogar direkt durch Produzentenbeiträge."

Die Bauern würden den Bund via Schoggigesetz bzw. den Beiträgen in den Interventionsfonds sozusagen indirekt alimentieren. Ob es soweit kommt, ist allerdings noch offen. Die Vernehmlassung zur Verordnungsänderung wurde erst kürzlich abgeschlossen. Peter Huber vom Seco: "Wir werten derzeit die laufende Anhörung aus und werden einzelne Bestimmungen aufgrund der Rückmeldung gegebenenfalls noch anpassen."

WTO grosszügiger als der Bund

Das "Bundesgesetz über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten" versüsst unter anderem der einheimischen Schokolade-, Biscuit- oder Teigwarenindustrie die Exporte. Denn mit diesem "Schoggigesetz" kann der Bund Einfuhrzölle erheben und Ausfuhrbeiträge gewähren, und so den Rohstoffpreisunterschied zum Ausland weitgehend ausgleichen. Das macht den Schweizer Lebensmittelsektor wettbewerbsfähiger und hilft der Landwirtschaft, weil die Bauern dank diesem Gesetz mehr Schweizer Milch und Schweizer Getreide absetzen können.


Allerdings ist das Budget für die Ausfuhrbeiträge begrenzt und immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen. So wollte der Bundesrat z.B. dieses Jahr die Ausfuhrbeiträge um 15 Millionen Franken kürzen. Das Parlament sprach sich jedoch für die Beibehaltung von 70 Mio. Franken aus, der Bundesrat beantragt nun gemäss Pressemitteilung vom 31. August im Rahmen der Massnahmen den Schoggigesetzkredit um 10 Mio. aufzustocken.

Laut WTO-Abkommen wären Ausfuhrbeiträge bis zu 114,9 Millionen Franken noch legitim. Doch die WTO-Mitglieder haben vor sechs Jahren in Hongkong – im Hinblick auf ein WTO-Abkommen – vereinbart, die Ausfuhrsubventionen bis zum 1. Januar 2014 fortlaufend zu kürzen und danach völlig darauf zu verzichten. Sie taten dies ganz klar im Hinblick auf den Abschluss der Doha-Runde, der inzwischen nicht mehr realistisch erscheint.

Bauern finanzieren mit

Schätzungsweise jeder zehnte Liter Milch wird mit Schoggigesetz-Beiträgen exportiert. Ohne diese Beiträge würden die Nahrungsmittelindustrien Butter und Milchpulver für Exportprodukte höchstwahrscheinlich im Veredelungsverkehr einführen oder sich den Rohstoffpreisausgleich von der Branche bezahlen lassen. Das ist heute bereits teilweise der Fall: Denn die Schoggigesetz-Kasse reicht nicht aus, um die gesamte Kostendifferenz auszugleichen.

Die Branchenorganisation Milch (BOM) hat deshalb letzten November einen Interventionsfonds beschlossen, mit dem diese Lücke weitgehend geschlossen werden soll. Um den Kreis der Zahler abzusichern haben die BOM-Delegierten im Mai die Allgemeinverbindlichkeit dafür beantragt. Der Bundesrat hat das jedoch abgelehnt. Derzeit zahlen alle Milchbauern pro Liter Milch 0,5 Rappen in den Interventionsfonds und die Industriemilchverarbeiter steuern ebenfalls 0,5 Rappen zur Kasse bei. So kommen pro Jahr etwa 24 Mio. Franken zusammen. (Text: LID / Eveline Dudda)

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