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Varia
10.1.2012
Lachszucht in Schweizer Schweinestall

Seit Mitte 2011 mästet der Luzerner Bauer Josef Kilchmann Fische. Dahinter steht ein Aquakultur-Konzept der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, das Landwirten zu einem neuartigen Nebenerwerb verhelfen will.


Andreas Graber ist Aquakultur-Experte an der ZHAW


Neun Kilogramm Fisch verzehren die Schweizerinnen und Schweizer jährlich pro Kopf. Nur sechs Prozent davon stammt aus einheimischen Gewässern oder hiesiger Aquakultur. Angesichts weltweit stagnierender Fangerträge dürfte Fischzucht auch in der Schweiz bald ein heisses Thema werden. Am 2. Fischforum Schweiz Anfang Dezember präsentierte Andreas Graber, Projektleiter Aquakultur an der ZHAW, einen "Leitfaden Fischzucht", der Bauern dabei unterstützen will, leer stehende Stallungen für die Fischmast umzunutzen.

Ein Beispiel ist der Landwirtschaftsbetrieb von Josef Kilchmann bei Luzern. Im Schweinestall stehen seit ein paar Monaten zwei Wasserbecken mit einem Nutzinhalt von je 15'000 Litern. Darin tummelt sich der so genannte BachtellachS, ein Edelspeisefisch. Drei Tonnen Jahresproduktion will Kilchmann erreichen.

Vor vier Jahren sei er in einer Fachzeitschrift zufällig auf einen Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gestossen, der Fischmast als Nebenverdienst für die Landwirtschaft propagierte, erinnert sich der 49jährige Landwirt, der als innovativer Unternehmer stets auch Neues wagt. Vor zehn Jahren war er beispielsweise einer der ersten Schweizer Bauern, die auf ihrem Hof eine Biogasanlage installierten.

"Seither suche ich nach einer intelligenten Verwendung für die dabei anfallende Abwärme. Fischzucht in einer beheizten Indoor-Anlage schien mir eine spannende Variante", erzählt Kilchmann. "Mit dem nicht mehr genutzten Schweinestall aus den Siebzigerjahren hatte ich zudem ein geeignetes Gebäude zur Hand."

Bachtellachs soll rentieren

Kurzentschlossen fuhr Kilchmann nach Wädenswil, um die dortige ZHAW-Versuchsanlage zu begutachten und das Fischzuchtkonzept mit Andreas Graber, Projektleiter Aquakultur am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, zu diskutieren. "Technisch schien mir die Sache durchaus machbar. Doch ein erster Businessplan mit der Fischart Tilapia zeigte, dass die Rentabilität unklar war, weil noch kein verlässlicher Absatzmarkt bestand", erinnert sich Kilchmann.

Dann aber lernte er letztes Jahr den Fischzüchter Yves Sacher kennen, dessen Betrieb in Gibswil-Ried/ZH auf die Produktion japanischer Kirschenlachse spezialisiert ist, die unter der Marke Bachtellachs insbesondere in der gehobenen Gastronomie Absatz finden. Mit diesem hochpreisigen Edelspeisefisch lassen sich auf dem Markt Kilopreise von 36 Franken holen. Damit sah Kilchmanns Businessplan plötzlich ganz anders aus: "Ich steckte kurzentschlossen 100'000 Franken in eine kleine Indoor-Kreislaufanlage – alles eigenes Geld – und bin seit Mitte 2011 Fischmäster im Nebenerwerb."

Weitere «Fischställe» gesucht

Die Zusammenarbeit mit der Fischzucht Gibswil beruht auf Franchising: Yves Sacher kümmert sich um die Zucht und stellt hochwertige Marken-Satzfische zur Verfügung. Die Ausmast führt Kilchmann in seinem "Fischstall" durch.

Schlachtung, Verarbeitung und den anschliessenden Vertrieb unter der bereits gut eingeführten Marke BachtellachS übernimmt wiederum Yves Sacher, der Kilchmann zudem während drei Jahren einen fixen Abnahmepreis für die gesamte Produktion garantiert. Sacher: "Die Nachfrage nach BachtellachS wächst und ist bereits zehnmal grösser als das Angebot.

Gesucht sind daher weitere Landwirte, die meine Fische im Franchising mästen wollen." Der Einstieg in die Fischmast ist allerdings anspruchsvoll und braucht Eigeninitiative, obwohl die technische Konzeption und ökologische Integration der Anlagen in den Hofbetrieb durch die ZHAW unterstützt wird – bis hin zur Einreichung des Betriebsgesuchs bei den involvierten Ämtern, wie am kürzlich durchgeführten 2. Fischforum Schweiz zu erfahren war.

Kreislaufsystem ist ökonomisch und ökologisch

Herkömmliche Fischzuchten sind oft Durchlaufsysteme, die an Fliessgewässer angeschlossen sind. Dies kann zu ökonomischen Problemen führen, da Fische bei den tiefen Wassertemperaturen, wie sie in Freiluftanlagen insbesondere im Winter herrschen, relativ langsam wachsen. Zudem ist der Frischwasserbedarf enorm, und auch die Abwasserbelastung von Flüssen und Bächen kann ökologisch fragwürdig sein. Deshalb sieht die ZHAW die Zukunft der Schweizer Fischzucht in geschlossenen Indoor-Kreislaufsystemen. Diese eignen sich speziell für die Installation in leer stehenden Stallungen und sollen Landwirten einen Nebenerwerb in der Fischmast ermöglichen.

Eine erste Anlage wurde Mitte 2011 von Josef Kilchmann auf dem Spitzhof bei Luzern in Betrieb genommen. Die 100'000 Franken teure Infrastruktur im ehemaligen Schweinestall besteht aus Standardkomponenten: Zwei Fischbecken mit je 15 Kubikmetern Inhalt, die mit Abwärme aus der hofeigenen Biogasanlage beheizt werden, sowie eine Wasseraufbereitungsanlage. Diese befreit das gebrauchte Fischwasser von den Ausscheidungen der Fische und pumpt es zurück in die Fischbecken. Kilchmanns Anlage ist für eine Jahresproduktion von drei Tonnen Bachtellachs ausgelegt.

Da sich im geschlossenen Wasserkreislauf Nährstoffe in Form von Nitrat und Phosphat anreichern, muss täglich etwa zehn Prozent des Wassers ersetzt werden. "In unserer Forschungsanlage in Wädenswil nutzen wir dieses Ablaufwasser bereits als Pflanzendünger – zum Beispiel für die Tomatenproduktion", erklärt Andreas Graber, Projektleiter Aquakultur bei der ZHAW. Auf dem Hofbetrieb kann die Fischgülle direkt der Jauchegrube zugeführt werden. Weitere Infos: www.iunr.zhaw.ch/fischforum

Der direkte Weg zum Fischmäster

Das Grundlagenwissen zur Haltung und Produktion von Fischen und Panzerkrebsen kann man sich an einer auf Einsteiger zugeschnittenen Ausbildung aneignen. Der Kurs an der ZHAW in Wädenswil umfasst sechs Tage Theorie sowie ein dreimonatiges Praktikum. Dabei lernt man das ABC der Fischmast von der Fütterung bis zur Prävention von Fischkrankheiten kennen. Der Kursabschluss wird vom Bundesamt für Veterinärwesen anerkannt und ermöglicht einen Einstieg in die gewerbsmässige Speisefischproduktion. Praxisorientiertes Wissen findet man überdies im «Leitfaden Fischzucht», der zurzeit an der ZHAW erarbeitet und sukzessive im Internet aufgeschaltet wird, sowie in der Publikation «Fisch vom Hof». (Text uns Bilder: LID / Elias Kopf)

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