Food aktuell
Varia
8.6.2012
125 Jahre Schweizer Fleischfachverband


Der Schweizer Fleisch-Fachverband SFF feiert dieses Jahr seinen 125. Geburtstag. Er hat am 3.6.2012 nach Cham eingeladen zur Jubiläums-Hauptversammlung in bundesrätlichem Beisein und in Anwesenheit der wesentlichen Exponenten der Fleischwirtschaft. «foodaktuell.ch» präsentiert das Referat von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Vorsteher des EVD.


Es war am 23. August 1887, als das Parlament des Vereinigten Königreichs beschloss, dass Waren nur noch dann importiert werden durften, wenn ihre Herkunft genau deklariert war. Damit war der Beginn des berühmten „made in….“ Und es war gleichzeitig der Beginn einer Diskussion lanciert, die noch heute mit grossem Engagement geführt wird, auch in Ihrem Verband. Ich denke an die Diskussion über „made in Switzerland“ oder „Swissness“.

Einige Wochen älter als der Ursprung von „Swissness“ ist der SFF auch er eine durch- und durch Schweizerische Institution. Gegründet auf Initiative von einigen umtriebigen Schaffhauser Metzgern mit dem Ziel (ich zitiere) „um mit vereinter Kraft die vielen Übelstände aus dem Wege zu schaffen, welche gegen unsere Geschäftsinteressen auftreten, was beim richtigen Zusammenhalten ein Leichtes ist.“

Unser Land hat bisher die Turbulenzen erfreulicherweise gut überstanden, die in den letzten Jahren, respektive Monaten insbesondere den Euroraum regelrecht durchgeschüttelt haben. Im Gegensatz zu früheren Prognosen sind wir nie in eine Rezession gerutscht, auch die Arbeitslosenzahl mit heute 3 Prozent ist deutlich tiefer als erwartet (zum Vergleich: Frankreich hat 25%). Bei dieser Zahl können wir eigentlich von Vollbeschäftigung sprechen. Stolz und verteidigen, ist unsere Aufgabe.

Zu verdanken ist unsere erfreuliche Situation in erster Linie dem Konsum und der Binnenwirtschaft, die ausgezeichnet unterwegs sind. So konnten wir im letzten ersten Quartal dieses Jahre ein Wachstum des Brutto-Inland-Produkts um 0,7 Prozent verbuchen. Als typische KMU-Branche, wo neben einigen Grossmetzgereien mehr als zwei Drittel aller Betriebe weniger als 10 Leute beschäftigen, gehören Sie zum eigentlichen Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Das ist weit mehr als ein Beitrag zum Brutto-Inland-Produkt, das ist ein wesentlicher Beitrag zu einer funktionierenden Gesellschaft.

Sie bieten Menschen Arbeit und Einkommen und dank Ihrem Engagement für Aus- und Weiterbildung offerieren Sie pro Jahr rund 500 jungen Menschen eine Berufs-Ausbildung und damit eine Zukunft mit ausgezeichneten Karrieremöglichkeiten. Leider geht es Ihnen wie in zahlreichen andern Branchen auch: Auch ihr Gewerbe hat mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen, vor allem im Kaderbereich. Auch Sie sind darauf angewiesen, Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren. Auch für Sie ist also die Personenfreizügigkeit von grosser Bedeutung. Tragen wir dazu Sorge.

Es ist leider Tatsache, dass der starke Franken für verschiedene Wirtschaftszweige eine echte Hypothek darstellt. Natürlich denkt man da in erster Linie an die Exportindustrie, die gerade in den letzten Tagen wiederum einen Rückgang kommuniziert hat. Ich denke auch an den Tourismus, die Hotellerie und das Gastgewerbe, wo in gewissen Segmenten starke Rückgänge verzeichnet werden mussten. Ich denke schliesslich an den grenznahen Detailhandel, der aufgrund unserer starken Währung Milliarden an die ausländische Konkurrenz verliert.

Und wenn ich Gastgewerbe und Detailhandel als Betroffene nenne, dann spreche ich zwei Branchen an, mit denen Sie ganz direkt verbunden sind. Wenn weniger Leute unser Land bereisen, wenn weniger Menschen sich in unseren Restaurants verköstigen und wenn weniger Kunden sich in unseren Metzgereien mit Qualitätsfleisch eindecken, dann spüren Sie dies ganz unmittelbar. Und wenn zunehmend mehr Leute unter dem Hag hindurchfressen und ennet der Grenze einkaufen, spüren Sie dies nochmals.

Dass Sie trotz dieser Milliarde Franken, die Ihren Unternehmungen im letzten Jahr entgangen sind, wie dies Ihr Präsident darlegte, positiv in die Zukunft schauen, ist alles andere als selbstverständlich und verdient allerhöchste Anerkennung. Die Reise geht vorwärts.

Die Frankenstärke dürfte uns noch einige Zeit beschäftigen. Möglicherweise mehr als uns lieb ist. Wenn die schwere Rezession, die uns die OECD für den südlichen Europaraum voraussagt, auch eintrifft, dann bleibt das nicht ohne Konsequenzen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass unsere Währung in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr unter Druck kommt. Denn wenn es derzeit einen sicheren Hafen für finanzielle Anlagen gibt, dann ist es sicher die Schweiz.

Ich bin aber überzeugt, dass unsere Nationalbank alles tun wird, um die Untergrenze von 1.20, die sie anfangs September des letzten Jahres eingezogen hat, weiter zu verteidigen. Sie wissen, Währungspolitik ist Sache der Nationalbank und die Nationalbank handelt unabhängig. Und das ist gut so. Stellen Sie sich das Gezänk vor, wenn die Politik den Frankenkurs festlegen wollte. Und dennoch: Untätig kann und darf die Politik nicht sein. Auch dann nicht, wenn im liberalen Staat die Marktteilnehmer Verantwortung übernehmen müssen und er, der Staat, nur subsidiär zum Zug kommen darf.

Aufgabe des Staates und damit der Politik ist es, die Leitplanken festzulegen, um damit für alle Marktteilnehmer langfristig die gleichen Bedingungen zu schaffen – also den gerechten Wettbewerb zu ermöglichen. Viele dieser Leitplanken werden jeweils zu Beginn der neuen Legislaturperiode den veränderten Anforderungen der Zeit angepasst. In meinem Departement sind das insbesondere auch die Landwirtschaftspolitik. Gerne benutze ich deshalb hier die Gelegenheit, einige Überlegungen zur Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zu machen.

Die Ziele des Bundesrates mit der AP14-17 sind klar:

Wir wollen die Bedingungen verbessern, dass unsere Landwirtschaft erfolgreich produzieren kann – und das langfristig. Das ist aber nur möglich, wenn die Landwirtschaft gut zu den Tieren schaut, also das Tierwohl fördert und gleichzeitige sorgsam mit der Umwelt umgeht. Wir müssen Sorge tragen müssen zum ländlichen Raum, der dank seiner Vielfältigkeit ausserordentlich attraktiv ist. Wir wollen für die Bauern und Bäuerinnen lebenswerte Bedingungen schaffen.

Eine nachhaltige Landwirtschaft ist eine wichtige Grundlage für das nachgelagerte Gewerbe, den Handel und die Lebensmittelindustrie. Eine nachhaltige Landwirtschaft kommt also ganz direkt auch Ihnen zugute. Nur so können sie längerfristig gesunde und qualitative hochstehende Produkte anbieten. Kurz: Ich will die Landwirtschaft und damit die Ernährungswirtschaft stärken.

Ich will die Voraussetzungen schaffen, damit sie in Umwelt- und Tierwohlbelangen ganz vorne dabei ist und damit sie wettbewerbsfähiger wird. Mit anderen Worten, ich will, dass sie ihre Produkte und Leistungen besser im Markt positioniert und diese noch effizient und qualitativ hochstehend produziert. Deshalb wollen wir unter anderem das heutige System der Direktzahlungen diesen neuen Anforderungen anpassen. Das heutige Direktzahlungssystem ist zu wenig auf gezielte Leistungen der Landwirtschaft ausgerichtet, wie dies die Bundesverfassung vorschreibt. Gerade im Tierhaltungssektor können wir beobachten, dass mit den Tierbeiträgen zu starke nicht marktgerechte Produktionsanreize

Wir schaffen dafür zusätzliche Anreize, dass die Landwirte insgesamt noch mehr sichtbare, nachgefragte Leistungen erbringen, kombiniert mit der Produktion sicherer, qualitativ hoch stehender Rohstoffe und Lebensmittel. Ihr Verband unterstützt insgesamt die Stossrichtung der AP14-17. Ich danke Ihnen dafür. Sie haben aber auch Vorbehalte angebracht. Sie wollen das System einfach halten, damit der administrative Aufwand verhältnismässig bleibt. Das ist auch mir ein wichtiges Anliegen.

Sie fordern, dass die Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt, wenn die Landwirtschaft spezifische Unterstützungen erhält. Auch hier haben wir keine Meinungsdifferenz, auch wenn ich weiss, dass die Realität manchmal anders aussieht.


Sie sind zwar FDP-Parteikollegen, aber beim Thema Fleischimportkontingent-Versteigerung haben sie das Heu nicht auf derselben Bühne. Von links: Bundesrat Johann Schneider-Ammann und alt-Ständerat Rolf Büttiker, SFF-Präsident.


Es gibt jedoch ein Thema, bei dem wir noch nicht einig sind. Sie fordern eine teilweise Rückkehr auf das alte System für die Verteilung der Zollkontingente für Fleisch, nämlich die sogenannte Inlandleistung. Der Bundesrat will beim geltenden Grundsatz der Versteigerung bleiben. Meine Vision ist aber keinesfalls der Status quo. Die richtige Perspektive ist für mich mehr Marktöffnung. Wir sollten jetzt gemeinsam konkrete Schritte in diese Richtung definieren und umsetzen. Es stimmt mich zuversichtlich, dass ein Vorschlag mit einer Teil-Marktöffnung bereits jetzt in die politische Diskussion eingebracht wird.

Sie wissen, meine politische Ambition ist es, dass alle Menschen in unserem Land unabhängig ihrer Bildungsfähigkeit eine Arbeit finden können. Ich will soweit als möglich verhindern, dass sich unser Land de-industrialisiert, das heisst, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Das gilt nicht nur für die eigentliche Industrie, das gilt auch für die Welt der kleineren und mittleren Unternehmen, die Welt der KMU. Und es gilt auch für die Land- und Ernährungswirtschaft. Mit den richtigen Massnahmen können wir dies erreichen.

Wir müssen erstens die Regelungsdichte in unserem Land noch entschiedener bekämpfen. Deshalb müssen wir noch viel genauer hinschauen, welche Auswirkungen gesetzliche Erlasse und Verordnungen auf die Wirtschaft haben, insbesondere auf die KMU. Nur ein schlanker Staat garantiert grösstmögliche Gestaltungs- und damit Arbeitsbeschaffungsfreiheit. Und Unternehmer, vor allem KMUler sollen in ihren Betrieben arbeiten können, statt Formulare ausfüllen zu müssen.

Zweitens müssen wir die Innovation fördern. Denn nur wenn wir in Sachen Innovation in der allerobersten Liga spielen, haben wir eine Chance, längerfristig im weltweiten Konkurrenzkampf erfolgreich zu sein. Und Innovation ist ganz und gar nicht etwas, das nur in die Industrie gehören würde. Es gibt auch erfolgreiche Unternehmer in der Landwirtschaft und im Gewerbe und zwar deshalb, weil sie nicht ruhen, sondern ständig weiter suchen, ihre Angebote zu verbessern. Also weil sie innovativ sind. Deshalb habe ich im kommenden Bildungsbudget den Betrag noch erhöht, den der Staat für die Innovationsförderung zur Verfügung stellen soll.

Die KTI, die Kommission für Technologie und Innovation hat dieses Jahr gut 130 Millionen Franken, um innovative Projekte zu unterstützen. Und das Potential ist vorhanden. Das hat uns die Sonderaktion im letzten Herbst gezeigt, als innert weniger Wochen Projekte in der Summe von rund 600 Millionen Franken eingereicht wurden. Nicht einfach irgendwelche Schnellschüsse, nein, der Grossteil der Projekte war nach eingehender Prüfung vielversprechend. Ich bin überzeugt, diese 130 Millionen sind gut angelegtes Geld. Denn damit generieren wir im optimalen Fall Aufträge und Arbeit für Hunderte von Millionen Franken.

Und drittens müssen wir alles tun, dass unsere eigene Jugend die besten Chancen hat, im weltweiten Kampf der Talente zu bestehen. Wenn wir bei einem Posten nicht sparen dürfen, dann ist es bei der Bildung. Und damit meine ich ausdrücklich Aus- und Weiterbildung. Die Bildung gehört zu den wenigen Rohstoffen unseres Landes. Sie ist mit Sicherheit die beste Grundlage für eine stabile Wirtschaft. Nie haben wir das so deutlich gesehen wie heute, wo in Ländern wie Spanien die Hälfte aller jungen Menschen ohne Arbeit auf der Strasse steht.

Wir können es unseren Vorvätern danken, dass sie das duale Berufsbildungssystem erfunden haben, das unseren jungen Menschen ermöglicht, ohne grosse Schwierigkeiten den Weg ins Arbeitsleben zu finden. Zu diesem System müssen wir Sorge tragen, dieses System müssen wir pflegen und weiterentwickeln.

Ich habe eingangs einen Satz ihrer Gründerväter zitiert. Sie sagen, dass es ein Leichtes ist, ein Ziel zu erreichen, wenn man gemeinsam daran arbeitet. Diese gemeinsame Arbeit am Projekt Schweiz ist mir ganz zentral. Das heisst nicht, dass man immer gleicher Meinung sein muss. Die besten Lösungen findet man nach guten, intensiven Diskussionen. Diese Diskussionen müssen wir aber so führen, dass kein Flurschaden zurück bleibt. Wir dürfen nicht das kultivieren, was uns trennt, sondern müssen das pflegen, was uns verbindet.

In drei Bereichen müssen wir dafür sorgen, dass das Gemeinsame stärker ist als das Trennende:

- Wir müssen die Sozialpartnerschaft pflegen, denn sie garantiert uns Arbeitsfrieden und Produktivität

- Wir müssen die Verbindung Finanzplatz/Werkplatz (und damit meine ich auch die Werkplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft) pflegen, denn nur gemeinsam ist die Wirtschaft wirklich stark.

- Und wir müssen drittens die Verbindung von Politik und Wirtschaft wieder stärken. Sonst schwächen wir unser System, das die Schweiz zu einem Erfolgsmodell gemacht hat.

Wenn wir unsere Beziehungen in diesem Sinne pflegen, werden wir die Zukunft gewinnen. Nun wünsche ich Ihnen persönlich und Ihren Unternehmungen allen Erfolg für die nächsten 125 Jahre. (Auszug aus der Rede von BR Johann Schneider-Ammann)

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