Food aktuell
Varia
14.6.2012
Ideen zur Entschärfung des Einkaufs-Tourismus


Der Einkaufstourismus trifft spätestens seit Beginn der Eurokrise etliche Schweizer Branchen. Die Ursachen sind schnell ausgemacht, Lösungen zu finden hingegen schwer. Bild: von Schweizern oft frequentiertes Shoppingcenter in Konstanz direkt an der Schweizer Grenze.


"Hätte man die Wechselkursgewinne früher an die Konsumenten weitergegeben, wäre der Einkaufstourismus womöglich etwas gebremst worden", so Franziska Troesch- Schnyder, Präsidentin des Konsumentenforums (kf). Das liessen die Vertreter von Coop und Migros an einer von Swisscofel organisierten Podiumsdiskussion zum Thema Einkaufstourismus nicht auf sich sitzen.

"Wir haben nicht verschlafen. 2009 und 2010 haben wir unseren Job gut gemacht, der Preisunterschied im Foodbereich liess sich durch Agrarschutz und Zölle erklären. Die heutige Situation ist mit wenigen Ausnahmen mit dem Wechselkurs zu begründen", so Sibyl Anwander, Leiterin Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit bei Coop. Es stecke viel Arbeit dahinter, über Preisnachlässe zu verhandeln und diese in verschiedenen Preisrunden an die Kunden weiterzugeben.

"Es ist nicht so, dass nichts getan wurde", sagte auch Thomas Schmid, Leiter Category Management Früchte und Gemüse bei der Migros. Der Preisüberwacher habe bestätigt, dass sämtliche Währungsgewinne weitergegeben wurden, ein "schöner Teil" der Preisabschläge sei auch in der eigenen Marge liegengeblieben.

Einigen ist die Qualität egal

Als Hauptursache für den Einkaufstourismus sieht Schmid eindeutig das unterschiedliche Preisniveau. Und wer im Ausland Fleisch kaufe, der nehme eben auch noch gleich die billigen Kartoffeln mit. "Es gibt gewisse Kundensegmente, die können wir über Qualität und Mehrwert nicht holen, die reagieren nur auf Preise", so Schmid weiter.

Dem pflichtete auch Ruedi Hadorn, Direktor des Schweizerischen Fleisch-Fachverbandes (SFF), bei: "Bei gewissen Kreisen spielen Themen wie Tierschutz oder Qualität offenbar keine Rolle mehr, wenn es um den Preis geht." Er befürchtet zudem mit Blick auf die wirtschaftlichen Probleme im Ausland, dass sich an der Währungssituation so schnell nichts ändern wird.

"Vielleicht ein Kommunikationsproblem"

Franziska Troesch-Schnyder sprach auch die geografische Lage der Schweiz an, die grossen Einfluss auf den Einkauf im Ausland habe. Sie gab zu bedenken, dass 70 Prozent aller Schweizer innerhalb von einer Stunde im Ausland seien. Ihrer Meinung nach ist den Konsumenten oft auch nicht bewusst, wie stark in der Schweiz die Preise zuletzt gesunken sind.

"Es kommt mir so vor, als ob das bei den Konsumenten nicht ankommt, das ist vielleicht auch ein Kommunikationsproblem", so Troesch-Schnyder. "Wenn es ankommen würde, dann würden nicht so viele im Ausland kaufen", gab sich Troesch-Schnyder überzeugt. Ihr sei wichtig, dass auch das Konsumentenforum dazu beitragen könne, dass vermehrt in der Schweiz eingekauft werde, um das Wohlstandsland Schweiz wieder zu unterstützen.

Verbote und Strafen sinnlos

Die Schweizer Bevölkerung kaufte 2011 für rund 5 Milliarden Franken im Ausland ein. 2009 lag der Wert des Einkaufs ausserhalb der Schweiz gemäss einer Studie des Detailhändlers Coop erst bei 1,8 Milliarden Franken. Auslöser für den momentanen Boom ist hauptsächlich der tiefe Euro. Rund 3 Milliarden der Einkäufe entfielen gemäss Schätzungen auf die Lebensmittel.



In der Schaffhauser Bäckerei Mischler in Ramsen direkt an der Grenze zu Deutschland


Einig war man sich auf dem Podium, dass Strafmassnahmen oder Verbote nichts bringen. "Boykottaufrufe oder Strafzettelaktionen sind sicher nicht die Lösung", meinte Bruno Pezzatti, Nationalrat und Direktor des Schweizer Obstverbandes. Er setzt eher auf die Belohnung von Kunden, die in grenznahen Gebieten nach wie vor in der Schweiz einkaufen. Auch Ruedi Hadorn betonte, dass Verbote nichts bringen. Wichtig sei die Sensibilisierung der Kunden. Aber auch die Betriebe seien gefragt, etwas für die Kundenbindung zu tun, etwa durch guten Service.

Thomas Schmid ist überzeugt, dass das Preisniveau weiter sinken muss. "Sonst verlieren wir weiter Marktanteile." Und keine Branche oder Volkswirtschaft könne sich erlauben, auf lange Sicht so stark Marktanteile zu verlieren. Bruno Pezzatti warnte aber davor, die Produzenten zu stark unter Preisdruck zu setzen. "Auf Seite Produzenten ist die Zitrone ausgepresst. Es bringt nichts, wenn die Preise so tief sind, dass keine Investitionen mehr vorgenommen werden." (Text: LID / Jonas Ingold)

Copyright http://www.foodaktuell.ch