Food aktuell
Varia
3.7.2012
Studium der Molekularküche am Start


Molekularkoch Rolf Caviezel als Kursleiter am Forum Culinaire von Haco


Auch das Forum Culinaire der Haco befasst sich mit der Molekularküche nebst mehreren Kursen soezialisierter Anbieter. Was heisst molekular? Eigentlich ist jede Küche molekular, denn alle Vorgänge in Töpfen oder Öfen beinhalten biochemischen Reaktionen zwischen Molekülen. Alle Lebensmittel bestehen aus Molekülen. Kochen, Backen, Räuchern, Reifen etc sind Prozesse, welche die Lebensmittelchemiker und Verfahrensingenieure gut erforscht und viele Bücher darüber geschrieben haben. Trendig ist aber die Nutzung dieser Effekte für neuartige Texturen oder Dekors und zu Showzwecken beim Frontcooking.

Die molekulare Kunst ist bis jetzt vor allem ein wirkungsvolles Marketinginstrument, aber die Molekularköche wollen nun auf einer höheren Stufe aktiv werden und die molekularen Grundlagen auch Köchen, Bäckern und Metzgern bzw Nicht-Chemikern erschliessen, damit diese ihre Produkte gezielt verbessern oder neuartige entwickeln können. Ein Projekt, das schon im Jahr 2004 die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Zusammenarbeit mit dem Kochverband unter dem Titel «Bromatik – Systemkochen mit physikalischem und chemischem Wissen» lancierte.

Und Show-Effekte gab es schon früher, man denke ans Flambieren. Aber die Molekularköche entdecken Methoden, Geräte und Zusatzstoffe, die bisher nur Chemielaboranten in Forschungslabors benutzen. Bild: Rotationsverdampfer der Firma Büchi.

Zusatzstoffe wie extravagante Geliermittel stehen allerdings im Gegensatz zum Cleanlabel-Megatrend der gesamten Lebensmittelbranche, d.h. E-Nummern zu vermeiden. Nachdem die Gastronomie die Conveniencehersteller lange kritisiert hatte für die Verwendung von Zusatzstoffen, entdecken die Molekularköche jetzt selbst deren Nutzen. Aber der Offenverkauf hat den Vorteil, dass man Zusatzstoffe nicht schriftlich sondern nur auf Anfrage mündlich deklarieren muss.

Köche verwenden normalerweise keine reinen Zusatzstoffe abgesehen von den chinesischen, die den Geschmacksverstärker Glutamat in reiner Form einsetzen. Anders Bäcker, Konditoren und Confiseure, für welche Geliermittel, Farb- und Konservierungsstoffe etc. alltäglich sind.

Ein weiterer Gegensatz der zusatzstoff-verliebten Molekularküche zur normalen Frischküche ist der Gourmetaspekt: Zusatzstoffe sind in der Gourmetküche unnötig oder sogar kontraproduktiv (jedenfalls zumindest imagemässig). Anders in der Konditorei und der Confiserie, wo man Stabilisierungsprobleme lösen muss und haltbare Produkte herstellt, die nicht à la minute verzehrt werden. Ebenso in der Metzgerei, wo man Pökelstoff für die Lebensmittelsicherheit und als Konservierungsmittel einsetzt. Ob man aber die aromatisierten Schäume oder das Exposionspulver der Molekularküche als gourmet-tauglich betrachtet, ist eine Ermessensfrage.

Der flüssige Stickstoff zum Schockfrosten hat wohl den grössten Showeffekt des molekularen Instrumentariums. Die A la minute-Glaceproduktion am Dessertbuffet erntet Neugier und Beifall der Gäste. Abgesehen von der Unfallgefahr ist das flüssige Gas als Hauptbestandteil der Luft kaum bedenklich. Sogar Kühl-Camions werden heute damit ausgerüstet. Verzehrt wird Stickstoff ja nicht sondern nur als Kälteträger genutzt.

Auch wenn die Effekthascherei als Marketingwirkung nützlich ist, wollen sich die Molekularköche davon zurückziehen und das Lebensmittelchemie-Wissen in den Vordergrund stellen. Mehrere Köche und Wissenschafter sowie die Hotel & Gastro Union gründeten daher kürzlich die Stiftung «molecuisine.ch» und verfolgen zwei Ziele damit: 1. den Aufbau eines internationalen Kompetenznetzwerks in CH, D, AT und FL (deutschsprachig) zur Förderung der Innovation im Bereich Gastronomie-Wissenschaft. Und 2. Erwerb und Weitergabe des Wissens. Dies in Form eines Lehrgangs «Wissenschaft in der Küche». (Chefredaktor Guido Böhler)


Von links: Moderator Waldemar Schön. Rolf Caviezel, Molekularkoch, Restaurant Station 1 und freestylecooking GmbH, Grenchen. Prof. Dr. André Bernard, Leiter des Institutes Mikro- und Nanotechnologie, NTB Buchs. Marketingexperte Stefan Fahr, Ing. ETH, lic. oec. publ., Management und Wirtschaftsberatung, Eggersriet



Kurstipp:
Wissenschaft in der Küche verstehen und anwenden

Der berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengang zeigt den Kochprofis in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern die faszinierende Verschmelzung zwischen Kochkunst, Technik und Wissenschaft auf. Für die Zubereitung und für den Genuss von Speisen und Getränken werden den Teilnehmenden biochemische, physikalische und chemische Prozesse verständlich gemacht und die Handhabung spezieller Geräte gezeigt.

Dies führt im Betrieb zu einer innovativeren Küche, zu einem Angebot von gesunden, natürlichen und ehrlichen Produkten, was vom Gast mit einem besseren Preis honoriert wird und zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Steigerung der Wertschöpfung des Betriebes führt. Zudem können die Teilnehmenden von einem interdisziplinären und internationalen Kompetenznetzwerk profitieren.

Diese Weiterbildugsmodule richten sich an engagierte Leute aus der Gastronomie und Lebensmittelbranche, sowie auch an Personen, die Innovation und Kochkunst verschmelzen möchten. Referenten sind Persönlichkeiten aus Gastronomie und Wissenschaft bilden das Kompetenzzentrum Molekulare Küche: Rolf Caviezel, Sven Binnemann, Christoph Bieniossek, Helmut Jungwirth, Jacqueline Qvortrup, Thomas A. Vilgis, Patrick Zbinden, Horst Adelmann, Erich Windhab, Stefan Fahr, André Bernard.

Module des Weiterbildungskurses

Grundmodul
Aufzeigen der Trends im Bereich Food
Einführung in die chemische Zusammensetzung der Lebensmittel
Theorie, wissenschaftliche Erläuterungen mit Experimentierphase im Bereich der Texturen und Farben
Vermittlung einer Geräteübersicht/Verwendung spezieller Geräte und deren Handhabung
Wissensvermittlung zu den Themen Hygiene und Sauberkeit, Rechts- und Deklarationsvorschriften.

Vertiefungsmodul 1
Wissenschaftliche Erläuterungen mit Experimentierphase zu den Themen Aromen und Sensorik
Philosophie der Molekularen Küche unter betriebswirtschaftlichen Aspekten und Umsetzung im eigenen Betrieb.

Vertiefungsmodul 2
Theorie, Sicherheitsaspekte mit Experimentierphase zum Thema: Flüssigstickstoff und Trockeneis
Theorie mit Experimentierphase zu den Themen Sous-Vide und Niedergaren
Theorie mit Rollenspielen: Schulung des ganzen Personals und speziell des Verkaufspersonals
Vermittlung von Bezugsquellen Table-Top.

Kurszeiten und Kursorte
Die Kurse finden jeweils am Montagabend von 16:00 bis 21:45 Uhr und Dienstag von 9:00 bis 16:00 Uhr statt. Dies unterstützt auch die Berufssituation von Köchen. Die 1. Durchführung findet von Juni bis November 2012 statt.

Kurskosten:
Grundmodul: 6 Kurstage 2400 CHF
Vertiefungsmodul 1: 8 Kurstage 3200 CHF
Vertiefungsmodul 2: 4 Kurstage 1600 CHF
www.molecuisine.ch/

Weiterlesen:
Haco-Kurs: Molekularküche mit neuen Texturen
Forum der Köche 2011: Highlights im Rückblick

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