Food aktuell
Varia
22.8.2012
Erster Migros-Biosupermarkt startet



Jörg Blunschi (l.) und Götz Rehn vor dem Alnatura-Markt in Zürich-Höngg: "Wir werden Schweizer Qualität nach Deutschland exportieren".


Am 30. August wird in Zürich Höngg der erste Alnatura-Migros Bio-Supermarkt eröffnet. Es handelt sich dabei um ein Partnerprojekt von Alnatura Deutschland und der Migros Zürich, die den Laden betreibt. Das Alnatura-Konzept wurde auf Schweizer Verhältnisse angepasst. Das Sortiment mit 5'000 Bioprodukten besteht aus Migros-Bio-Artikeln, Alnatura-Eigenmarken und weiteren Biomarkenartikeln, darunter viele Naturkosmetik-Artikel.

Alnatura betreibt in Deutschland 70 Biosupermärkte und erzielte im letzten Jahr einen Umsatz von umgerechnet 560 Millionen Franken und wuchs um 16 Prozent. Die Migros will mit den reinen Biomärkten Marktanteile dazugewinnen. Letztes Jahr erzielte Migros mit Bioprodukten einen Umsatz von 435 Mio. Franken, Branchenleader Coop 678 Mio. Franken.

Bauern aus der Region sollen beim neuen Ladenkonzept eine wichtige Rolle spielen. Und die Preise sollen für alle fair sein. Was das heisst, sagen Alnatura-Geschäftsführer Götz Rehn und Migros Zürich-Geschäftsleiter Jörg Blunschi im Interview.

LID: Der Biofachhandel macht in der Schweiz schwere Zeiten durch. Ein Traditionshaus wie Vatter in Bern musste gar schliessen. Weshalb sollen die Alnatura-Migros Bio-Supermärkte mehr Erfolg haben?

Jörg Blunschi: Die Alnatura-Migros Bio-Supermärkte ermöglichen erstmals das One-Stop-Shopping. Das heisst: Die Konsumenten können dort ihren Gesamteinkauf tätigen und sicher sein, dass alles Bio ist. Darin sehe ich den wesentlichen Unterschied zu den traditionellen Biogeschäften. Ein Vorteil könnte auch sein, dass Alnatura in der Schweiz schon einen recht hohen Bekanntheitsgrad hat.

Götz Rehn: Wir orientieren uns sehr stark an den Verbrauchern. Und diese haben ein grosses Interesse an einem Fachgeschäft mit einem breiten und seriösen Biosortiment zu fairen Preisen.

Was meinen Sie mit fairen Preisen?

Götz Rehn: Zuerst heisst das: Fair für die Bauern. Und da ist die Schweiz ja ein Vorbild, weil sie sich wirklich darum kümmert, dass die Bauern existieren können. Natürlich können wir den biologischen Landbau nur weiterentwickeln, wenn entsprechende Preise gezahlt werden. Bei dem was dazwischen liegt - gerade im Handel - bemühen wir uns dann, sehr sparsam zu sein, um damit wiederum fair gegenüber dem Kunden zu sein.

In den Alnatura-Geschäften in Deutschland fallen einem Schweizer aber vor allem die im Vergleich viel tieferen Preise auf. Ich kenne einen Biobauer, dem signalisiert wurde, dass sich das Preisniveau in den nächsten Jahren dem der konventionellen Landwirtschaft angleichen soll. Steigt nun der Druck auf die Schweizer Biobauern?

Götz Rehn: Der biologische Landbau kann nicht identisch sein mit der Agrarindustrie. Die Preise können also gar nicht gleich sein. Ich weiss nicht, wer so eine Aussage macht. Sie können nicht aus einem Kunstfaserhemd ein Baumwollhemd machen. Bei einem Brot kommt es drauf an, welches Getreide Sie verwenden, wie es vermahlen, und letztlich wie es gebacken wird. Nehmen Sie ein Roggenbrot mit Mehl aus Demeter-Anbau, das in einer Osttiroler Getreidemühle zwischen Steinen gemahlen wird – das ist die bestmögliche Qualität. Es geht doch darum, differenzierte Produkte anzubieten.

Jörg Blunschi: Wir müssen es schaffen, den Konsumenten den Wert der Produkte klarzumachen. Es gibt tatsächlich Leute, die sagen, dass Bio möglichst günstig sein muss, damit der Absatz steigt. Natürlich ist das aber ein falscher Ansatz. Vielmehr müssen wir den Konsumenten doch aufzeigen, was dahinter steckt.

Götz Rehn: Durch die Preise haben wir einen anonymisierenden Vorhang. Die Arbeitsteilung bringt uns zum einen Freiheit, zum anderen geht aber die Transparenz verloren. Früher wohnte man zusammen an einem Ort, alle kannten sich. Da hätten Sie als Metzger, ich als Schneider und er als Bauer nie gewagt, dem anderen irgendeinen Unsinn anzubieten. Das hätte gar nicht funktioniert. Heute ist dazwischen der Vorhang, der Preis steht drauf.

Im Alnatura-Migros Bio-Supermarkt werden im Winter Biotomaten aus dem Ausland zum Angebot gehören, wie das heute in der Branche mittlerweile üblich ist. Widerspricht das nicht den Grundideen des biologischen Landbaus?

Götz Rehn: Wir können unsere Kunden nicht erziehen und wir wollen deren Erwartungen natürlich erfüllen. Für mich steht aber sowieso die CO2-Problematik im Vordergrund. Der biologische Landbau kann viel mehr CO2 binden als die Agrarindustrie. Bringen wir hier eine Verschiebung hin, ist das gelebte Nachhaltigkeit. Und dann finde ich das akzeptabel, wenn ich im Winter eine Tomate aus dem Gewächshaus habe und nicht aus dem Freiland.

Schweizer Biotomaten kommen aber auch im Sommer aus dem Gewächshaus.

Götz Rehn: Ja? Aber das können wir doch ändern. Im Süden der Schweiz ist es doch genug warm. Ich habe nichts gegen Gewächshaus-Tomaten aber die italienischen Freilandtomaten in unseren Saucen schmecken einfach besser. Wenn Sie eine bessere Sauce finden auf der Welt, sagen Sie es mir.

Diese Alnatura-Tomatensauce kostet in Deutschland 1.45 Euro. Wie teuer wird sie im Pilot-Laden in Höngg sein?

Götz Rehn: Sicher teurer. Die Gehälter der Angestellten in der Schweiz und das ganze Kostenumfeld sind ja ganz anders.

Jörg Blunschi: Sie dürfen vor allem die exorbitanten Mietpreise für die Ladenflächen in der Schweiz nicht vergessen. Wir setzen deshalb stark auf eine effiziente Filiallogistik und arbeiten mit Partnern wie beispielsweise dem Biogrossisten biopartner in Seon zusammen. Trotzdem werden die Preise natürlich anders sein als bei Alnatura in Deutschland.

Mit dem neuen Laden-Format wollen Sie bei Migros den Anteil des Umsatzes mit Bioprodukten steigern. Inwiefern rechnen Sie hier mit den Schweizer Biobauern?

Jörg Blunschi: Ohne sie wird es nicht gehen. Vor allem auch deshalb, weil in unseren Märkten der Fokus auf die Frische gelegt wird. Im Unterschied zu Deutschland übrigens sogar mit einem Bereich Sofortverzehr mit Sandwiches, Säften und Suppen.


Götz Rehn: Wir arbeiten bereits beim Geschäft in Höngg mit regionalen Bauern zusammen. Wäre der Laden in Bern, würden wir zuerst dort Partner suchen. Natürlich wollen wir weitere Bauern dazugewinnen. Zudem möchten wir künftig Alnatura-Produkte aus Schweizer Rohstoffen herstellen. Wir wollen in der Schweiz wirklich heimisch werden. Bereits bei der Eröffnung wird es erste solche Produkte unter dem Alnatura Marke geben. Wir haben extra ein neues Logo kreiert, das auf die Schweizer Herkunft hinweist. Und wir werden übrigens Schweizer Qualität nach Deutschland exportieren.

An welche Produkte denken Sie?

Götz Rehn: Da möchte ich noch etwas vorsichtig sein mit Äusserungen. Es wäre aber naheliegend, mit Molkereiprodukten zu starten.

Wie wollen Sie erreichen, dass mehr Schweizer Biobauern für Sie arbeiten?

Götz Rehn: Es ist nicht das Ziel, möglichst schnell, möglichst viele Bioprodukte – egal woher – im Regal zu haben. Es geht grundsätzlich darum, alles bis zum Ursprung zu organisieren und langfristig bestehende Netzwerke zu gestalten. Bei Alnatura reichen diese in die ganze Welt bis zu Teebauern in Indien. In der Schweiz könnte das ähnlich ablaufen wie in Deutschland, wo wir vor einigen Jahren eine Alnatura-Initiative für mehr Biobauern starteten. Wir stellten erhebliche Summen zur Verfügung für Beratung und Information, um konventionelle Landwirte zum Umstieg zu motivieren. Herr Blunschi und ich werden uns sicher viele Gedanken darüber machen, wie wir die Expansion auch von der Rohstoffseite her – gerade in der Schweiz – entwickeln können.

Läuft der Einkauf für den Alnatura-Migros Bio-Supermarkt in Höngg über die bestehenden Strukturen der Migros Zürich?

Jörg Blunschi: Wir nutzen bestehende Einkaufsstrukturen und ergänzen diese mit speziellen Einkäufern, die das nötige Herzblut für Bio haben.

Wird das Bio-Angebot in den Filialen von Migros Zürich durch das neue Ladenformat nicht kannibalisiert?

Jörg Blunschi: Ganz können wir das wohl nicht verhindern. Doch ich bin überzeugt, dass es immer mehr Leute gibt, denen der bisherige Bio-Anteil beim Grossverteiler nicht mehr ausreicht. Diese wollen wir mit dem Alnatura-Migros-Konzept abholen. Zudem glaube ich daran, dass wir eine neue Kundschaft ansprechen werden und der Biokonsum generell zunehmen wird. (Interview und Bilder: LID / David Eppenberger)

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