Food aktuell
Varia
7.11.2012
Botanicals als Nahrungs-Ergänzung sind riskant


„Botanicals“ sind für Gesunde zwar ungefährlich, aber nutzlos.


Botanicals sind der letzte Schrei auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel. Es handelt sich um hochkonzentrierte Stoffe z.B. aus Soja, Artischocke oder Broccoli. Die Werbung verspricht positive Eigenschaften dank der so genannten sekundären Pflanzenstoffe in Obst und Gemüse.

Wie bei Vitaminen werden Botanicals in isolierter Form als Pille, Pulver oder Brausetabletten angeboten. Allerdings: sie können der Gesundheit schaden und ihr Nutzen ist fraglich. Bei Personen, die auf Medikamente angewiesen sind, können riskante Wechselwirkungen auftreten, wenn sie zuviel Botanicals konsumieren.

Ein Beispiel: In der Fachliteratur sind eine Reihe schwerer, z.T. tödlicher Fälle dokumentiert, die auf die Wechselwirkung von Medikamenten mit Grapefruit zurückgehen. Schon ein Viertel Liter Grapefruitsaft am Tag kann riskant sein, weil ein Inhaltsstoff der Frucht die Wirkung etlicher Medikamente verfälscht. Ungefähr jedes dritte Arzneimittel ist betroffen, in der Regel handelt es sich um eine Verstärkung der Wirkungen. Medikamente aller Klassen können beeinträchtigt werden, so etwa Herz-Kreislauf-Mittel, Antibiotika, Cholesterinsenker und Viagra.

Ist Grapefruit eine Ausnahme? Gemäss dem Max-Rubner-Institut in Karlsruhe gibt es eine Reihe von Hinweisen auf verschiedenste Pflanzenstoffe, Glukosinolate oder auch Flavonoide, die mit Enzymsystemen wechselwirken, die für die Verstoffwechslung von Arzneimitteln von Bedeutung sind. Trotzdem kommen immer mehr isolierte Pflanzenstoffe in Pillenform auf den Markt und werden als Gesundmacher vermarktet. Rechtlich gelten die „Botanicals“ als Lebensmittel. Auf Nutzen und Nebenwirkungen werden sie nicht getestet.

Aber: Es macht keinen Sinn, sekundäre Pflanzenstoffe in isolierter Form zu sich zu nehmen. Der Nutzen ist in der Regel nicht bewiesen. Ausserdem ist die Gefahr der Überdosierung gross. Und Einzelstoffe wirken oft gar nicht sondern nur in der komplexen Vielfalt mit andern im Lebensmittel. (SWR)

Grapefruit und Zitrusfrüchte hemmen Leberenzym

Forscher entdeckten, dass so genannte Furanocumarine in Grapefruits die fatale Wirkungen auslösen. Diese Stoffe werden im Darm aufgenommen und zerstören wichtige Enzyme, die dann für den Abbau von Medikamenten fehlen. Dazu der Pharmakologe Prof. Uwe Fuhr: „Wenn Sie jetzt Arzneimittel einnehmen, dann wird normalerweise ein Teil des Arzneistoffes durch diese Enzyme bereits abgebaut. Dieser Abbau entfällt, und deswegen haben Sie im Blut später höhere Konzentrationen der Wirkstoffe.“ Eine Überdosis der Medikamente kreist im Blut, kann nicht abgebaut werden und führt zu teilweise dramatischen Nebenwirkungen.

Bekannt war früher lediglich, dass Grapefruits auf Blutdruckmedikamente störend wirken. Der Pharmakologe David Bailey von der University of Western Ontario Bailey hatte Untersuchungen dazu bereits vor 20 Jahren gemacht. Nun hat der Forscher einen neuen Mechanismus entdeckt, der noch weitere Details zu Tage brachte: der Saft der Grapefruits reduzierte auch die Wirksamkeit des Antihistamins Fexofenadin. Nur die Hälfte des Wirkstoffs des Präparats gelangte nach einer Einnahme mit einem Glas Fruchtsaft ins Blut.

Die Forscher glauben, dass ein Stoff namens Naringin, der den Früchten den bitteren Geschmack verleiht, den Transportmechanismus vom Dünndarm ins Blut blockiert. Insgesamt konnte das Forscherteam mehrere Substanzgruppen finden, bei denen der Fruchtsaft auch zu Problemen geführt hatte: Das Krebsmittel Etoposid, verschiedene Betablocker zur Blutdrucksenkung, das Immunsuppressivum Cyclosporin sowie einige Antibiotika.

"Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs", meint Bailey, der davon ausgeht, dass es noch mehr Präparate gibt, die durch den Fruchtsaft beeinflusst werden. "Das grosse Problem dabei ist die Tatsache, dass die Medikamente eigentlich bei schweren körperlichen Leiden eingesetzt werden und ihre Wirksamkeit verlieren."

Bailey und sein Forscherteam geht nun davon aus, dass auch bei Orangen- und Apfelsaft ähnliche Probleme auftreten könnten. Bei Orangen ist es das Hesperidin, das eine Aufnahme der Medikamente verhindert. Bei Äpfeln ist der genauere chemische Ablauf und die verantwortliche Substanz noch nicht geklärt. Der Wissenschaftler rät jedenfalls dazu, bis zur weiteren Aufklärung Medikamente mit Wasser einzunehmen.

"Es ist bekannt, dass die Furucumarine, die in allen möglichen Obstsorten enthalten sind, bestimmte Enzyme in der Darmwand hemmen und damit gewisse Substanzen vom Körper nicht oder nur in geringem Mass aufgenommen werden können," meint der Leiter des Instituts für Pharmakologie der Universität Wien, Michael Freissmuth. Dazu müsse man allerdings grössere Mengen eines Grapefruitsaft-Konzentrats zu sich nehmen (bzw eben als Botanicals). "Die üblicherweise getrunkenen Mengen reichen nicht aus", meint der Experte. (US Chemical Society http://www.acs.org)

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