Food aktuell
Varia
7.2.2013
Milchmarkt: Schweiz im Vergleich zum Ausland



In vielen Ländern von Indien über Griechenland bis Ecuador wird Käse vor allem als Frischkäse konsumiert – günstig in der Herstellung und akzeptabel in der Lagerfähigkeit.


Die Nachfrage nach Milchprodukten wächst – vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Angesichts der dort herrschenden Kaufkraft sind günstige bis billige Milchprodukte besonders gefragt. Weil diese aber nur wenige Länder der Welt liefern können, werden auch teurere Milchprodukte künftig vermehrt Abnehmer finden. Neben einem massiven Ausbau von Verarbeitungskapazitäten finden überall auf der Welt Fusionen und Übernahmen unter den Milchverarbeitern statt. Die Milchindustrie bringt sich in Stellung, der Kampf um Marktanteile hat begonnen. Und bereits ist klar, dass es nicht nur Gewinner geben wird.

Dass das grösste Nachfragewachstum nicht in jenen Segmenten erwartet wird, wo die Schweizer stark sind, nämlich beim Käse, sondern vor allem dort, wo die Schweizer eher schwach sind, bei der Molke, scheint die Schweizer Milchverarbeiter nicht zu beunruhigen.

Emmi setzt auf Schweiz plus neue Märkte

Auch der grösste Schweizer Milchverarbeiter, die Emmi AG, geht davon aus, dass das Nachfragewachstum vorab in Schwellenländern stattfindet und dort durch das generelle Bevölkerungswachstum und die Steigerung des durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsums von Milchprodukten getrieben wird. Dass in Schwellenländern zuerst der Milchkonsum, dann der Joghurtkonsum und erst an dritter Stelle der Käsekonsum steigt, ist Emmi bekannt.

Welche Folgen diese Entwicklung für Emmi konkret hat, bleibt offen: "Die aufgezeigten Prognosen sind zu vage, als dass wir uns auf konkrete Aussagen zu Nachfragemengen, Chancen und Risiken sowie Preisentwicklungen einlassen", teilt Esther Gerster von der Konzernkommunikation mit, "es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das internationale Milchpreisniveau tendenziell steigen wird. Die bis anhin tiefen Produktionskosten in Schwellenländern werden infolge der wirtschaftlichen Entwicklung steigen, zum Beispiel wegen der steigenden Löhne. Das kann die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Milchwirtschaft verbessern."

Vor allzu übertriebenen Erwartungen wird jedoch gewarnt: "Aufgrund der immer stärkeren Abhängigkeit des Schweizer Milchmarktes von den internationalen Entwicklungen wird aber auch die Volatilität zunehmen, das heisst es wird grössere und raschere Schwankungen nach oben und unten geben."

Die Schweiz soll auch weiterhin Emmis wichtigster Markt bleiben, im Ausland legt das Unternehmen den Hauptfokus weiterhin auf Europa und Nordamerika. Seit einigen Jahren ist Emmi aber auch in Asien aktiv, vor allem mit Milch und Joghurt. In Hongkong hat sich Emmi bereits zur Nummer drei beim Joghurt hochgearbeitet, in Singapur führen die meisten Vier-und Fünfstern-Hotels Emmi-Joghurts und in den Singapur, Cathay Pacific und Emirates Airlines werden diese ebenfalls serviert.

Seit einem Jahr liefert Emmi UHT-Milch nach China; punktuell ist Emmi auch in Vietnam, Indonesien und Malaysia vertreten. Vor kurzem hat der Schweizer Konzern über die Beteiligung an der spanischen Kaiku mit Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent begonnen (Tunesien) und seine Präsenz in Südamerika verstärkt (Chile).

Hochdorf: Dorthin liefern, wo die Babys sind

Die Hochdorf-Gruppe fokussiert ihre Exportanstrengungen auf die stark wachsenden Regionen China/Asien, Südamerika und Nordafrika. Vor allem in der steigenden Nachfrage nach hochwertiger Babynahrung sieht der spezialisierte Milchverarbeiter grosse Marktchancen. Erst kürzlich wurden drei neue Kunden in Asien/China und zwei in Lateinamerika gewonnen. Die prognostizierten Liefermengen über mehrere Tausend Tonnen Babynahrung für China und Lateinamerika sollen aber erst den Anfang darstellen. Ein weiterer Ausbau ist geplant - auch im Bereich medizinischer Ernährung.

Dass die europäische Konkurrenz auf diesen Märkten nicht schläft, macht Hochdorfs Mediensprecher Christoph Hug keine Angst: "Wir positionieren uns dabei ganz klar als Nischenanbieter im Hochpreissegment." Das gilt auch für den wachsenden Markt mit Milchbestandteilen, sogenannten Ingredienzien, die Hochdorf mit einer Anlage zur Nanofiltration nicht nur aus Milch, sondern auch aus Molke herstellt.

Die Hochdorf-Gruppe unterhält heute zwei Produktionsstandorte in der Schweiz und einen in Litauen. Eine Produktionsstätte in Asien kommt dagegen nicht in Frage, weil damit der Wettbewerbsvorteil verspielt würde: Nur als Schweizer Produkt kann mit den Argumenten Sicherheit und Qualität geworben werden, meint Hug. Weil es für Babynahrung aber nur 15 bis 30% Frischmilch benötigt, werden diese künftigen Exporte nicht zu einem bedeutend höheren Milchbedarf führen.

Etwas anders präsentiert sich die Situation im Bereich Milchderivate. Der Geschäftsführer der Hochdorf Swiss Milk AG, Werner Schweizer, hat sich dazu bereits am Hochdorf Symposium geäussert: "Wir sind als Milchpulverhersteller auf eine relativ hohe und auf den Export ausgerichtete Milchproduktion angewiesen. Darum ist es wichtig für uns, dass genügend Schweizer Milchproduzenten daran glauben, dass sie in Zukunft fähig sein werden, auch für einen internationalen Markt Milch zu produzieren." Ob das der Fall ist, wir nicht zuletzt von den Milchpreisen und der Politik abhängen.

Cremo setzt auf funktionelle Inhaltsstoffe

Erfahrung im weltweiten Exportgeschäft hat auch die Cremo SA. Weil Milchprodukte als hochwertige Nahrungsmittel gelten, geht Cremo-Generalsekretär Michel Pellaux davon aus, dass diese umso stärker nachgefragt werden, je wirtschaftlich besser es den Menschen in anderen Ländern geht.

Die grössten Wachstumschancen ortet Pellaux beim Export von Milchinhaltsstoffen, den Ingredienzien: "Cremo ist heute schon stark im Proteinbereich. Wir exportieren, zusammen mit unserem französischen Partner, Proteinpulver in die ganze Welt." Beim Käse schätzt Pellaux die Nachfragesteigerung geringer ein: "In vielen Wachstumsländern hat der Käsekonsum keine Tradition."

Etwa 90% der Chinesen leiden an Lactoseintoleranz. Weltweit sind zwei Drittel der Weltbevölkerung - allen voran Afrikaner, Inder und Chinesen - von mangelhafter Laktoseverwertung betroffen. Der Grund ist genetisch: Milchzucker der Nahrung kann wegen fehlendem Verdauungsenzym Laktase nicht abgebaut werden. Die Folgen sind Blähungen, Durchfall oder Erbrechen.



Japaner vertragen Käsefondue – die meisten gereiften Käsesorten enthalten keine Lactose.


Das wird sich auf das Nachfragewachstum auswirken. Dass sich Schweizer Produkte neben Konkurrenten wie Fonterra und Co. behaupten können, liegt Pellauxs Meinung nach am hervorragenden Image: "Bei gleichem Preis werden Schweizer Produkte immer bevorzugt."

Convenience bei Züger Frischkäse

Bei der Züger Frischkäse AG geht man zwar ebenfalls davon aus, dass die Nachfrage nach Milchprodukten wachsen wird – aber auch davon, dass diese Nachfrage vor allem aus Ozeanien und Südamerika, eventuell auch aus Europa, kaum jedoch aus der Schweiz befriedigt wird. Dass es einen Kampf um Marktanteile geben wird, ist für Christoph Züger nichts Neues: "Das war schon immer so." Züger rechnet damit, dass der Preisdruck zunimmt – auch auf die Schweizer Milchverarbeiter, weil sich diese in einem teuren Schweizer Umfeld bewegen.

Im internationalen Wettbewerb nimmt Züger eine gewisse Benachteiligung der Schweiz wahr, z.B. wenn es um Freihandelsabkommen mit Südkorea geht, bei denen die USA und die EU wesentlich bessere Konditionen ausgehandelt haben. Züger: "Hier spüren wir die kleine Schweiz, die nicht die Kraft hat, das Schweizer Freihandelsabkommen mit Südkorea nachzuverhandeln." Das hat für Züger Konsequenzen: "Wir werden grössere Mengen nach Südkorea verlieren."



Lactosefreie Milchprodukte sind im Trend so wie viele andere allergenfreie Produkte.


Züger Frischkäse setzt künftig vermehrt auf Spezialitäten wie Convenience (Grill- & Bratkäse) und auf Produkte mit technologischem Vorsprung (z.B. schockgefrorene Mozzarella-Scheiben, laktosefreie Milchprodukte und Bioprodukte) sowie weiterhin auf Exporte in die EU, weil diese im 2012 stark gewachsen sind.

Weltweite Konzentration auf wenige Verarbeiter

In einem Viertel der 170 Länder, die beim International Farm Comparison Network (IFCN) mitmachen, werden 80% und mehr der Milch von den jeweils drei grössten Milchverarbeitern im Land verarbeitet. Auch weltweit steigt die Konzentration der Milchverarbeitung an. Die 20 grössten Milchverarbeiter handeln bereits mit 40% der weltweit verarbeiteten Milch. Dass an vierter Stelle mit Nestlé ein Schweizer Unternehmen steht, ist kein Wunder. Das Unternehmen verarbeitet weltweit 15 Mio. t Milch – davon stammen allerdings nicht einmal fünf Promille aus der Schweiz.

Der grösste Schweizer Milchverarbeiter Emmi verarbeitet mit 1 Mio. t. Milch wesentlich mehr Schweizer Milch. Weltweit gesehen ist Emmi jedoch ein Nischenplayer. Der Umsatz der Milchverarbeiter pro Kilo Milch variiert beträchtlich und hängt natürlich nicht zuletzt vom Produktportfolio ab: Während die irische Ganbia Gruppe rund 0,65 US-Dollar pro verarbeitetem Kilo Milch umsetzt, kommt Danone (Frankreich) auf 1,85 US-Dollar pro Kilo. Allgemein kann man davon ausgehen, dass der Umsatz der Verarbeiter pro Kilo Milch stets höher ist als der Milchpreis, den die Bauern erhalten.

Wenn die Milch verarbeitet an die Konsumenten gelangt, lässt sich damit mehr Geld verdienen, als wenn sie direkt vom Bauern abgegeben wird. Das ist mit ein Grund, warum Milchhandel und -Verarbeitung schneller wachsen als die Produktion. Die ganz direkte Vermarktung nimmt ab. Und dieser Trend wird sich fortsetzen.

In fast allen Ländern kann man einen Flaschenhals in der Wertschöpfungskette der Milch feststellen: Vielen Konsumenten stehen sehr wenige Handelsunternehmen und einige Milchverarbeiter gegenüber, die ihrerseits von zahlreichen Bauern beliefert werden.

In Deutschland sah das Verhältnis im Jahr 2009 z.B. so aus:
1 Kuh pro 20 Konsumenten
1 Milchproduzent pro 857 Konsumenten
1 Milchverarbeiter pro 4,1 Mio. Konsumenten
1 Wiederverkäufer-Handelskette pro 10 Mio. Konsumenten

In der Schweiz ist es nicht viel anders. Die beiden Grossverteiler Migros und Coop dominieren den Milchmarkt gegenüber den Konsumenten. Und 22‘000 Milchbauern steht nur eine Handvoll grosse Milchverarbeiter gegenüber.

Weiterlesen: Milch- und Molke-Konsum wachsen weltweit

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