Food aktuell
Varia
28.2.2013
Pferdefleisch und andere Nahrungstabus



Die Einen essen kein Pferdefleisch aus ethischen oder religiösen Motiven, für Andere ist es eine Delikatesse oder eine preiswerte Alternative zu Rindfleisch.


Pferdefleisch gilt in manchen Ländern als normales Nahrungsmittel aber in anderen Ländern wird es tabuisiert oder zumindest gemieden. Im Christentum galt lange Zeit ein päpstliches Schlachtverbot für Pferde. Noch im 16. Jahrhundert galt der Verzehr von Pferdefleisch als Beweis für Hexerei. Auch die jüdischen Speisegesetze untersagen den Verzehr von Pferdefleisch, im Islam gelten Pferde und Esel ebenfalls nicht als reguläre Lebensmittel, da sie als Nutztiere nicht „halal“ sind.

Ernährungsphysiologisch spricht nichts gegen den Verzehr von Pferd. Knochenfunde und Höhlenmalereien aus der Steinzeit belegen, dass die Menschen damals häufig Pferde erlegt und gegessen haben. Als in Europa auf Grund der Klimaveränderung Wälder die ausgedehnten Weideflächen verdrängen, wurde Pferdefleisch hauptsächlich von Reitervölkern wie den Mongolen und Hunnen gegessen.

Pferde wurden jedoch nie nur für den Verzehr gezüchtet, denn als reine Fleischlieferanten sind Rinder und Schweine auf Grund der effektiveren Futterverwertung besser geeignet. Die Römer der Antike assen keine Pferde, allerdings Esel. Während in Frankreich und einigen anderen europäischen Ländern der Konsum von Pferdefleisch im 19. Jahrhundert wieder zugelassen und sogar gefördert wurde, trifft dies auf Grossbritannien und die Vereinigten Staaten nicht zu, obwohl dort der Katholizismus keine wichtige Rolle spielte. Der Grund: in England und den USA gab es auf Grund des Handelsimperiums seit dem 18. Jahrhundert keinen Mangel an anderem essbaren Fleisch, auch nicht für die unteren Schichten.


Anhand historischer Quellen lässt sich belegen, dass die Zahl der Nahrungstabus in Europa in der Neuzeit deutlich zugenommen hat. Weltweit gelten die Chinesen als Volk mit den wenigsten Nahrungstabus. Ein Geflügeltes Wort sagt, sie essen alles was vier Beine hat ausser dem Tisch. In Mitteleuropa sind es die Franzosen, die als Besonderheit Froschschenkel (Bild) und Schnecken essen.


Allerdings wird Pferdefleisch in diesen Ländern nicht einfach ignoriert sondern von den meisten Bewohnern entschieden abgelehnt. Es wird als „nicht essbar“ betrachtet d.h. tabuisiert. Dennoch wären viele Amerikaner bereit, Pferdefleisch zu essen, wenn es deutlich billiger als Rind- oder Schweinefleisch wäre. Die Aversionen ist auch auf eine „Rindfleisch-Lobby“ und anhaltende Proteste von Tierschützern zurückzuführen. In Texas gibt es notabene zwei grosse Pferdeschlachthöfe, die das Fleisch fast ausschliesslich ins Ausland liefern und einen Teil zu Hundefutter verarbeiten.

Die Aufrechterhaltung des Pferdefleischtabus heutzutage und auch in protestantischen Ländern lässt sich schlüssiger mit einem anderen soziologischen Ansatz erklären: Einige Tiere werden nicht gegessen, weil sie als Haustiere gelten und nicht als Nutztiere. Sie stehen damit den Menschen zu nahe, um als Nahrungsmittel in Frage zu kommen.

Ekel ist anerzogen

Der Mensch ist ein Allesfresser (Omnivore), kann also sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung verdauen. Dennoch wird in allen Kulturen eine Nahrungsauswahl getroffen, so dass unterschieden wird zwischen bevorzugten, weniger bevorzugten, zu meidenden und verbotenen Nahrungsmitteln. Nur die strikte Meidung unverdaulicher und giftiger Substanzen ist physiologisch begründbar. Alle anderen Tabus gelten als sozio-kulturell erworben und differieren in verschiedenen Kulturen, Nationen oder Gruppen.

Die menschliche Nahrungsauswahl wird im Unterschied zu der bei Tieren nicht durch den Instinkt gesteuert. Studien haben ergeben, dass Kleinkinder bis zum Alter von etwa zwei Jahren noch grundsätzlich bereit sind, alles in den Mund zu stecken und zu essen, also auch Steine, Käfer oder Kot. Ekelgefühle werden sozial erworben und auf Grund des Verhaltens der Umwelt erlernt, sind also nicht angeboren. Bei Tieren wurden noch nie wirkliche Ekelreaktionen beobachtet.


In Asien isst man auch Insekten, vor denen Europäer Ekel empfinden. Heuschrecken gibt es fritiert (Bild). Ob man Grillen grilliert, was vokabularisch naheliegend wäre, ist noch Gegenstand von Recherchen.


Auch verbotene Nahrungsmittel werden oft mit einem Gefühl des Ekels assoziiert. Da dasselbe Nahrungsmittel, das in einem Kulturraum entschieden als nicht essbar angesehen wird, in einem anderen als Delikatesse gelten kann, zum Beispiel Hundefleisch, kann diese Reaktion nicht als Instinkt interpretiert werden; sie steht offenkundig nicht in Zusammenhang mit den Eigenschaften des prinzipiell essbaren Objekts. Die Fähigkeit, in Notsituationen wie einer Hungersnot Ekelreaktionen unterdrücken zu können und etwas Tabuisiertes zu essen, ist individuell unterschiedlich. Im Regelfall löst starker Widerwille beim Essen einen Brechreiz aus, der eine Nahrungsaufnahme unmöglich macht.

Der überwiegende Teil der weltweit bekannten Nahrungstabus bezieht sich auf Fleisch und tierische Produkte, nur ein kleiner Teil auf Pflanzen. Es gibt religiöse Nahrungstabus wie das Schweinefleischtabu bei Juden und Mohammedanern und nichtreligiöse wie das Hundefleischtabu in den meisten Ländern. Die Ablehnung von Pferdefleisch kann je nach Person das eine oder andere sein.

Schweinefleischtabu

Sowohl für Juden als auch für Moslems ist Schweinefleisch tabu. In beiden Religionen ist dieses Speiseverbot schriftlich fixiert. Die israelische Tora verbietet den Verzehr einer ganzen Reihe von Tieren, darunter auch Schwein. So heisst es im 3. Buch Mose: «Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen. Ihr sollt für unrein halten das Wildschwein, weil es zwar gespaltene Klauen hat und Paarzeher ist, aber nicht wiederkäut».

Die Speisevorschriften im Koran sind auffallend ähnlich. Der Koran verbietet explizit nur das Schwein. Allerdings gibt es auch im Islam eine grundsätzliche Einteilung der Lebensmittel in rein (halal) und unrein (haram), die als bindend gilt, auch wenn sie nicht explizit auf dem Korantext basiert.

Das Schweinefleischtabu in Judentum und Islam wird heute oft damit begründet, dass Schweine eben im wahrsten Sinne des Wortes unsaubere Tiere seien, die sich mit Vorliebe im Dreck wälzten und ihren eigenen Kot fressen. Ausserdem könne man durch den Verzehr von Schweinefleisch an Trichinose erkranken. Tatsächlich fressen Schweine aber nur dann Kot, wenn sie keine andere Nahrung finden. Da sie keine Schweissdrüsen haben, wälzen sie sich zur Abkühlung im Schlamm. Und auch Hühner und Ziegen fressen mitunter Kot.

Die Trichinose wurde von Wissenschaftlern erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und kann daher nicht der Grund für die Entstehung dieses Tabus gewesen sein. „Wäre der hygienische Aspekt die Hauptursache für das Verbot, dann müsste Rindfleisch noch dringender verboten werden, da es einen Parasiten enthalten kann, der den tödlichen Milzbrand hervorruft, während die Folgen einer Trichinenkontamination weniger schwerer Natur sind.

Archäologische Funde belegen, dass früher auch in der Region des Nahen Ostens Schweine gehalten und auch gegessen wurden. Zur Zeit des Neolithikums gab es dort noch ausreichend Eichen- und Buchenwälder, in denen Schweineherden Futter und Schatten fanden. Auch im Neuen Testament wird noch eine Schweineherde im Gebiet der hellenistischen Dekapolis erwähnt.

Auf Grund des Bevölkerungswachstums wurden aber immer mehr Wälder gerodet, um Ackerland zu gewinnen. So wurde die Schweinehaltung in dieser heissen Gegend zunehmend unökonomischer, denn Schweine sind zwar Allesfresser, können im Gegensatz zu Wiederkäuern aber keine Pflanzen mit hohem Cellulosegehalt verdauen, also kein Gras. Als Haustiere müssen sie mit Getreide oder anderen Feldfrüchten gefüttert werden, wodurch sie, im Unterschied zu den Wiederkäuern, zu Nahrungskonkurrenten der Menschen werden.

Im Gegensatz zu Rindern sind Schweine nicht als Zugtiere geeignet, sie sind keine Reittiere, sie lassen sich nicht melken, und ihr Fell ist weniger vielseitig verwertbar. Ihre Haltung war damit unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten ab einem bestimmten Zeitpunkt unökonomisch und daher unerwünscht. Sowohl das Kerngebiet des Judentums als auch das des Islams liegen im Nahen Osten. Sowohl islamische, wie auch jüdische Gelehrte lehnen solche Interpretationen und Überlegungen als „menschliche Auslegungsversuche des göttlichen Willens“ ab und berufen sich auf die Festlegung von Gott, die ein Mensch weder interpretieren kann noch darf.

Heilige Kühe in Indien

Eines der bekanntesten Nahrungstabus ist das religiös begründete Verbot für Hindus, Rinder zu schlachten und zu essen. Vor allem milchgebende Kühe gelten als heilig und unantastbar. Die Kuh gilt als Verkörperung der Göttin Prithivi Mata, Mutter Erde. Für manche Hindus bedeutet die Wiedergeburt als Kuh die Stufe direkt unterhalb der des Menschen und wer eine Kuh tötet, dessen Seele soll wieder auf die unterste von 87 Stufen zurück sinken. Auch gelten die Kuhmilch und alle Ausscheidungen von Kühen als rein.



Krishna mit heiliger Kuh in Indien


In den meisten indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien ist das Schlachten von Rindern gesetzlich verboten oder nur eingeschränkt zulässig, eine einheitliche unionsweite Regelung gibt es in Indien jedoch nicht. Von Mahatma Gandhi ist das Zitat überliefert: «Im Mittelpunkt des Hinduismus steht der Schutz des Rindes».

Die Rinderverehrung unter Hindus ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Während einige, besonders im Norden Indiens, ein enges emotionales Verhältnis zu den Tieren haben, verzichtet man im südlichen Kerala lediglich auf das Schlachten und verkauft alte Tiere an christliche oder muslimische Metzger; Rindfleisch wird dort auch gegessen.

Von den 450 unteren Kasten, die es offiziell in Indien gibt, ist 117 der Verzehr von Rindfleisch erlaubt. Aus finanziellen Gründen kommt für sie meist nur das Fleisch verendeter Tiere in Frage. Für die Mehrheit der Hindus ist Rindfleisch jedoch tabu. Altersschwache und unproduktive Kühe können meist im Stall bleiben und werden weiter gefüttert; manchmal bringt man sie in speziellen Tierheimen unter, wo sie das Gnadenbrot erhalten.

Die meisten Hindus glauben, dass die Inder auch in alter Zeit bereits Rinder verehrt und grundsätzlich nicht geschlachtet haben – der Rindfleischverzehr sei erst mit den Muslimen im Land verbreitet worden. Dies lässt sich jedoch anhand von Quellen widerlegen. Wären die Rinder nicht mit einem Tabu belegt worden, hätte dies das Aus für die Rinderzucht bedeutet, denn „unreine“ Tiere werden von Gläubigen nicht gehalten.

Die Rinder spielten und spielen jedoch auch heute noch für die Ackerbau treibende Bevölkerung in Indien eine wichtige Rolle und sind unverzichtbar, denn sie dienen als Zugtiere auf dem Feld, liefern Milch, und der Kuhdung wird sowohl als Dünger als auch als Heizmaterial gebraucht. Ausserdem sichert der Besitz auch nur einer einzigen Kuh vielen Kleinbauern überhaupt ihren Status als Besitzer eines winzigen Stück Landes.

Das ist der wahre Grund für das Tabu der Heiligen Kühe. Es hat mit der Religion nichts zu tun, sondern ist ökonomischer Art. Nach einem weiteren sozio-kulturellen Erklärungsmodell dient das Nahrungstabu der Stärkung der eigenen Identität der Hindus und der Abgrenzung von anderen Religionsgruppen wie Christen und Muslimen. (Infos zT aus Wikipedia)

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